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2 Wuürttembergiſche Pierkeljahrsheft
für
Tandesgeſchichte.
Bene Folge.
In Verbindung mit dem Verein für Kunſt und Altertum in Ulm and Oberſchwaben,
dem Wärtt. Geſchichts und Altertumsverein, dem Hiſtoriſchen Verein für das +
Wärtt. Franken und.dem Sülchgauer Altertumsverein heransgegeben von der
Württembergifhen Kommiſſion für Laudesgeſchichte.
XI. Zahrgang. 1902. Seft I und II.
Sfuffgart. Denk von W. Rohlhbammer. 1992.
Bnbatt.
Das Zolbud der Deutſchen in Barcelona (1425—1440) und der deutſche Handel mit Katalonien bis zum Ausgang bes 16. Jahrfunderts. Schluß. II. 3. Die Handelswege. TIL. Spätere Geſchichte des deutſchen Handels mit Kata: Ionien und ragen. Bon Profeffor Dr. K. Häbler, Bibliothefar in Dresten . . . rennen
Zur Gefhichte ber Ravenasurger Sefetigaft. "Yon Profeer Dr. &. Schulte in Breslau (Rom) . . . Deren
Die Anfänge des Pietiemus und Separatismns in , Württemberg. Von Ehr. Kolb, Delan in Ludwigsburg. (Schluß) III. Der Übergang zur Tor Teranz von 1715 ab. Anhang: Weitere Verbreitung bes Separatismus
Überficht über Uhlands Bri ſwegiet Bon Archlvaſſeſſor Dr. Rudolf Krauß in ‚Stuttgat 2... . EEE
Yerein für Bunk und Alterium in Alm und Oberfäwaben.
Mary Otto, Bater und Cohn, Schreiner und Diplomat. Bon E. v. Loefiler, Generalmajor a. Deinlim . 2.2.2 .20.. Per
Sikerifger Yerein für das Württ. Franken. Zur Geſchichte des Voltoſchulweſens im Kapitel Crailsheim bie zum Jahre 1810. Bon Stadtpfarrer Dr. Shmit. in Bradenheim 2 2 222.2. Sontseim— Schwaitheim. Bon Dr. G. Mehring in Stuttgart
Züldganer Altertuı
Des franzöifgen Marſchalls Jean Baptiſte Budes Grafen v. Guöbriant Sieg und Tod zu Rottweil a. N, im Jahr 1643. Bon Sraipfaer Adolf Brinzinger in Oberndorf a. N. . . . .. oo.
Eine Gefangennahme Graf Eberhards des Erlauchten von
ittemberg. Yon
Achivrat Dr. Schneider. .. .... · · · · · . . . Mitteilungen aus Büchern und Zeitſchriften. Von Arhinfefretir Dr. Mehring Um und aus Handicriften. Bon Demielben.. . .
Veipregung und Grwiderung. Briefe umb Akten zur Weiichte des 16. En bumberts. Yon Privatdozent Dr. Funjt in Tübingen . .— :
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no. | / 2 Das Zollbuch der Deulſchen in Barcelona (1425 bis 1440) und der deutſche Bandel mit Ratalonien bie pım Ausgang des 16. Jahrhunderts.
Von Konrad Häbler.
3. Die Handelöwege,
Wenn man alle Die Angaben berüdfichtigt, welche ſich in dem Zollbuche über ben Urfprung ber darin verzeichneten Handelsartikel vorfinden, jo zeigt es fi, daß das weite Gebiet von den Küften Indiens bie zur afrikaniſchen Norbweftküfte einerſeits, durch das ganze mittlere Europa hindurch bis zu den Norbfeegeftaden in Flandern und Oftfriesland, ja bis zu der Oſtſee hinauf dem Handel der Deutſchen in Barcelona tribut: pflitig gemacht worden war. Diefer Handel war nun freilich in vielen Fälen nur ein indirefter. Es läßt fi) nicht nachweiſen, daß die deutfchen Kaufleute die Erzeugniffe der Levante jelbft von dort geholt hätten, um fie in Barcelona auf den Markt zu bringen, und wenn italienifhe Produkte in den umfänglichen Liften der Handelsartifel jo außerordentlich felten vorkommen, jo hat das mit Sicherheit darin feinen Grund, daß ber rege Handel der Italiener in der kataloniſchen Hauptſtadt eine Konkurrenz der Deutſchen auf biefem Gebiete unmöglich; machte.
Der direfte Handelsverkehr ſcheint ſich allerdings auf die Handels: fragen zwiſchen Deutſchland und ber iberifchen Halbinfel beſchränkt zu haben. Die Wege, bie er einfchlug, find aber mannigfaltig genug gemefen.
In den älteften Teilen bes Zollbuches fehlt es gänzlich an Angaben darüber, auf weldem Wege die verfchiedenen Waren nad) Barcelona gelangt waren, oder von bort nach Deutichland ausgeführt wurden. Selbft das kann man nur aus ber Art der regiftrierten Artikel erſchließen, ob fie Ein: oder Ausfuhrgüter waren. Erſt vom Herbft 1429 an wird hin und wieder bei einzelnen Buchungen erwähnt, ob fie Import oder Export betreffen, und bei diefer Gelegenheit finden ſich dann auch die erften An: gaben darüber, welche Wege für den Handel benügt wurden. Nach und nad) werben die Darauf bezüglichen Notizen weſentlich reihhaltiger. Freilich
Wörtt. Bierteljahrsp, f. Landesgeih. R. 5. XI. 1
2 Häbler
wird eine folde Angabe auch dann nicht zur Regel, jondern auch in ben Aufzeichnungen ber letzten Jahre entbehrt die Mehrzahl der Buchungen eines beftimmten Hinweiſes darauf, wie die Waren ein: ober ausgeführt worden find. In der beträchtlichen Minderheit aber, bei welcher darüber Rechenſchaft abgelegt wird, finden fi) eine Menge von Notizen, die für die Beurteilung des deutſch⸗ſpaniſchen Handels von entſchiedenem Inter⸗ eſſe find.
Die Lage der Stadt Barcelona am Geftabe des mittellänbifchen Meeres mit feinem feit dem frühen Mittelalter hochentwickelten Schiffahrts: verfehre läßt es nur natürlich erſcheinen, daß der größere Teil auch ber von deutſchen Händlern gehanbelten Waren auf dem Seewege kam oder ging. Der ganze Sinn des Bündniffes, welches Deutſche und Savoyer in dem Genuffe gemeinfamer Privilegien zufammenfaßte, Tann ja nur ber gewefen fein, daß ber deutfche Kaufmann ſich ben geficderten Zugang zum Mittelmeere ſchuf, zu welchem ihm nad allen Seiten Hin die Gebiete fremder Potentaten ben Weg verlegten.
Allein der alte Überlandweg, den wir in dem einleitenden Abfchnitt ennen gelernt haben, war deshalb doch noch keineswegs aufgegeben ober vergeffen. Allerdings finden wir nur bei einer ſehr Heinen Anzahl von Eintragungen die Bemerkung, daß die Waren auf dem Landwege nad) Barcelona eingeführt worden feien; dagegen wird verhältnismäßig häufig erwähnt, daß folde Artikel, die von Barcelona ausgeführt wurden, bie Stabt auf bem Landwege verließen. Es werben freilich nicht alle Arten von Waren gleihmäßig über Land ausgeführt, noch auch ift die Benügung dieſes Weges zu allen Zeiten eine gleiche; aber eben daraus ergeben ſich für uns die für die Geſchichte des deutſchen Handels intereffanten Ges fihtspuntte.
Maffenartitel von beträdtlihem Umfang und Gewicht bei verhältniss mäßig geringem Werte, wie 5. ®. befonders Hafen: und Lammfelle find von dem Überlanbverkehre fo gut wie ausgeſchloſſen. Dagegen feheinen die oftbareren Handelswaren bef. Safran zu allen Zeiten nicht nur über See, ſondern in beträchtligen Mengen über Land ausgeführt worden zu fein. Daß bie für den aragonifhen Safran die Regel bildete, hat fi aus den oben darüber mitgeteilten Zahlen ergeben; das Zollbuch läßt aber trog ber Unvollftändigfeit feiner Angaben erkennen, daß aud von dem in Barcelona gehandelten Safran alljährlih beträdtlide Mengen auf dem Landwege auögeführt wurden.
Nicht ausgeſchloſſen wäre es, daß diefe Ausfuhr über die franzöſiſche Grenze zu einem Teile folhe Waren angehe, bie zwar von deutſchen Kaufleuten gehandelt, aber nicht für den deutſchen Markt beftimmt waren,
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Das Zollbuch der Deutſchen in Barcelona (1425—1440) 2c. 3
fondern auf den Zwiſchenſtationen, etwa in yon ober Genf, weiterver⸗ Handelt werden follten. Natürlich” mag auch das gelegentlich vorgelommen fein, doch glaube ich nicht, daß Handelsgeſchäfte diefer Art, Die nachmals Sei dem Gewurzhandel der Deutfchen in Liffabon nachweislich in ger waltigem Umfange gemaht worden find, ſchon in bem Handelsverkehr, der fi in dem Zollbuche von Barcelona wiberfpiegelt, eine erhebliche Role gefpielt haben. Wenn es ausjhließlich die großen Hanbelshäufer, ‚wie das ber Humpiß, wären, bei denen das Zolbud die Ausfuhr ber Handelögüter auf dem Landwege anmerkt, fo würde man eher an ſolche Zwecke denken können, denn von dieſen wiſſen wir, daß fie auch auf ben Mefien von Lyon und Genf, daß fie in Marfeile und anderen füb- franzöfiihen Städten Kandel trieben. Aber die gleiche Angabe ber Aus: fuhr über Land begegnet auch bei anderen Handelshäuſern, ja felbft bei ‚Gefchäften folder Kaufleute, die nur eine gelegentlihe Erwähnung im Zollbuche finden. Aus dieſem Grunde halte ich es für durchaus wahr⸗ ſcheinlich, daß aud der Safran, der auf dem Landwege aus Barcelona won ben beutfchen Kaufleuten ausgeführt wurde, in ben weitaus meilten Fällen für Deutſchland beftimmt geweſen ift.
In den legten Jahren bes dret regal nimmt die Häufigkeit der "Bemerkung exida per terra in auffallender Weife zu. Es wurde aller: dings oben fhon bemerkt, daß die Ausführlickeit der Angaben bei ben einzelnen Eintragungen ganz allgemein in ben fpäteren Jahren zunimmt. “Allein das Anwachſen der Nachrichten über Ausfuhr auf beim Landwege ift keineswegs nur damit zu erflären. Denn während in den Jahren 1429—1437 alljährli nur etwa 3—4 Poften, und zwar faft ausſchließ⸗ lich Safran als auf dem Landwege ausgeführt verzeichnet werden, finden fi ſchon 1438: 5, 1439: 11 und 1440 fogar 18 Buchungen, aus denen hervorgeht, daß bie Waren auf dem Landwege ausgeführt wurben. Noch beſonders augenfällig wird ber befondere Anlaß zu biefer Veränderung des Handelsweges dadurch, daß es in biefen Jahren nicht mehr aus- ſchließlich Safrantransporte find, die den Weg über Land bevorzugen, fondern daß aud Korallen, Früchte und Indig, ja in mehreren Fällen felbft Tierfelle auf diefem Wege ausgeführt werben. Es kann wohl kein Zweifel darüber beftehen, daß befondere Verhältniffe zu dieſer Wandlung den An: Laß gegeben haben müſſen. Zunächſt ift man immer geneigt, an bie Sicherheit der Schiffahrt auf dem Mittelmeer zu denken, bie durch bie kriegeriſchen Verwidelungen Alfons des V. einerfeits, durch das Unweſen von Piraten aller Völker und Nationen andrerſeits im 15. Jahrhundert oft eine ſehr zweifelhafte geweſen. Thatſächlich muß auch das Seeräuber: unweſen damals gerade wieder fi fehr unangenehm fühlbar gemacht
4 Habler
haben. Es liegt eine Verordnung Alfons V. vom 28. Mai 1443!) vor, in welcher er die Behörden von Mallorca zu aufmerkſamer Beobachtung gegenüber den Biskaifchen Seefahrern ermuntert, da dieſe fi einer ſchweren Beeinträchtigung des Handels durch Räubereien in kataloniſchen Gewäffern ſchuldig gemacht haben. Und um bie gleiche Zeit läßt die Stadtverwaltung von Barcelona zweimal ihre Kriegsfahrzeuge in See ſtechen, um fi der Bedrohung ihres Handelsverkehres in der unmittels baren Nachbarfchaft zu erwehren?).
Diefe Verhältniffe mögen allerdings das Ihrige dazu beigetragen haben, die deutſchen Kaufleute zur Bevorzugung bes Landweges zu er⸗ muntern; allein ich glaube, daß der weſentlichſte Grund noch auf anderem Gebiete zu ſuchen if. Es zeigt fi nämlich, daß die Stadt Barcelona eben damals daran ging, zu Erleichterung und Sicherung ihres großen Hanbelsverkehres durch den Bau einer neuen Mole ihre Hafenanlager zu erweitern, und zum Zwede dieſes Baues wurde vom 1. Juni 1439 ab ber gefamte Schiffsverkehr mit einer Steuer belaftet?). Nun fuhren ja die deuten Händler nicht auf eigenen Schiffen und wurden fomit nicht unmittelbar von dieſem Zoll betroffen. Allein es ift mit Sicherheit anzunehmen, daß bie Reeber ihrerfeit3 bie neue Steuer durd eine Er- höhung der Frachtſätze auf die Kaufleute abzumälzen verfucht haben werden und in dieſen Verhältniffen hat man, wie ich glaube, die eigentliche Urſache dafür zu erbliden, daß von 1439 ab Ser Handelsverkehr auf dem Land: wege eine fo beträchtliche Steigerung erfahren hat.
Es ift übrigens noch nicht ausgemacht, daß alle diejenigen Waren, welde Barcelona auf dem Landwege verließen, nun aud wirklich über Land nah Deutſchland geführt worden wären. Es murbe ſchon oben gelegentlid darauf hingewieſen, daß Johan de Colonia mehrfad Artikel, die fonft der Einfuhr zugehören, wieber erportierte, um fie in Valencia zu verkaufen. Dazu hat er fich gelegentlich au des Transportes über Land bedient. Eine ſolche Handlungsweiſe wäre freilich bei jedem anderen Händler irrationell gewejen wegen ber wiederholten Verzollung, die fie mit fi brachte. Sie ift für Johan de Colonia nur dadurch verſtändlich, daß er fi als Barcelonefer Bürger weſentlicher Zollvergünftigungen er⸗ freute. Aber auch andere als exida per terra verzeichnete Handelsartikel find offenbar nicht auf dem Landwege bis nad) Deutſchland geführt worden. Am 3. Dezember 1434 verzollt Joushompis 2 Poften, den einen nur aus Safran, den anderen aus Safran und Korallen beftehend, die beide
') Capmany 1. e. 8. IV. ©. 180. *) April 1440. Dietari ®. I. &. 387 und 407/8. ®) Capmany 1. c. 8b. II. &, 237. Dietari ®t. I. ©. 385-890.
Das Zollbuch ber Deutſchen in Barcelona (14251440) ıc. 5
auf dem Landwege ausgeführt wurden. Während aber ber kleinere Poſten nur mit der üblichen Bezeichnung de exida per terra verfehen ift, findet ſich bei dem größeren Poften der Zufag: exida per terra fing a Sent Feliu per se toller en la nau d’en Conill d. 5. die Waren gingen zu Lande nur nad dem unfern gelegenen Küftenftäbthen San Feliu de Guirole, um dort auf dem Fahrzeuge eines Reeders verlaben zu werben, der, mie es fheint, während mehrerer Jahre von der Humpißgeſellſchaft für den Transport ihrer Güter verwendet worden ift.
‚Weit überwiegend vollzog fi der beutiche Handelsverkehr mit Barcelona auf dem Seewege. Den 65 Angaben über Warenpoften, die auf dem Landwege transportiert wurden, ftehen 163 ſolche gegenüber, bei denen ausdrücklich bezeugt wird, daß fie zu Waſſer befördert wurden, and ein gleiches Verhältnis dürfen wir zum Mindeften für alle die Ein= tragungen annehmen, bei benen jede Angabe über ben eingefchlagenen Transportweg fehlt. Diefes Überwiegen bes Seeweges ift aud) durchaus das Natürliche; er ift nicht nur der bequemere, fondern auch der fürzere, and der Transport der deutſchen Waren über die dem Herzog von Savoyen anterthänigen Hafenftäbte ift der einzig denkbare Zweck bes deutſch⸗ javoyifchen Bündniffes, welches dem Privileg des dret regal zur Voraus: fegung dient. Es ift aber bei der Mangelhaftigkeit der Angaben nicht leicht zu erraten, welche Häfen mefentlih von den Deutſchen zu ihrem Verkehre mit ber kataloniſchen Handelsſtadt benügt wurden. Das Zoll: buch giebt nur in ein paar ganz vereinzelten Fällen den Ausgangshafen der Schiffe an, die deutſche Waren beförberten; im allgemeinen wirb nur der Name, gelegentlich die Heimat des Reeders ober des Schiffes bezeichnet, allein es ift ohne weiteres Mar, daß der Heimathofen durchaus nicht identifh zu fein braucht mit beim Ausgangshafen bes betreffenden arentransportes.
Der hauptſächlichſte Hafen auf favoyifhem Gebiete und derjenige, den die Deutfchen wohl beim Abſchluſſe des Handelsbundniſſes vorwiegend im Auge hatten, ift derjenige von Nizza. Aus Nizza ftammen eine Reihe von favoyifchen Kaufleuten, die ſich das deutſch-ſavoyiſche Privileg zu nutze gemacht haben; von Nizza kamen die Reeder Guillen Marques und Rodrigo Ramon, eine nau de Nigarts, deren Schiffer nicht namhaft ges macht wird, wird außerdem im Mai 1436 erwähnt. Vermutlich ftammt auch noch einer oder ber andere ber zahlreihen Schiffer, deren Heimat nicht genannt wird, von borther. Immerhin ift von einem Übermiegen ſavoyiſcher Reeder in dem deutſchen Handel mit Barcelona nichts zu fpüren, ebenſowenig, als die Savoyer das Privileg des dret regal nachdrücklich auszunügen verfucht Haben. Andere ſavoyiſche Häfen werben nicht genannt ;
6 Häbler
es ift wohl noch einmal von Punentefos, d. 5. Bewohnern ber Riviera di Ponente, als Unterthanen des Herzogs von Savoyen bie Rebe, allein: ihre Heimat wird nicht genauer bezeichnet.
Dagegen werben eine Anzahl anderer ſudfranzöſiſcher Küftenftädte ans geführt, auch ſolche, die nicht eigentliche Hafenftädte find, als Heimatsorte von Schiffen und Schiffern, die am beutfchen Handel beteiligt waren. So eine Galeere von Narbonne i. 3. 1432, eine Fregatte von Aiguesmortes i. 3. 1434, eine Bart des Arnau Juliol und Pere Pont von Agbe- i. J. 1436; ihnen reiht fi eine barcha de Franga i. 3. 1440 an. Daß ein weiterer und zwar beträdtlicer Teil der an der Beförderung deutſcher Güter beteiligten Schiffer kataloniſcher Rationalität war, liegt, wo es fi um ben Hafenverfehr von Barcelona handelt, auf der Hand. Meift aber können wir bie nur aus der Namensform ber Schiffer fließen. Nur in feltenen Fälen mird es ausdrüdlih befätigt'); und- ein paarmal werben fogar bie Heimatsorte der Betreffenden nambaft gemacht: fo erſcheint 1434 und 1435 wiederholt die barcha d’En Conill, die wie diejenige de8 En Punes nad Sant Feliu de Guirols heimat= berechtigt gewefen zu fein ſcheint. Won Colliure ftammte eine andere i. 3. 1436 erwähnte Bark, die bem Bento Guaran gehörte. Selbft das ziemlich weit vom Meere abgelegene Perpignan, damals noch ſpaniſch, beſaß zu jener Zeit eine Galeere, die an Hanbelsfahrten längs der Mittel= meerfüften teilnahm. Wenn wir in Barcelona einer galera de Mallor- quing begegnen, jo hat dies bei dem regen Verkehr zwiſchen der Inſel und der Küfte nichts Verwunderliches; auffallend erſcheint es höchſtens, daß eine folhe für den Handelsverkehr der Deutſchen in Anſpruch ges nommen wird. Da fie Safran und Musfatblüthe zur Beförderung über geben erhält, handelt es ſich offenbar um eine Fahrt nad) einem franzöſi⸗ ſchen oder ſavoyiſchen Hafen.
Auch kaſtilianiſchen Schiffen begegnen wir auf den mittelländiſchen Küftenfahrten; als ihre Herren werben genannt ein Martin de la Penna i. 3. 1435, ein Gonzalo Graus 1436 und ein Martin Lanz 1439. Trog der ſcharfen Kontrolle, die fie ſich durch gelegentliche räuberiſche Übergriffe zugezogen Hatten, verkehrten boch felbft i. 3. 1440 noch biz⸗ caifhe Schiffe im Hafen von Barcelona; und da fie vom 10. Mai bis- zum 5. November nit weniger als viermal in Zwiſchenräumen von mehreren Wochen erwähnt werden, kann es fi) wohl faum nur um eim einzelnes Schiff handeln.
Daneben bedienten fih die deutſchen Kaufherren aber fortgeſetzt für ihren Handelsverkehr auch italieniiher Schiffe. Daß wir unter ihnen 9 Noffrö eatala. 24. Juni 1434.
Das Zolbud ber Deutſchen in Barcelona (1425—1440) ꝛc. 7
auch die Genuejen vertreten finden, ift auffallend. Genua war ja in jener Zeit vielfach die politiſche Gegnerin des kataloniſchen Herrſchers um feiner neapolitanifchen Eroberungspläne willen, und das Bünbnis ber Deutſchen und Savoyer kehrte auch wirtfaftspolitii eine Spige gegen die Republik. Trogdem kommen Waren für Joushompis und Gaspar de Vat nit nur auf dem Schiffe des Pere Materma von Genua, — dieſe könnten ſchließlich auch in einem onderen Hafen an Borb genommen fein — fondern aud der — vermutlich Tatalonifhe — Pere Vital trifft am 20. März 1436 in Barcelona ein von Genua her.
Vereinzelt ift einmal t. 3. 1437 aud ein von Piſa kommendes Schiff von Jousbompis zur Beförderung feiner Güter benügt worden; regelmäßig aber ſcheint dies während des ganzen Zeitraumes, ben bie Aufzeichnungen umfaſſen, mit den Galeeren von Florenz geſchehen zu fein. Humpis und Vat haben biefelben von 1433—40 für die Aus: und Eins fuhr nicht weniger als elfmal benügt, wobei allerdings ein paar Poſten fih auf ein und biefelbe Fahrt bezogen haben mögen.
Noch befannter als von den Florentinern ift es von den Venetianern, daß fie mit ziemlicher Regelmäßigkeit Rundfahrten ihrer Handelsſchiffe an den Küften des Mittellänvifchen Meeres und darüber hinaus unter— nahmen, welche aud fremden Kaufleuten ein willkommenes Beförberungs- mittel für ihre Güter von einem Hafen zum anderen boten. Noch häufiger als die Slorentiner werben die galera oder galeras de Venecians erwähnt, obwohl dies erft i. 3. 1435 zum erftenmale geſchieht. Es er— ſcheint mir nicht zufällig, daß fie mit wenigen Ausnahmen nur bei ber Einfuhr genannt werden; und zwar glaube ich das fo erklären zu follen, daß der Weg, den die venetianifhen Schiffe nahmen, wohl zum Bringen der Waren günftig, für deren Rückbeförderung nad Deutſchland aber nicht geeignet war. In ber Benügung der galeras de Venecians erjcheint neben Humpius und Vat auch Johan de C,lonia, und damit wird bie Frage angeregt, ob es ſich bei dem Verkehre dieſer Schiffe noch immer ausſchließlich um einen mittellänbifchen Seeverkehr handelt, oder ob etwa ſchon in diefer Gruppe die venetianifhen Flandernfahrer eine Rolle ges fpielt haben.
Daß ein birekter Seeverkehr zwiſchen Barcelona und den Nieder: fanden ſchon damals beftanden Bat, ift unzweifelhaft. Aus hanſiſchen Duellen können wir allerdings aus dem erften Drittel des 15. Jahrhunderts weder einen bireften Schiffäverfehr mit Katalonien, noch auch einen direkten Handel der Deutſchen dahin nachweiſen. Dagegen hat Capmany'!) in
') Memorias II. ©. 91, 110, 118, 170, 201 u. |. w.
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feine Urfundenfammlung eine Reihe von Dokumenten über biefen Verkehr aufgenommen, bie bis in das Jahr 1435 zurüdgehen, und den Beweis erbringen, daß feit fo frühen Zeiten ſchon kataloniſche Kaufleute und Waren auf dem Wege dur die Straße von Gibraltar und über ben Ozean bis nad England und nad Flandern gelangt find. Das Zollbuch aber giebt uns auch vollmertige Beweiſe an die Hand dafür, da Kaufr leute deutſchen Urfprungs mit deutſchen Waren ben Markt von Barcelona beſchickten. Es ift in erfter Linie der allerdings in feiner Eigenſchaft als Bürger von Barcelona halb zum Katalonier gewordene Juan de Colonia, der dieſen Handelsweg benügt. Aber gerade dies ift bezeichnend und wertvoll. Denn mir bürfen doch mohl mit Sicherheit annehmen, daß die Waren aller Arten (merceries), welche Juan de Colonia lange Jahre hindurch (1434—40) über Flandern bezieht, aus den Rheinlanden, vermutlich fogar aus feiner Vaterftabt Köln jelbft, ftammten, und von dort rheinabwärts zur Verfchiffung nach Barcelona zu einem ber nieder: länbifchen Hafen geſchickt worden waren. Übrigens ift Juan de Colonia nicht ber einzige, der Güter von Flandern nach Katalonien bringen läßt. Allerdings entfallen von den 8 Buchungen, in denen biefe Thatſache vers merkt wird, 6 auf fein Konto, die anderen beiden aber, aus den Jahren 4434 und 1439, betreffen Güter der Humpißgeſellſchaft und laffen darauf ſchließen, daß auch dieſe in jener Zeit, wie mit Barcelona, fo auch mit den nieberländifhen Handelsſtädten in dauernder lebhafter Hanbelsverbindung ftanden.
Ob irgend damals ſchon auch deutſche Schiffe bis nach Barcelona gekommen find, läßt ſich zwar nicht erweiſen; boch läßt fi ebenſowenig die Möglichkeit eines ſolchen Vorkommniſſes rundweg in Abrede ftellen. Zwar wenn ein Ramon d’Ezpla i. J. 1439 Güter für Humpis von Flandern bringt, fo ſcheint es fi da um einen kataloniſchen Flandern fahrer zu handeln. Die galera de Flandes, welche 1434 für Spedeli und 1438 für Johan de Colonia Güter befördert, könnte meiner Anficht nach leicht ein venetianifches Schiff geweſen fein, denn diefe trugen wohl zuerft den Namen „flandriſche Galeeren“. Auch wenn naus Flamengnes 1440 in Verbindung mit Juan de Colonia vorkommen, wäre es zu fühn, deren Nationalität anzuzweifeln. Allein in vier anderen Fällen werben die Eigennamen der Schiffer genannt, welde für Johan de Colonia Güter aus Flandern bringen, und dieſe find in einer folden Weife entſtellt, daß fi darunter ales mögliche, und ſchließlich aud der Name eines nieberbeutfehen Schiffes verbergen könnte. Nur „könnte“. Ein Beweis läßt fi allerdings dafür nicht erbringen, denn Guarrigue de Flandes, Pigues de Flandes, Pere Joban Senchmet und Martin Sentit find
Das Zollbuch der Deutſchen in Barcelona (1425—1440) x. 9
ſämtlich fo ftarf entftellte Namensformen, daß man ihr flämiſches oder deutfches Aquivalent nicht ohne weiteres herauszufinden vermag.
Das Zollbuch ergiebt alfo, daß der deutfche Handel mit Barcelona ſchon in ber Mitte des 15. Jahrhunderts keineswegs auf einen Handels: weg beſchränkt war. Er folgte wohl noch vielfah der alten Überland- ftraße, die, aus der Römerzeit ſtammend, während des ganzen Mittelalters den wahrſcheinlich ziemlich befchränften Reife: und Pilgerverkehr von einem Lande zum anderen vermittelt hatte. Allein zu feinem größeren Teile batte er fi von biefem ſchwierigen und weitläufigen Wege freigemadht. Er ftieg, nur den Anfang des alten Pilgermeges nüßend, vom Boben= und Vierwaldftätterfee zum Rhonethale nieder, verließ dies aber beizeiten, um auf fürzerem Wege ber Mittelmeerfüfte zuzuftreben, und über Meer die kataloniſche Hauptftadt zu erreihen. Und zu biefem Zwed benüßte der deutſche Kaufherr, mit den Savoyern verbündet, durchaus nicht nur diefe feine Freunde, fondern Katalonier und Kaftilianer, Franzoſen und Staliener, Florentiner und Venetianer jegte ber deutſche Hanbelsfleiß mit in Nahrung. Und felbft der Weg, der im kommenden Jahrhundert für den deutſchen Handel einen fo gemaltigen Aufſchwung nehmen follte, der von ben beutfchen Küften bis zum Beſtimmungshafen über hohe See tein frembes Land zu berühren nötig Hatte, au er ift ſchon damals, wenn aud in beſcheidenem Umfange, von beutfchem Unternehmungsgeifte beſchritten worden.
ITI. Spätere Geſchichte des deutſchen Handels mit Stafalonien und Aragon.
Das Libre del dret läßt nicht erfennen, daß ber deutſche Handel in der von ihm umfaßten Periode irgenbwelden Störungen unterworfen . geweſen fei. Aus anderen Quellen aber wiflen wir allerdings, daß dies ber Fall war. Am 2. September 1435!) richtet der Rat von Barcelona auf Betreiben des Konſuls ber Deutſchen, den Verfaſſer des Libre del dret, Raphael Ferrer, ein Schreiben an die Behörden der Infel Mallorca, worin er fie davon in Kenntnis feßt, daß ein von ber beutfchen Handel gefelihaft des Joushompis unter Kontrolle des Konfularftellvertreters Juan ses Avases für bie Fahrt von Mallorca nad Barcelona befrad: tetes Schiff unterwegd und zwar innerhalb der mallorfanifchen Gewäſſer angehalten und beraubt worben fei, und fordert fie auf, den Geſchädigten zu ihrem Rechte zu verhelfen. Der Wortlaut des Briefes erwedt ben Anſchein, als ob es fih um einen Akt von Seeraub handelte, der von
') Capmany, Memorias II. ©. 224 f.
10 Häbler
mallorkaniſchen Unterthanen verübt worben fei. Nicht undenkbar aber wäre es aud, daß die ſcheinbare Reprimande an Mallorca nur in der mangelhaften Handhabung des öffentlichen Sicherheitsbienftes ihre Ber gründung findet, und daß es fih auch hier fhon um eine Unthat Lands fremder Piraten handelt, über bie, wie wir oben fahen, wenige Jahre fpäter auch ein königlicher Erlaß an die Behörden von Mallorca zu Hagen weiß.
Was wir aus der Folgezeit über den Handel der Deutichen in Barcelona hören, bezieht ſich fat ausfchließlih auf die Thätigkeit der Humpißgefelihaft. Daß diefelbe unter allen in Barcelona thätigen Hanbelshäufern bei weitem die erfte Stelle einnahm, das ergab ſich ja ohne weiteres aus den Eintragungen des Zollbuches ſelbſt. Urſprünglich — vermutlid in den legten Jahrzehnten bes 14. Jahrhunderts — bes gründet?) in dem unfern bes Bodenſees gelegenen Ravensburg, hatte die Geſellſchaft rafch einen bebeutenden Aufſchwung genommen. Nicht nur Ravensburger, fondern befonders auch Konftanzer Kaufherren hatten viel: fach der Geſellſchaft ſich angefchloffen oder ihre Gelder anvertraut, und neben dem von ben meiften größeren Kaufherren der Zeit betriebenen Hanbel nad Dberitalien und Venedig, hatte die Humpißgeſellſchaft un gewöhnlichermeife den Handel nad ben mweftlihen Ländern, über Nord: italien und Sübfranfreih nad Katalonien und Valencia in einer folgen Weife zu ihrer befonderen Domäne gemacht, daß fie fait ein halbes Jahr⸗ hundert hindurch auf diefem Gebiete eine unbeftrittene Führerftellung einnimmt.
Auch die Muntprat, die wir 1408 noch anſcheinend neben ihnen felbftänbig in Barcelona antrafen, haben ſich im Laufe der Beit an bie Humpißgeſellſchaft angeſchloſſen. Nicht minder war dies der Fall mit einer anderen Ravensburger und Konftanzer Familie, deren Name in kataloniſchen Akten öfter3 genannt wird, den Mötteli. Nach den Angaben eines oberſchwäbiſchen Chroniften hätten die Mötteli ſchon mit zu den Begründern der Ravensburger Handelsgeſellſchaft gehört. Urkundlich läßt fi) wenigftens für eine fpätere Zeit eine rege Teilnahme ber Familie am Handel der Magna societas Alamannorun nadhmeifen. Eines der Häupter ber Möttelifhen Familie, Hans Mötieli dat feine kanfmänniſche Lehrzeit während des erften Drittels des 15. Jahrhunderts im Dienfte der Geſellſchaft in Sübfranfreih und Spanien durchgemadt. Um das Jahr 1435 fol er dann ala Teilhaber derfelben mit einer Einlage von 16—18000 rheinifhen Gulden an den Geſchäften intereffiert geweſen
) Vergl. v. Heyd, Die große Ravensburger Geſellſchaft. Stuttgart 1890.
Das Zollbuch der Deutfchen in Barcelona (1425—1440) ꝛc. 11
fein. Zu derſelben Zeit war ein anderes Glied derſelben Familie, Claus Mötteli, mit 8—9000 Gulden beteiligt, und insgefamt foll wenige Jahre fpäter die Gejelichaft mit einem Kapitale von 300000 Gulden gearbeitet, und in einzelnen Jahren damit bis 100000 Gulden Gewinn erzielt haben).
Die führende Rolle, welche die Ravensburger Geſellſchaft im deutfch- tataloniſchen Handel um bie Witte des 15. Jahrhunderts innehatte, findet eine interefjante Betätigung in dem Schlußurteile eines offenbar Höchft umfänglihen und langwierigen Progefies, welches ih im Archivo General de la corona de Aragon aufgefunden habe‘).
Um die Mitte der vierziger Jahre war zwiſchen ben Ländern ber: Krone Aragon und dem benachbarten franzöfiihen Königreihe ein Zoll⸗ Trieg ausgebrochen, der dazu führte, daß, anfcheinend von beiden Seiten, der Handel von einem Lande zum anderen mit befonberen Bollrepreflalien befaftet wurde. Speziell wurde von feiten der Königin:Negentin Maria- von Aragonien für alle franzöfifchen Provenienzen, gleichviel ob dieſelben aus franzöfifchen Landen ſtammten, oder folde nur auf ihren Wege nad; Spanien pajfierten, ein befonberer Zoll (ins marcharum) von 5 diner vom Pfund barcelonefer Währung des Wertes angeordnet und, wie üblich, an gewiſſe Zolleinnehmer verpachtet.
Diefer Zol war von den jpanifchen Beamten auch von benjenigen: Waren beanſprucht und erhoben worden, welche bie oberdeutſchen Kauf: herren die Rhone herab über Arles und Port du Poac (Boch) zur See nad Barcelona brachten. Und zwar beriefen ſich die Zolleinnehmer darauf, daß die Daupbine, das einzige franzöfifche Gebiet, weldes die Waren berübrten, trog ihrer jelbftänbigen Stellung unter dem damals mit feinem Vater Karl VIL verfeindeten Danphin und nadmaligen König Ludwig XI. einen integrierenben Beſtandteil bes franzöfiichen Königreiches bilde. Diefen Anſpruch begründeten fie noch befonders mit einer Erklärung Karl VIL. vom 7. Dftober 1444, in welcher der König ausbrüdlih die Selbftänbigfeit der Dauphine beftritten hatte.
Es hat den Anſchein, ald ob zu jener Zeit der deutfche Handels: verkehr ausihließlih auf den Weg über die Rhonemündung angemiefen geweſen fei. Es wäre jonft menigftens kaum verfländlih, warum bie Deutihen, angeführt von den Vertretern der Humpißgeſellſchaft gegen diefe Beſtimmungen ben Prozeßweg beſchritten, und zu ihrer Rechtfertigung eine Fülle königlicher und delphinaler Erlaſſe ſich verfchafft hätten, die ihnen ohne Zweifel ein fehr beträchtliches Stück Geld gefoftet Haben müſſen.
) Durrer, R., Die Familie vom Rappenſlein genannt Möttell. Im Geſchichts-
freund vd. 48 ©. 81 fi. ®) Reg. 2352 fol, 168 jj.
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In ber Zwiſchenzeit mußten fie natürlich, wenn auch unter Proteft, von al ihren Waren den Zoll von 5/0 entrichten, oder wenigſtens für deffen Entrichtung pfandweiſe Sicherheit hinterlegen.
Wenn man die lange Lifte der Klagen und Gegenklagen, ber Replifen und Duplifen durchgeht, auf Grund deren in letzter Inftanz bie Königin= Regentin mit ihrem Hofgerihte am 28, Juli 1449 zu Perpignan ihr endgültige Urteil abgegeben hat, fo gewinnt man bie Überzeugung, daß der Prozeß ein äußerft langmwieriger, der Kampf um das Recht, ſowohl von feiten ber Bollpächter als auch von feiten der betroffenen Handels» herren, ein äußerft erbitterter geweſen fein muß.
Von feiten des deutſchen Kaufmannes if er aber offenbar mit außerorbentliher Geſchidlichkeit geführt worden. Es war ein überaus gewandter Schachzug, daß es ihnen gelang, die Fatalonifhe Kaufmannſchaft bazu zu vermögen, ſich ihrer Klage gegen die Zollpächter anzufchließen. Sicher ift diefer Anfhluß ein reiner Liebesdienft geweſen, denn weber im Laufe des Prozeſſes noch bei Verfündung bes Urteils if der fata= Tonifche Teil der Kläger vertreten. Für die Königin und ihren Rat konnte e8 aber nicht bedeutungslos fein, daß ſich der verfochtene Anſpruch jo nicht nur als ein folder der Landfremden, fondern auch ale ein Intereſſe ihrer eigenen Unterthanen barftellte,
Nicht minder geſchictt gingen die beutfchen Kläger in Frankreich vor. Es wird ihnen allerdings wohl nicht allzu ſchwer geworben fein, bie Unterftügung bes Dauphins für ihre Anfprüde zu gewinnen, da ſich bie= ſelben zu fehr mit deſſen augenblidlihen Interefien dedten. Es wimmelt denn aud in ber Aufzählung ber Prozeßalten von Erklärungen über bie Selbftändigfeit der Dauphins, die vor allem damit begründet wirb, daß nad dem Teftamente bes legten Dauphins fein Land nur dann ein Bes ſtandteil der Krone Frankreich werben folle, wenn dieſe mit der römifchen Kaiſerkrone vereint fei, und damit, daß die Dauphine all ihre Rechts: angelegenheiten bis zur legten Inſtanz felbftändig zu entſcheiden befugt fei, ohne daß eine Appelation an den höchſten franzöſiſchen Gerichtshof ſtatthaben dürfe. Sole Erklärungen gaben ab am 27. September 1446 Guillermus Teyrene, Licentiat der Rechte und iudex curie zu Romans, am 28. desfelben Monats Geraldus Cabassus, Doftor der Rechte und Oberrichter der Graffchaft Valentinois, und am 7. Januar 1448 Radulfus dominns de Cangonnet, Gouverneur ber Dauphine. Der Dauphin felbft hatte, ficher ſchon im Intereſſe feiner eigenen Unterthanen wiederholt, und zulegt aus Montilly unter dem 12. Juni 1447 an die Königin— Negentin gefchrieben, um die Abftelung der Zollbeläftigungen für die Provenienzen feines Herzogtumes zu verlangen. Er ließ erneut durch
Das Zollbuch ber Deutſchen in Barcelona (1425—1440) xc. 13
feinen Sekretär Petrus Georgii unter dem 12. Ditober 1447 Protefh erheben und erflärte durch Erlaß von Valence den 3. Juli 1448, dab bie Befeitigung der Zollſchranke rüdwirkende Kraft auch in feinem Lande haben fole, wo man endlich anſcheinend aud zu Zollrepreſſalien feine Zuflucht genommen hatte. Das wichtigſte Rechtsmittel zu Gunften ber Deutſchen bildete aber doch wohl die Erklärung König Karls VII. von Frankreich vom 9. Auguft 1447, worin biefer felbft feinen Anfpruh am die Daupbins vom 7. Dftober 1444 zurüdzieht und deren Unabhängigs keit anerkennt.
Ein Erfolg ber Deutfchen war es wohl aud, daß die Königin im Berlaufe des Prozeſſes die Rechtſprechung den ordentlichen Gerichten ent 30g und bie Sache vor ihr Hofgericht berief. Wie dort der Ausgang fallen würde, ſcheint von feiten ber Kläger wie ber Bellagten voraus- gefehen worben zu fein. Auf dem für die Veröffentlichung bes Schluß⸗ urteils anberaumten Termine, ber auf den 28. Juli 1449 nad) Perpignau ausgeſchrieben worden mar, war von feiten der Zollpächter niemand erfchienen. Dagegen waren bie Kläger vertreten durch Frederico Ompis mercatore alamanno factore et negotiorum gesfore ac Armando Nigro procuratore dictae societatis de Jouahompis, Teutonicornn ac alioram mercatorum Catbalanorum. Das Urteil ſprach denn auch die über die Dauphine handelnden Deutſchen frei von dem Zolle des ius marcharum und ordnete die Rüdgabe und den Erfag aller von ihnen zu Unrecht er⸗ Hobenen Abgaben an.
Perpignan muß um jene Zeit ein nicht unwichtiger Pla für dem deutſch⸗kataloniſchen Handel geweſen fein. Daß es längere Zeit bie Nefidenz des aragoniſchen Hofes wurde, weil die Königin-Regentin das Bebürfnis empfand, in ben diplomatifchen Verwidelungen ben benachbarten. Höfen näher zu fein, als in Saragofja ober Lerida, ift hinlänglich bekannt. Allein auch ale Handelsftabt fcheint es vorübergehend eine Rolle gefpielt zu haben. Dafür fpriht jene galera de Perpinan, bie wir oben zu erwähnen Gelegenheit hatten; das beftätigt eine intereffante andere Notiz aus dem Archive der Stadt Breslau.
Am Dienstag nach Trinitatis (21. Mai) des Jahres 1448 erſchien vor dem Rate zu Breslau Meifter Hannus Tyle von ber Frauenftabt (Frauftadt) und erklärte, von ben ehrbaren Leonhard Reuthemer und feiner Gefelfhaft und von Hannus Garthener und feiner Gefellihaft 120 reſp. 149 ungarifhe Gulden erhalten zu haben, und zwar als Zahlung einer gewiffen Summe, die er zu Perpignan auf Wechſel bei ben ehrbaren Joſt Ital Humpiß von Ravensburg und ihrer Geſellſchaft eingezahlt
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Hatte). Diefe Notiz ift nad vielen Richtungen Hin außerordentlich interefjant. Zunãchſt bekundet fie, daß Hannus Tyle von Frauftabt felbft in Perpignan gemefen ift, und da er Anlaß nahm, eine beträdhtlihe Summe von dort herauszuverwechſeln, jo hat er wohl unzweifelhaft dorthin oder ‚darüber hinaus Waren verhandelt, die nad) unferer Kenntnis der Ver: bältniffe faum in etwas anderem beftanden haben werben als in Leinwand, die ja in Schlefien über den eigenen Bedarf hinaus fabriziert wurbe, in Spanien aber zu den beſonders begehrten Importartifeln gehörte. Die Stelle dürfte das ältefte Zeugnis für den Verſand von ſchleſiſchen Leinen nad der iberiſchen Halbinfel fein.
Weiter aber if die Notiz in hohem Grade bezeichnend für bie Be— deutung der Ravensburger Handelsgeſellſchaft. Man fühlt fi) beinahe erinnert an die Stellung, welche nachmals die Fugger im deutſch-ſpaniſchen Handelsverkehre eingenommen haben, wenn man fieht, wie die Kaufleute aus allen Gauen des deutſchen Reiches die Vermittlung der Humpiß- geſellſchaft in Anſpruch nehmen, fobald e3 gilt, Beziehungen zu ſpaniſchen Märkten nugbar zu machen. Offenbar hat Hannus Tyle den Geminn feiner Gefchäftsreife weder in barem Gelde nod in kataloniſchen Waren ‚ausführen wollen, und es dabei gleichzeitig bequem und gewinnbringend gefunden, das Geld, wie in einer Bank?), bei den Humpiß zu deponieren, und in feiner Heimat von dortigen Gejchäftsverwandten der Ravensburger Geſellſchaft wieder in Empfang zu nehmen. Das Dokument bezeugt alfo auch, daß die Beziehungen der Humpiß von Barcelona im Weften bis nad Breslau im Dften binaufreichten.
Einige Jahre fpäter vollzog fi infofern eine Anderung in dem Handel der Deutſchen nach Katalonien, als ein Teil der Mötteli aus der magna societas außtrat, aber nicht etwa, um ſich von dem ſpaniſchen Handel zurüdzuziehen, ſondern um denfelben mit einer eigenen Geſellſchaft im Wettbewerb mit den alten Partnern zu betreiben. Vermutlich haben die hohen Gewinne, welche die Gefelfchaft erzielte, den Anreiz zu dieſem Vorgange gegeben. Wenigſtens finden wir, daß nit nur bie neue Ger ſellſchaft der Mötteli, fondern auch diejenige der Humpiß um die gleiche Zeit ihre Gefchäfte weiter ausdehnt.
Die Bewegung, welche der kataloniſchen Hauptſtadt in dem ſüdlicher gelegenen Valencia eine Rivalin auf dem Gebiete des auswärtigen Handels entftehen ließ, fegt fon in ben legten Jahren des Libre del dret ein.
*) Stabtargjio Breslau, Signaturbud 1448 fol. 83 (Hs. G. 5 8b. 37). Ich verbanfe bie freundliche Mitteilung des Dofumentes Herrn Dir. Prof. Dr. Markgraf. %) Bantgeſchaft der Humpiß, wenn auch aus fpäterer Zeit, fiehe bei v. Heyb 1. c.
26.
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Anders vermag id) es wenigftens nicht zu erflären, wenn Raufherren, wie Juan de Colonia es lohnend fanden, unter Entriätung des Ausfuhrzolles Waren, die nicht kataloniſchen Urfprunges zu fein feinen, von Barcelona nad Valencia zu verfrachten. Für das legte Drittel bes 15. Jahrhunderts wird der Aufſchwung Valencias ſelbſt von zeitgenöffiihen Schrififtelern ugeftanden, und ala Hieronymus Münzer von Nürnberg i. J. 1495 nah Balencia kommt, berichtet er wörtlih: „or 50 Jahren war noch Barce⸗ lona der Hauptort für den Handel und die Kaufmannſchaft von ganz Spanien, in der Weife wie e3 Nürnberg für den Handel von Ober: deutſchland ift. Aber wegen der politifchen Unruhen und Aufftände hat fi) der Kaufmann nach Valencia zurüdgezogen, das heutzutage die Haupt: ſtadt des Handels if.” Diefem Zuge haben fi beſonders aud bie deutſchen Kaufleute angeſchloſſen. Wir fünnen das Jahr nicht feftitellen, warn Jobſt Köhler (Jodocus Koler) als Faktor der Humpißgeſellſchaft fi in Valencia niedergelaffen hat. Es dürfte dies aber faum lange Zeit nad) dem Ende de3 Libre del dret erfolgt fein. Und zwar aus folgenden Gründen: Es wird berichtet, daß Köhler, welcher supremus familiaris d. 5. erfter Faktor der Humpißgeſellſchaft geweſen war, bei feinem Tode ein Franzisfanerliofter in der Nähe ber Stadt geftiftet habe‘). Eiue ſolche Stiftung wäre jedenfalls etwas fehr Eigentümliches, wenn ihr nicht ein ziemlich langjähriger Aufenthalt am Orte berfelben vorausgegangen wäre. Nun ift aber das Kloſter nachweislich i. J. 1459 errichtet worben?), und id} glaube deshalb mit der Annahme nicht fehlzugehen, daß Köhler ſchon eine längere Reihe von Jahren vor dieſem Termine nad Valencia gekommen if.
Sicher begegnen wir den Humpiß in Balencia i. 3. 1466. Auch dies ergiebt fi aus einer Fürfprade, und zwar hat diefelbe der Rat von Konftanz bei den Machthabern von Katalonien aus dem folgenden Anlaffe eingelegt’). Die Kaufherren Hans Blarer, Konrad Muntpratt d. A., Ludwig Muntpratt, Hartmann Hyrus und Andreas Sattler, ſämtlich Glieder der Gefelichaft des Friebrih Humpiß hatten von Konſtanz aus 8 Ballen Waren an den Faktor der „gemainen Gefellihaft“ abgehen laſſen, um diefelben auf einem offenbar vielfad in biefer Weife benügten Wege nach Valencia gelangen zu laffen. Der Mailänder Faktor hatte auf Rechnung der Geſellſchaft noch weitere 30 Ballen in gleicher Weile inftradiert und die ganze Sendung an Luigi Centurione in Genua ab:
*) Kunfimann, Münzer. In: Abhandlungen b. f. Bayer. Atad. — Hiſt. Ki. &.7 ©. 297.
2) Waddingius, Aunales minorum ®b. 13 ©. 140.
®) d. Heyd, Ravensburger Gefellihaft S. 345 und Urt, III.
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gehen laſſen, der ala „Reſpondent“ der Gejelihaft für eine geeignete Schiffsgelegenheit nach Valencia zu forgen hatte. Centurione hatte alle 38 Ballen auf dem Schiffe des Bartolomeo Tagliani untergebracht ; allein dieſes Schiff wurde aus unbefannten Urſachen von Barcelonefer Galeeren aufgebradt und nad Barcelona geſchleppt. Auch in dieſer Stabt Hatte zurzeit die Gefellihaft ihre Vertreter in der Perfon bes Paulin Spid und des Philipp Wißland, und die Verwendung bes Konftanzer Rates geht dahin, daß die unter einem falſchen Vorwande gefaperten Handelsartikel doch an bie Faftoren ausgeantwortet werben mödten.
Herr v. Heyd hat die Vermutung aufgeftellt, daß wir es hier nicht mit Geſchäften ber Magna Societas felbft zu thun haben, fondern daß fi aus deren Mitte eine Filialgefelfchaft unter ber Leitung des Friedrich ‚Humpiß gebildet Haben möchte, die ben Handel mit Valencia auf beſonderes Konto betrieben habe. Ich glaube, daß es dieſer Annahme nicht bedarf, um das Dokument zu erklären. Wir haben gefchen, daß Friedrich Humpiß bereit3 im Jahre 1449 als einer der Xeiter der Magna Societas felbft in dem Dauphine-Prozeß genannt wird. Wir haben weiter als höchſt wahrſcheinlich nachgewieſen, daß ſich Jobft Köhler bereits vor d. 3. 1459 als Faktor der gemeinen Humpißgeſellſchaft in Valencia befunden habe. Und das Dokument felbft läßt bie 30 Ballen, die von Mailand aus mitgingen, „in gemainer Geſellſchaft Namen“ erpediert werben, und nennt Spid und Wißland als Faktoren eben diefer Geſellſchaft in Barcelona, wie jenen anderen ungenannten Faktor in Mailand. Die Anführung ber ein= zelnen Teilhaber und ihre Bezeichnung ala Glieder der Gejellihaft des Friedrich Humpiß ift allerdings ungemöhnlid. Begründet ift dieſelbe aber eher darin, daß an dem Geſchäfte etwas nicht ganz in Ordnung gewejen war. Das nämlich geht aus der Urkunde unzweifelhaft hervor, und zwar ſcheint es als ob die Waren unter falſcher Flagge gefegelt feien.
Daß hier für den Verkehr mit Barcelona wieder der Weg über Genua benügt wird, ift die Folge einer veränderten politiihen Lage. Genua hatte inzwiſchen auf feine politiſche Selbftändigfeit teilmeife ver— zichtet und fi unter den Schuß Francesco Sforzas begeben, mit dem die Konftanzer jegt ebenfo eng befreundet waren, al3 vorbem mit bem Herzog von Savoyen. Es iſt deshalb ſehr begreiflih, daß fie nunmehr ihren Weg wieder über Genua nahmen, mit welcher Stabt in demſelben Jahre 1466 ein neuer, für bie Deutfchen ſehr günftiger Handelsvertrag zu ftande fam').
0. Hyd l.c. S. 24/5 und Urt. IV.
Das Zollbuch ber Deutſchen in Barcelona (1425—1440) ıc. 17
Auch die Mötteli fcheinen fofort, als fie fih um das Jahr 1453 von der Humpißgeſellſchaft losſagten, eine Faktorei in Valencia errichtet zu haben. Wir lernen dort als ihren Vertreter einen Kunrat Viſſach und einen Ulrich Lemann fennen. Gleichzeitig aber dehnten fie ihre Ge— ſchäfte einerfeit3 nad Saragofja, andrerfeits ſelbſt bis nad dem damals noch maurifhen Granada aus. Die gleichzeitige Erwähnung einer Etappe ihres Handels in Avignon läßt darauf fließen, daß auch ihr Handel fi) rhoneabwärts und dann zur See über das Mittelmeer bewegte.
Was wir von dem Handel der Mötteli in Spanien wiſſen, beruht hauptſãchlich auf einem Prozeſſe, welcher i. 3. 1469 zwiſchen verfchiedenen Gliedern der Familie zum Austrag gefommen iſt). Als Leiter des Möttelihandels erfheinen darin Rudolf und Liutfried Mötteli, welche die drei Söhne ihres verftorbenen Bruders Hans, mit Namen Georg, Rudolf und Hans in ihre Dienfte genommen und die letzteren beiden in ihrem fpanifhen Handel, befonders in Saragofja und Valencia, ver: menbet haben. Der Zeitpunkt lag bei Ausbruch der Streitigfeiten etwa 5—6 Jahre zurüd, fo daß wir die im Prozeß enthaltenen Nachrichten etwa auf ben Anfang der fechziger Jahre zu beziehen haben. Das Auf: treten ber jungen Leute, wie es und in ben Aften entgegentritt, macht den Eindrud, ald wenn das Gefhäft damals ſehr bedeutend gemefen fein müffe. Die jungen Mötteli haben ihren eigenen Diener zu ihren Reifen mit und treten an ben Plägen der Faktoreien durchaus als eble Patrizier auf. Ihre Gefamtihuld wird denn aud, vielleicht etwas body, auf 1174 rhein. Gulden berechnet, eine Summe, die fi durchaus aus außer geſchäftlichen Poften zufammenfegt.
Daß der Möttelihandel damals und nod einige Jahre fpäter nicht unbedeutend geweſen ift, geht auch aus anderen Duellen hervor, von denen demnãchſt die Rebe fein fol. Zuvor aber müflen wir uns noch ein⸗ mal den Schidjalen der Humpißgeſellſchaft zuwenden. Im legten Drittel des 15. Jahrhunderts ſcheint zu den Plägen, welche die Magna societas zur Ausübung ihre Handels benügte, noch ein weiterer hinzugekommen zu fein. Um das Jahr 1470 — daS genaue Datum läßt fi nicht feft« ſtellen — war ein von dem florentiner Guadagno Ventura geführtes Schiff in den liguriſchen Gemäflern von Benedetto Doria und Giuliano Corso aufgebraht und mitfamt feiner Ladung in ben Hafen von Savona gefchleppt worden?). Auf biefem Schiffe hatten fih auch Waren ber Ravensburger Gefelfhaft befunden. Der Gefhäftsführer derjelben in Tortofa hatte dort einen Poften von Wolle, Lammfellen und Datteln
3) Durrer 1. e. in: Gefgichtsfreund Bd. 49 ©. 22 ff.
2) v. Heyd J. c. ©. 88 If. V. Wörtt. Bierteljahesh. f. Sanbesgeig. R.F. ZI. 2
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auf das Schiff verlaben, um benfelben nach Nizza oder Villafranca bringen zu laſſen. Es muß ſich wohl um eine größere Sendung gehandelt haben, denn es wird angegeben, daß ſich bei dem Transporte ein deutſcher Diener der Gejelicaft befunden habe, der mit dem Schiffe in bie Gewalt bes Doria und Corso gefallen war. Um diefe Waren zurüdzuerlangen hatte Heinrih Fry (Franchus) zunädft private Unterhandlungen mit Benedetto Doria angefnüpft, als diefe aber nicht zum Ziele führten, hat er fi mit dem Empfehlungsfcreiben einer deutſchen Stadt — vermutlich iſt es Luzern oder Bern geweſen — an den Rat von Genua gewendet. Nur jenes Empfehlungsfchreiben hat uns die Runde von diefem Vorgange übermittelt, und wir bürfen wohl annehmen, daß e3 von Erfolg gekrönt war. Intereſſant aber ift es, daß mir hier wieder einmal bie Spur eines Verkehrs über die ſavoyiſchen Häfen antreffen und daß die Handels: artitel — Lammfelle und Datteln — zumeift wieder folde find, die wir aus den Zollbuche kennen. Neu ift die Benützung von Tortofa ale Einfhiffungsplag, aber auch diefe werden wir noch an einer anderen Stelle beitätigt finden.
Ich habe ſchon oben darauf hingewieſen, daß fich in der im Archivo del Real Patrimonio aufbewahrten Abſchrift des Libre del dret bes Raphael Ferrer ein Anhang von Originaleinträgen befindet, bie ben Jahren 1472 und 1473 entftammen. Sie werben eingeleitet dur bie Überjrift: Reebudes fetes per En Johan Sallent collector del dret dels alamanys appellat dret regal del primer dia de janer del any 1472 fins per tot lo mes de deembre apres seguent en lo qual temps se enclon un any complit en lo qual any lo senyor Rey tench la eiutat asitiada axi per mar com per terra,
In der Thatfache, daß i. 3. 1472 in der Perſon des Joban Sallent ein Schagmeifter bes Zolls der Deutfchen eriftierte, darf man wohl der Hinweis erbliden, daß im weſentlichen die dur‘ das Privileg von 1420 für den deutfhen Handel geſchaffenen Verhältniffe i. 3. 1472 noch fortz beftanden. Möglicherweife ift das dret regal der vier Diner vom Pfund in der Zwifchenzeit in Barcelona von den Beamten des Zollamtes (General) miterhoben worden; vieleicht auch waren nur die Bücher und Kaffen bes Schatzmeiſters des dret regal in Barcelona zurüdgeblieben, als die Ab: fperrung der Stadt auch von der Geefeite ihm nötigte, den Schauplag feiner Thätigfeit aus der Stadt heraus zu verlegen. Eine nähere Er: Märung diefer Verhältniffe wäre, wenn überhaupt, wohl nur durch um: fänglihe Nachforſchungen in den verichiedenen Archiven von Barcelona zu erlangen. Vorläufig lehrt uns die Erültenz biefer Eintragungen nur das eine, daß felbft während der Velagerung von Barcelona der Handel
Das Zolbud ber Deutfhen In Barcelona (14251440) ıc. 419
der Deutſchen mit Katalonien nicht abgebrodhen wurde; ja daß er felbft an Ort und Stelle noch in der vertragsmäßig geregelten Weife zugelaffen, wenn auch nicht in die belagerte Stadt hineingelaſſen wurde.
Es handelt ſich allerdings in dem ganzen Jahre 1472 eigentlich nur um eine einzige Gefchäftsreife. Der deutſche Kaufmann Johan Stroh: jad war am 8. Januar auf dem Schiffe des En Patanti vor Barcelona angefommen unb beflarierte vor der Zollbehörbe 3 MWarenballen, in denen fih 377 Taufend von Stednadeln aller Art, 15 E Schweinsborften, 4 Dutzend doppelte Mützen (bonets dobles) und 84 Tugend böhmiſche Mefier befanden. Der Wert der Waren wird nad scudo und Grofchen berecinet; da aber der scudo beim barceloniſchen Pfund gleichwertig ift, war die Umrechnung nicht ſchwierig. Der Gefamtbetrag belief fih auf 69 Z 410 &, wovon 23 6 2 diners Zoll entrichtet werben.
Erft am 16. November verläßt Johann Strohfad das Land wieder mit der Bark (balaner) des Berthomen Gras. Hauptſächlich führt er Korallen mit fi, nämlich 276 W 1 onza im Werte von 715 0 12 6 10.4, außerdem 96 F Baummolle, 1000 vergoldete Gagatperlcn und 1 Marder: fel, wofür er insgefamt 12 E 6 % 7 8 Zoll bezahlt hat.
Bereits am 21. Januar 1473 finden wir Strohfad zum zweiten mal am Plage. Er empfängt von ber Bark (balaner) von Forbi (?) aberınald A Ballen mit 47 Dugend Nadeln (im Wert von 40'/2 sendo), 4 Tugend Mützen und 200 Diners in barem Gelde, 17'/; Stück hol: ländifche Leinwand, 21 Dugend andere Müten (dobles e senas) und anderes.
Der Wert der einzelnen Waren ift wieder nach seudos, Groſchen und Pfund Groſchen angegeben; der scudo wird diesmal mit 22 E, das Pfund Groſchen zu 4 E 8 & berechnet und ber Geſamtwert beträgt in Parcelonefer Währung 252 B 16 6 4.
Dffenbar Hielt Johann Strohjad fih dauernd in oder bei Barcelona auf, denn bereit? am 28. Mai trifft eine neue umfängliche Warenfendung für ihn ein mit einer Galeafje von Florenz. Sie befteht auch dieſes Deal in Nadlerwaren, Mefjern, Leinwand, Barchent und Mützen und tepräjentiert einen Gefamtwert von 319 & — B, 64. Jedenfalls ift Stroh⸗ fad der in Barcelona ftationierte Faktor einer deutſchen Handelsgeſellſchaft, denn e3 ift faum anzunehmen, daß und ber Name eines Kaufherren, der fo beträchtliche Geſchäfte nah Spanien gemacht hat, an feiner anderen Stelle wieder begegnen follte. Sicher iſt diefe Geſellſchaſt aber diejenige der Humpiß nicht gemefen.
Der einzige von den Namen, welche uns aus bem Libre del dret von 1425—40 geläufig find, der auch in den Aufzeichnungen bes Jahres
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41473 wieberfehrt, ift derjenige der Humpiß. Am 6. Mai treffen auf ihre Rechnung 8 Ballen Leinwand ein, die mit einem Werte von 338 7 256 8 zur Berfteuerung angeftellt werden. Bereits am 29. Mai folgt, vermutlich mit derfelben Florentiner Galcaffe, die dem Joh. Stroh⸗ fa diente, eine zweite annähernd gleichwertige Sendung unter der Adreſſe der gran companya de ompis. Auch fie beftand durchaus aus Geweben, aber neben ber ungebleichten deutſchen Leinwand erſcheinen auch andere, aus dem alten Zollbuch befannte Sorten, wie burch, bordat, ramillo, dazu noch masto und Hanftuch; alles zufammen 398 8 4 B wert.
Die Florentiner Galeafje benügen die Humpiß am 19. Juni zu einer bedeutenden Ausfuhrfendung. Ihr Geſamtwert beläuft ih auf nicht weniger als 745 3 5 ß, und fie fegt fi zufammen hauptſächlich aus Korallen, Baummolle und drei weißen flassades.
Weitere Sendungen ber Humpißgeſellſchaft werben verzeichnet unter dem 27. Juni und dem 9. Auguft. Sie find allerdings nur von fleinerem Umfange (180 & 18 P und 185 8 13 634 9). Die erftere ift aber dadurch intereffant, daß fie eingeführt wurde von ber vorermwähnten Galeaffe von Florenz, als dieſe auf dem Rückwege von Valencia den Hafen von Barcelona wieder anlief. Da bie Sendung in deutſcher Lein: wand beftand, fo fann fie wohl nur aus ben in Valencia für die Gefell: ſchaft aufgeftapelten Beftänden herrühren. Ihr Wert wird übrigens zu: nächſt in rheiniſchen Gulden gebucht, deren Kurs mit 12 86 — um: gerechnet wird.
Am 9. Auguft führt die Humpißgefellihaft auf einem biskayifchen Schiffe aus und zwar hauptfählih Korallen — das obligate Hadergeld, eoto per stiba, fehlt auch hier nicht — und einen Meineren Poften von Baummolle (coto blau).
Johann Strohſack wird daneben i. 3. 1473 noch weitere breimal erwähnt; zweimal, am 24. Juni und am 9. Oftober ala Erporteur, während er am 2. Auguft noch einen Poften Waren empfängt. Die Sendung vom 24. Juni befteht, wie die am 19. von den Humpiß erpebierte, aus Baumwolle und Korallen, im Werte von 219 & 10 8 und geht, wie jene, mit der Florentiner Galeaffe ab. Der unter dem 9. Dftober gebuchte Poften im Werte von 448 3 5 P 10 A beſteht ausfchliehlich in Korallen und nimmt feinen Weg über Land. Auch darin aljo beftehen die aus den Buchungen von 1425—40 befannten Verhältnifje fort.
Das Zollregifter von 1473 erwähnt noch zwei Namen beutiher Kaufleute, die zwar im alten Libre del dret nicht vorkommen, die ung aber fonft aus der beutfchen Handelögefdichte ganz vertraut find. Am 31. Mai verzollt ein Hallar aleman von der mehrerwähnten Florentiner
Tas Zollbuch der Deutſchen in Barcelona (1425—1440) xc. 21
Galeafje 18 Fäſſer mit Eiſen und Kurzwaren (canquilaria e merceria), die einen Wert von 160 F barcelonifhe Währung darſtellen; und am 23. November werden 2 Kiften pinyons verzeichnet, die ein Enrich Alle ausführt bei Gelegenheit des Aufenthaltes eines anderen Florentiner Fahr: zeuges in Barcelona. Ich glaube mit der Annahme nicht fehlzugehen, daß es ſich bei diefen beiden Buchungen um eine einzige Perfon handelt, die den Namen Heinrich Haller trug und an Bord bes Florentiner Schiffes eine geſchäftliche Rundfahrt unternahm, bie fi bis nah Valencia er: itredt hat.
Mit demſelben Schiff, welches Haller zur Rückfracht benütte, führt ein Walther Anger, unzweifelhaft ein Chinger von Konftanz, eine bebeus tende Warenfendung ein. Sie beftand in 9 Ballen und enthielt:
4102 Stüd deutſche Leinwand,
75 Stüd bunte Leinenftoffe zu gipons,
48 Stüd Hennegauer Leinen (? aynots-Hainauts?),
40 halbe Stüde holändifhe Leinwand,
verfchiedene Poften von Pelzwaren, barunter auch Hermelinfelle und endlih ein Faß mit Meifingbraht.
Mit dem gleichen Schiff ließ Walther Ehinger 70 F Korallen nad) Deutſchland abgehen; es müſſen aber fehr minderwertige Sorten geweſen fein, denn ihr Wert wird nur mit 22 angegeben. Alles das gelangte an einem Tage zur zollamtlichen Abfertigung und entrichtete von einem Gefamtwerte von 1250 F 10 6 eine Steuer von 20 FJ 12 £ 10 4. Der Eintrag ift um deswillen befonders intereffant, weil er ung bie Ehinger fhon 1473 mit bebeutenden Kapitalien in Spanien engagiert zeigt, während wir bisher erft aus den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts von ihren ſpaniſchen Geſchäften mußten.
Die Zollnotizen von 1472/73 ergeben alſo das folgende Refultat: die Handelsgemeinfchaft der Deutſchen und Savoyer hat ein Ende gefunden; das Privileg wird nur noch als dret dels Alamanys bezeichnet, und es find nur Deutſche, die ſich basfelbe zu nuge machen. Won den Gefell- ſchaften, die wir aus dem alten Zolbude kennen, ift nur noch diejenige der Humpiß am Plage. Ihre Bezeichnung als Magna societas Alaman- norum fpiegelt fi) wieder in ber gran companya de ompis; aber auch die Bezeihnung Jousompis lebt daneben noch fort. Ihre Gefchäfte find noch immer von beträdtlihem Umfange. Sie werben vielleiht an Zahl, niet aber an Wert der Eintragungen, nur noch von einer anderen Firma erreicht, erftreden fi aber zurzeit auch auf andere Pläge, vor allem Valencia.
Neben der Ravensburger Geſellſchaft wird während der ganzen Zeit
2 Häbfer
beftändig der Name des Johann Strohfad genannt; er vertreibt dieſelben Waren wie jene, und fegt beträchtliche, wenn auch nicht vollkommen eben- bürtige Duantitäten davon ab. Als Vermutung möchte ich es Binftellen, daß wir es in feiner Perfon mit einem Agenten ber Mötteli zu thun haben, deren Handel nachweislich um jene Zeit noch fortbeftand.
Daneben machen ſich ein paar neue Elemente geltend. Die Ehinger, deren bebeutender Handel leider noch feine monographifhe Behandlung gefunden bat, treten uns mit einem Geſchäfte entgegen, das, als einzelner Poſten, alle anderen übertrifft.
Auch die Haller von Nürnberg find zurzeit in Barcelona vertreten.
Das Merkwürdigfte ift aber der Umftand, daß diefer Handel ftatt hatte troß des Bürgerkrieges, der in Katalonien mwütete, und trogdem, daß der Zugang zu ber Stabt Barcelona, wenigſtens im erften Jahre, durch das königliche Belagerungsheer verlegt war. Wir dürfen darin ein fiheres Zeichen dafür erbliden, daß ber Handelsverkehr ein feftein- gemwurzelter war und daß die beträchtlichen darin angelegten Werte feine Fortfegung auch unter fo ungünftigen Umſtänden als geraten er ſcheinen ließen.
Die nächſten Nachrichten, die wir von dem Kandel ber Humpiß nah Spanien in ben Urkunden antreffen, ſcheinen aber allerdings darauf binzumeifen, daß die kataloniſchen Unruhen doch nicht ohne Einfluß geblieben find auf die Wege, in melde die Gefelichaft ihren Handel leitete. Im Jahre 1474 hören wir von zwei Fällen der Störung ihres Handels, die beide die Benügung wenig üblicher Wege verraten. Dies gilt ganz befonbers für den zuerft zu erwähnenden Fall. Am 10. November 1474 verwendet fih der Rat von Bern aus dem Grunde für die Humpißgefell- ſchaft bei Ludwig XI. von Frankreich, weil derſelben leinene und andere Tuche, die fie über See nad) Fuenterabia hatten bringen laffen, um fie von da über Bristhgadia (2) flußaufwärt3 gegen die Pyrenäenpäffe und über diefe nach Saragofja zu führen, in dem Augenblide konfisziert worden waren, mo fie diefelben Y/s Meile von Sanpera (2) auf Barfen zu vers laden im Begriffe waren. Und zwar war ber Angreifer fein beliebiger Räuber, fondern ber föniglihe Kommandant bes Schloffes von Sanpera ſelbſt gemwefen'). Es handelt fih hier alſo offenbar um Waren, die von Flandern aus zur See bis in den äußerften Winkel des Meerbufens von Biskaya befördert worden waren und von da, unter Vermeidung Taftilia= nifchen Gebietes, fo weit an der Norbfeite der Pyrenäen binbefördert werben follten, bis man bie Päffe erreichte, welche direkt in aragonifches Gebiet und zu den Straßen nad Saragoffa führten.
1) Comines ed. Lenglet Dufresnois ®. III. &. 340.
Das Zollbuch ber Deutſchen in Barcelona (1425—1440) xc. 3
Noch ehe diefe Beſchwerde ihre Erledigung finden konnte, traf die Geſellſchaft ein neues Mißgeſchick durch einen zweiten Angriff von Unter: thanen bes franzöſiſchen Königs. Im Herbft 1474 waren zwei neapolis tanifche Galeaffen, die fih auf der Rüdfahrt von Flandern und Bretagne nad) ihrem Heimathafen befanden, auf ber Höhe der Laftilifchen Hafenftabt Vivero von bem berüchtigten franzöfifchen Piraten Jacques Coullon ge: nennt Colombo aufgebracht und beraubt worden. Auf biefen Schiffen, bie jedenfalls bazu beftimmt waren, einen nach dem anderen bie fpanifchen Küftenpläge auf ihrem Wege anzulaufen, hatten jomohl die Humpiß als die Mötteli Waren in beträchtlichen Werte verfrachtet, die mit den übrigen Gütern von den Räubern mweggenommen worben waren. Beibe Gejell- faften riefen auf Grund deſſen die Vermittlung der Stabt Bern und des oberbeutfchen Stäbtebundes an und begehrten von König Ludwig XI. als dem Souverän bes Jacques Coullon den Erſatz ihres Schadens, ben die Humpiß auf 2378 Ecus, bie Mötteli auf 1006 éens bemefjen. Erftere werden in den franzöſiſchen Urkunden als Jossempis et compagnie de la ville de Ravesport, letztere als Joffroy Mathelin et compagnie de la ville de Saint Gille, aljo St. Gallen, bezeichnet. Wenn fih auch nit mit voller Beftimmtheit nachweiſen läßt, daß die auf ben neapolis tanifhen Galeaffen verladenen Waren für Spanien beſtimmt waren, fo etſcheint mir dies doch aus mehrfachen Gründen als das nächftliegenbe. Aus dem Zollbuche von 1425—40 erfahen wir, daß felbft Waren, bie für das weit nördlich gelegene Barcelona beftimmt waren, gelegentlich ihren Weg über Flandern und den Ozean nahmen. Die Benügung biefes Weges können wir den Humpiß ſchon um 1440 nachweiſen. Mit Sicher: beit it aber anzunehmen, daß die neapolitanifchen Galeafjen minbeftens den Hafen von Valencia angelaufen haben werden, wenn fie dur bie Straße von Gibraltar ihrer Heimat zuftrebten. In Valencia aber bes fanden ſich zu jener Zeit nachweislich die hauptſächlichſten Faktoreien ſowohl der Humpiß als der Mötteli, während wir feinerlei verbürgte Rahrichten darüber befigen, daß diefe Geſellſchaften, ſei es in Neapel, fi es in einem anderen an der Fahrſtraße der Galeafjen von Flandern bis in ihre Heimat gelegenen Hafen, beide dauernde Faufmännifche Nieder loffungen beſeſſen hätten. Es ſcheint mir fomit zum minbeften als außer: ordentlich wahrſcheinlich, daß wir aud in biefen Urkunden Beweiſe für den Fortbeftand bes oberdeutſchen Handels nach ber jpanifchen Oftfüfte erbliden dürfen’).
') Ich habe mir, um bie von Hrn. v. Hepbl. c. ©. 27—29 geäußerten Zweifel
iu loſen, aus Paris das Mscpt. frangais no. 3882 ber Parifer Nationalbikliothet temmen laffen, welches eine Tange Reihe von Urkunden über die Affaire ber galcasses
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Ich werde in diefer Annahme dadurch beftärkt, weil wir genaı derfelben Zeit die Anmefenheit eines Faktors ber Ravensburger Ge ſchaft in Valencia auch aus anderen Duellen nachweiſen können. 7 Verdienſt, die Kunft des Buchdrucks in Spanien, und zwar zuerft Valencia eingeführt zu haben, gebührt befanntlid einem beutihen Ka berren, einem Wyßland (Vizlant) aus Isny in Schwaben. Bis r kurzem ließ fi biefer Ehrentitel für den deutſchen Unternehmungsge nur erſchließen aus ber Unterſchrift eines alten verſchollenen Biheldrudı den ber Prototypograph von Spanien, Lambert Palmart, in Verbindur mit bem Spanier Alfonso Fernandez de Cordoba auf Koften des chre: werten beutihen Kaufherren Philipp Wyßland hergeftellt Hatte. Gaı neuerdings aber find urkundliche Beweiſe bafür gefunden worden, da Lambert Balmart nicht nur diefen Drud für Wyßland hergeftelt, ſonder. von einem Wyßland direkt nad Valencia berufen worden ift, um für ihı. und auf feine Koften als erfter auf ſpaniſchem Boden Bücher zu bruden ?)
Allerdings ift es nicht Philipp Wyßland, dem diefes Verdienſt ge: buhrt, fondern fein älterer Bruder Jakob, deffen Name nur deshalb in Verbindung mit den erften Valencianer Druden nicht genannt wird, weil er ſchon während der erften Unternehmungen auf dieſem Gebiete geftorben ft. Daß Philipp Wyhland in nahen Beziehungen zur Humpißgeſellſchaft geftanben, ift fon oben nachgewieſen worden. Dasfelbe muß aber auch für Jakob gelten, und zwar dürfen wir dies daraus fließen, daß er beim Herannahen des Todes neben feinem Bruder zu feinem Bevollmächtigten und Teftamentsoollitreder einfegte den „micer Tibaut puclio, general procurador e factor de la gran companya e raho apellada dels alamanys“. Diejes Teitament iſt am 25. Juli 1475 verfaßt, und zwar war bei feiner Ausftellung Meifter Theobald Budlin felbft zugegen, während Philipp Wyßland damals in Geſchäften abweſend war und erft im Januar 1476 wieder in Valencia nachweisbar ift.
Ich ſchließe Hier gleih die Bemerkung an, daß Philipp Wißland noch einmal i. 3. 1484 in Valencia erwähnt wird, und zwar in einer Urkunde, nah welcher ihm und einem anderen deutſchen Kaufherren Namens Henricus Bochi (Bod oder etwa Bucli?) gewiſſe Handelswaren, Zuder, Reis, Eifenbleh, als Depofitum vom Rate der Stabt anvertraut werben. Enblid wird i. 3. 1492 noch ein Jous Bizland genannt als
Fernandines enthält. Auf beren Unterfuhung beruht bie oben gegebene Tarftellung. Auf die Berlufte der Humpiß und Mötteli beziehen ſich nur 3 Dofumente vom 21. April 1475, bie im Anhange abgedrudt find.
') Serrano, Diecionario de impresores Valencianos, art. Vizlant.
Das Zollbuch der Deutſchen in Barcelona (1425-1440) x. 3
Ausfteller einer Vollmacht für den Notar Pere Ferrer, ber Außenftände für ihn einfaffieren fol.
Ein neuer Fall von Piraterie, der den fpanifchen Handel ber Ravensburger Geſellſchaft berührte, hat fi i. 3. 1492 ereignet. Damals hatte ein ſavoyiſches Kaperſchiff unter dem Befehle des Galienus Nitrense') vor dem Hafen von Nizza ein genuefifches Schiff angefallen und beraubt, auf dem fi Güter bes Onoferius Hantpis et Conradi Anckenruttii societatisque ipsoram befunden hatten. Die Höhe bes angerichteten Schadens läßt fih nad ber uns erhaltenen Duelle nicht feftftellen. Die Gefelihaft aber nahm auch in diefem Falle die Vermittlung der politifchen Behörden in Anſpruch und der Rat von Luzern verwendet fi in ihrem Intereſſe bei der Herzogin von Savoyen. Wenn auch in diefem Schreiben im allgemeinen bie guten Beziehungen der oberbeutfhen Kaufmannſchaft zu ben Savoyeri hervorgehoben werben, fo beftätigt es doch, wie mir fcheinen will, nicht mur, daß zu jener Zeit gemeinfame Handelsprivilegien nicht mehr beftanden, fondern es ſcheint mir fogar daraus hervorzugehen, daß der Weg über Nizza damald von den Deutfchen für ihren Handel nah Spanien nicht mehr benügt wurde ?).
Einen außerorbentlih intereffanten Ueberblid über die Verzweigung der Humpißnieberlaffungen in Spanien gewähren uns die Nachrichten, welche der Nürnberger Arzt Hieronymus Mouetarius®) zu deutſch Münzer, über feine Reifen binterlaffen hat. Er mar i. 3. 1494 vor der Peſt aus feiner Vaterfiabt entwichen und Hat fi faft zwei Jahre lang in Frankreich und Spanien herungetummelt, ehe er in die Heimat zurüdz gefehrt if. Er hat es ſich ganz befonders angelegen fein laſſen, überall, mo er in ber Fremde hinkam, die beutfchen Landsleute aufzufuchen, und er bat uns auf biefe Weile Nachrichten von einer beträchtlichen Anzahl ausgewanderter Deutfcher erhalten, von denen mir fonft faum etwas gehört haben würben.
Sein Weg führte ihn zunähft von Lyon nah Barcelona. No immer traf er auch dort eine Kolonie beutfcher Kaufherren an und er weiß nicht genug die Gaftlicleit zu rühmen, mit ber er von ihnen auf: genommen wurde. Bei bem Feitmahle, weldes ihm zu Ehren veranftaltet wurde, fol fogar nur von Gold und Silber gefpeift und getrunken worben fein. Die Namen, die er nennt, laſſen aber nicht erfennen, ob wir es dabei mit neuen geſchäftlichen Anknüpfungen zu thun haben, oder ob bie
*) Wohl Nitiense von Nigza zu Iefen.
7)». Heypbl. c. Urt. XIV.
3) Ich Habe bie betreffenden Abſchnitte dem Originalmanuſtript ber Münchener Hof⸗ und Staatebibliotfet entnommen und gebe ihren Wortlaut im Anhange.
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betreffenden die Vertreter von ſolchen Hanbelsgefelihaiten waren, die ung aus den Quellen ſchon befannt find. Bei dem Georg Rafp von Auge- burg möchte ich faft das erftere annehmen; auch bei dem Wolfgang Ferber von Ulın wird man füglich zweifeln dürfen. Ich möchte aber im Anſchluß daran nicht unterlaflen, darauf hinzuweifen, daß der Name der befannten Ulmer Familie zwar nit in dem von mir bearbeiteten Zollbuche von 1425— 40 vorfommt, daß dagegen ein Enrique Werber (Heinrich Ferber) von Capmany zu den Jahren 1430—35 genannt wird. Darnach fünnten alfo die Ferber von Ulm ſchon frühzeitig Beziehungen zu dem aragonifch- kataloniſchen Markte unterhalten haben.
Der dritte Name, den Münzer erwähnt, ift derjenige bes Erhardus Wigandt, dietus Franck von Mergentheim in Franken. Wenn id die Vermutung wage, biefen al einen Faktor der Humpiß anzufpreden, ſo geichieht dies aus dem zweifadhen Grunde, weil wir einerfeit3 dem Namen Francus, Franco, Fran in den Annalen der Ravensburger Geſellſchaft auf Schritt und Tritt wieder begegnen. Dann aber aud, weil jeder Anhalt dafür fehlt, daß in Mergentheim jemals eine Handelsgeſellſchaft beftanden hätte, die ihre Beziehungen bis nad) Katalonien auszubchnen vermocht hätte.
Beftimmte Nachrichten über den Fortbeftand der Humpißgefellihaft und ihrer Faktoreien in Spanien bieten und die Aufzeichnungen Münzers über feinen Aufenthalt in Valencia. Ich habe ihnen ſchon oben die Notiz über die wachfende Bedeutung dieſes Plages im Verhältnis zu Barcelona entnommen. Don deutſchen Kaufleuten traf Münzer dort den Heinrich Sporer und den Konrad Humpiß, die er beide als Ravensburger bezeichnet. Offenbar find fie zu jener Zeit die Leiter der Gumpißfaktorei geweſen, denn Münzer rühmt nit nur deren eigene Gaſtfreundſchaft, fondern er befennt, daß fie ihm noch allerlei Gefälligkeiten duch ihre Diener, fansiliares, haben erweijen laffen.
Eingehend ſchildert Münzer nah dem, was er von ben deutſchen Landsleuten gehört hat, die Erzeugniffe, welche die Bebeutung Valencias als Marktplag bedingen. Allein da er dabei ben gefamten Handel der Stadt im Auge hat und wiederholt darauf hinweift, daß ihre Erzeugniffe zur See nad dem Norden, nah Flandern und Britannien gehen, fo berechtigt ung feine Schilderung nicht, darin die Objekte nur des beutfchen Handels zu erblicken. Dagegen läßt er deutlich erkennen, daß die Ravens⸗ burger Geſellſchaft direkt oder indireft damals ftarf an der Gewinnung von Rohrzuder beteiligt war, den er in allen Formen, vom friſch ge: ſchnittenen Rohre bis zur „pyramidalen“ (Zuderhut) Form dort fennen Ternte.
Das Zollbuch ber Deutſchen in Barcelona (1425-1440) xc. 27
Endlich fand er noch einen deutſchen Kaufmann fogar in Alicante. Es war dies ein Jodocus Schedler ex oppido Kempten, qui mercan- tiam nomine societatis ex rafenspurg ad multos annos exercuit. Seine Ausbrudsweife läßt nicht mit voller Klarheit erkennen, ob Schebler damals als Faktor der Humpiß in Alicante weilte, oder ob er fih in eigenen Angelegenheiten bort befand. Sicher aber hat er lange Jahre im Dienfte der Geſellſchaft geftanden. Schebler hat dann vermutlih in Spanien einen eigenen Hausſtand begründet. Ich vermute beftimmt, daß er der Bater jenes Hans Schebler ift, ber lange Jahre hindurch in Aufs trage ber Fugger die Pachtung ber maestrazgos, ber Großmeiftergüter der drei geiftlichen Nitterorden verwaltet hat. Hans Schebler hat eine Spanierin geheiratet und feine Kinder find zu Spaniern geworben; ba= gegen ſcheint er felbft nach feinem Namen und nach der Beherrihung des Deutſchen, die fi in feinen Briefen kundgiebt, noch ganz von deutſchem Stamm geweſen zu fein.
Die Ravensburger Geſellſchaft hat auch in den eriten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts noch fortbeftanden und Kandelsbeziehungen zu Spanien unterhalten. Ob zwar der Paſchalis Budli von Metlin, ber 1503 in Valencia wohnt, ebenfo Diener der Ravensburger ift, wie der Tibault Puelin von 1474, ift ſchwer zu entfcheiden‘). Aber aus dem Jahre 1517 liegt wieder eine Notiz vor, die unzweideutig vom Handel der Magna Societas berichtet. Es handelt ſich dabei wieder einmal um einen Seeraub und zwar einen foldhen, ben ſavoyiſche Piraten begangen haben. Auf einem dem Ludovicus Francigena gehörigen Schiffe hatten die Faktoren der Gejelihaft in Tortofa 42 Sad Wolle verladen laſſen, um fie über Genua nad Teutfchland zu fenden. Das Schiff warb über- falen und mit feiner Ladung in einen favoyifchen Hafen als gute Prife fortgefchleppt. Da mendete fih, im Namen der Gefellihait, Jakob von Hertenflein an die Tagfagung der Eidgenoffenfchaft zu Luzern mit der Bitte, von dem Herzog Rene von Savoyen die Herausgabe des Ge: raubten, reſp. die Entfchäbigung der geſchädigten Geſellſchaft zu erbitten. Die Verwendung ift erfolgt unter bem 6. März 1517, ob fie aber von Erfolg gewefen, hat fi nicht ermitteln lafjen?).
Jedenfalls ift die Ravensburger Geſellſchaft in den nächſten Jahren aufgelöft worden. Zwar wiſſen wir nichts von dem Scidjale ihrer ipanifchen Faktoreien, dagegen hören wir, daß fie ihre Außenftände in Mailand an den genannten Jakob von Hertenftein abtrat und einige Fahre jpäter fcheint fogar ein finanzieller Verfall eingetreten zu fein. Hd. Hey, Oberſchwäbiſche Städte. In Württ. Vierteljahrshefte 1880 S. 147.
2) v. Heyb, Ravensburger Gefelfchaft. Urk. XIX.
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Seitdem hat der deutſche Handel mit dem ſpaniſchen Mittelmeerhafen feine frühere Bedeutung verloren. Was wir etwa gelegentlih noch ein= mal davon hören, hängt vielmehr von dem einzigen Zweig des beutfch- kataloniſchen Handels ab, der noch lange Zeit fortbeftanden, ja fortgeblüht bat: dem Safranhanbel.
Es ift aber überaus bezeichnend, daß in dem Anhange des Zollbuchs von Barcelona, welcher den Jahren 1472/3 entflammt, der Safran ber 1425—40 weitaus das bebeutendfte Ausfuhrobjeft geweſen war, nicht ein einziges mal mehr erwähnt wird. Und das geidieht, obwohl nicht nur i. J. 1503 in der Aufzeichnung des Lukas Rem, fondern felbft noch in dem Handelsbuch des Lorenz Meder aus der Mitte des 16. Jahr: bunderts ber uns fo mwohlbefannte Ortfafran als die befte aller Qualitäten bingeftellt wird. Es ergiebt ſich baraus ohne weiteres, daß der Safran: handel der Deutfchen in Spanien durchaus nicht etwa aufgehört, fondern nur, daß er andere Wege eingeichlagen hat.
Ich habe geglaubt, ſchon den Nürnberger Geleitöbrief von 1415 mit dem Safranhandel der fränkiſchen Kaufleute in Beziehung bringen zu follen. Daß Safran in beträchtlihen Mengen von Aragonien, vielleicht auch von Katalonien ausgeführt wurde, ohne daß er Barcelona berührte, das ließ fich erkennen aus den Angaben, die Capmany über bie Zollftätte von Perpiñan gemadt hat. Aus wenig fpäteren Jahren finden wir auch in deutſchen Quellen einen Beweis dafür, daß der Safranhandel der Nürnberger fortbeftand.
In den Nürnberger Stadtbüchern findet fih zu dem Jahre 1446 eine Notiz, worin fi der Stabtmagiftrat im Intereſſe der Kaufleute bei dem Rate von Barcelona darüber beſchwert, daß der Safran nicht in der gebübrenben Reinheit der Qualitäten geliefert worden ſei). Das ift, wenn anders es ſich thatſächlich um Gefchäfte handelt, die in Barcelona gemacht worden find, eine Ausnahme, denn bis 1440 haben wir faft nie: mals einen Nürnberger Kaufmann dort nachweiſen können.
Es ſcheint nun, daß weiterhin die politifchen Unruhen, welche an— erfanntermaßen den Handel ſtark benaditeiligten, den Safranınarkt ganz aus Barcelona verdrängten. Aber während im allgemeinen ber Handel fi dem füblicheren Valencia zumendete, konnte der Safranhandel, in An: betracht feiner beſonderen Verhältniffe, ihm dahin nicht folgen. Ihn zogen vielmehr fein befonderes Rulturgebiet und der Umftand, dab längft in Cervera und Saragoffa ein konkurrierender Markt beftanden hatte, weiter in das Binnenland Hinein. Seit diefer Zeit find die beiden ges nannten Stäbte zum ausſchließlichen Markte des fpanifchen Safran geworben. TH) Cütige Mitteilung des Hrn. Prof. Dr. Simonsfelb in Münden.
Das Zollbuch ber Deutſchen in Barcelona (14261440) x. 29
Unfere Nachrichten darüber entftammen allerdings fait ausſchließlich dem 16. Jahrhundert. Alein die Gebräuche, die wir babei faft ein Säculum hindurch ohne wefentliche Veränderungen verfolgen können, treten uns bereits in ben erften Jahren bes Jahrhunderts fo gefeftet entgegen, daß wir berechtigt find, fon in bie vorausgegangenen Jahrzehnte ihre olmähliche Herausbildung zu verlegen.
Es war im legten Drittel des 15. Jahrhunderts üblich geworben, daß die deutfchen Kaufherren, welche hauptſächlich die Lyoner Meſſen beſchidten, von dort aus faft alljährlich in den Herbftmonaten ihre Agenten nah Saragoſſa und Cervera fhidten, um bie fogenannte Safrananlegung vorzunehmen, d. 5. auf Grund des um jene Zeit überfehbaren Erute- ausfalles die Abjchlüffe über den Safraneinfauf vorzunehmen, auf Grund deren fid) der Marktpreis dieſes Artikels regelte. Die Geſellſchaften, bie dabei in erfter Linie beteiligt geweſen find, find die Welfer und die Imhof. Benn wir den Nachrichten über die Imhofſche Familie, die wir in den verſchiedenen Nürnberger Archiven verftreut finden"), unbebingten Glauben ſchenken wollten, jo wäre bereits i. 3. 1446 ein Konrad Imhof in Katas Ionien verftorben. Diefe Notiz beruht nun allerdings wohl auf einem Irrtum. Sicher aber laffen fi die Imhof neben den Welfer ſchon im erften Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts als Safranhändler nachweiſen.
Der erfle deutſche Kaufmann, den wir mit Sicherheit ala Safran: händler in Saragofja nachweiſen können, ift Lukas Rem, ber bekannte Vertreter der Welſer-Vöhlin-⸗Geſellſchaft. Er erzählt in feinem Tagebuche*), daß er am 12. Dezember 1502 mit Simon Sei und Scipio Leveston von Lyon gen Saragofja aufgebrodhen fei, mo fie am 7. Januar (1503) anlanıen. Seine Begleiter zogen weiter nach Lifjabon; er aber blieb in Saragofja und „kaffet etlich fein Ortfaffrann”. Er hat dann auch einen Abfteher nah Valencia gemacht, wo er „etlih wexel gelt zu empfahen und verwereln“ hatte, ein Zeichen, daß damals noch Valencia der Haupt: markt war, in bem ber Zahlungsausgleih bewirkt wurde. Rem ift dann befanntlih nad Liffabon gegangen und dort einige Jahre lang geblieben. Aber ſchon damals ſcheint Saragofia um bes Safrans willen regelmäßig befucht worben zu fein. In dem Konrad Vöhlin, der nad) längerem Aufenthalte i. 3. 1509 zu Saragofja ftarb°), haben wir doch jedenfalls
*) Es fanden mir nit nur bie Imhofakten des Germ. Muſeums und ber Nürnberger Stabibibliothef zut Verfügung, ſondern Frhr. Karl v. Imhof geitattete mir freundlichſ aud ben Cinblid in feine Auszüge aus bem Familienarchio.
”) Hgg. v. Greiff in ber Zeiiſcht. d. Ber. f. Geſch. v. Schwaben u. Neuburg Jahrg. 1861, beſonders ©. 7.
Ib. ©. 91.
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einen Vertreter derfelben Geſellſchaft zu erbliden, beren Thätigkeit Damals den Anftoß zu einer außerorbentlien Belebung des deutſch-ſpaniſchen Handels gegeben hat.
Welche Bedeutung der Safranhandel in biefer Verbindung für bie deutſchen Handelsſtädte gewann, das ergiebt ſich recht überzeugend aus einer Korrefpondenz, die i. 3. 1537 zmwifchen Nürnberg und Augsburg geführt murbe').
Es war wieder einmal, und zwar anfcheinend durch Nürnberger Kaufleute, minberwertiger Safran in den Handel gebracht worden und indem Augsburg darüber bei denen von Nürnberg Magt, macht es ben Vorſchlag, ſich Beſchwerde führend an den Kaifer und an ben Vizekönig von Neapel — es ſcheint alfo auch neapolitanifher Safran mit in Beträcht zu kommen, — zu wenden. Bon dieſem Vorſchlag rät ber Rat von Nürnberg unter dem 12. Mai dringend ab, indem er darauf hinweiſt, daß auf diefem Wege vermutlih nur die Einrichtung einer Safranſchau veranlaßt und eine weitere Befchwerung des Handels mit Zöllen und Ab: gaben herbeigeführt werden würde. Dagegen empfiehlt er, an die Herren vom general (Zolbehörde) von Barcelona zu ſchreiben und ihnen vor: zuftellen, daß der Safran zuviel „geſchmirbt“ werde, und zu viel „Ihmwarger Bugen“ hätte, fo daß er in diefer Qualität in Deutfchland feine Abnehmer finden werde. Cie möchten ſich aljo, wenn anders ihnen am Herzen liege, daß ber Safranhandel nicht abnehme ober fi nad anderen Orten ziehe, für eine Abftelung des Uebelftandes bemühen.
Diefem Vorfchlage erteilten unter dem 15. Mai auch bie von Auge: burg ihre Zuflimmung, nur mit der Abänderung, daß fie beantragten, Ratt an die Herren vom Zollamte gleich an den Vizefönig von Katalonien zu Schreiben. Darauf wurde der Brief erft in deutſcher Sprache entworfen, und nachdem er die Billigung aller Beteiligten gefunden und befiegelt worden war, ließen ihn bie Augsburger ins Lateinifhe übertragen und unter bem 29. Mai mit ber Aufihrift: Reverendissimo in Christo patri domino domino N. (sie!) Archiepiscopo civitatis metropolitanae Cesar-Augustae viceregi Cathaloniae, Parcinonae domino suo obser- vandissimo senatus magistratusque utriusque civitatis Augustae et Nurembergae sese commendat ete. abfertigen. Ein gleiches Schreiben erging übrigens auch nad) Neapel und da bie Aften diefer Korreſpondenz damit fließen, darf man wohl annehmen, daß die Beſchwerden Abftellung gefunden haben.
Mindeftens wien wir, daß der Safranhandel der Nürnberger in den nächften Jahren eifrig fortgefegt wurde und zwar befonbers von den Augsburger Stadtarchid — Handelsſachen.
Das Zollbuch ber Deutſchen in Barcelona (1425—1440) 1c. 3
Imhofs. Die Hervorragende Beteiligung diefes Hauſes am ſpaniſchen Safranhandel datiert ſchon von den eriten Jahrzehnten des 16. Jahr- hunderts, fie läßt fi aber auf Grund ber uns erhaltenen Quellen ganz befonders um die Mitte des Jahrhunderts verfolgen. Im Jahr 1537 foll ein Franz Imhof, Sohn bes Konrad Imhof und der Katharina KRammermeifter in Eervera, dem Zentrum bes aragonifchen Safranhanbels, verftorben fein. Schon anı 8. Januar bes folgenden Jahres ift ein anderer, Sebaftian Imhof, wieder, wenn auch nicht zu dauerndem Aufenthalte, in Saragoffa, um die Geſchäfte feines Haufes wahrzunehmen. Seitdem önnnen wir es faft alljährlich nachweiſen, daß zur Zeit des Safran: einfaufes, im Herbſte, ein Vertreter des Haufes von ber Faktorei, bie dasſelbe dauernd in Lyon unterhielt, zu längerem oder fürzerem Aufenthalt nad Spanien abgeorbuet wird.
Aus dem „Memoria puch“ des Wilmolt Imhof!) erfahren wir, baß er, nachdem er ſchon i. 3. 1533 das erſtemal in Gefchäftsangelegen: heiten die Heimat verlaffen hatte, doch erft Ende 1540 von Lyon aus nad Spanien gereift ift. Er brad von ber Lyoner Gefhäftsftelle am 29. November auf und erreihte am 15. Dezember Cervera. Nah Er: febigung der Safrananlegung ging er dann nach Barcelona, kehrte aber im Januar 1541 in Geſellſchaft von Peter Floris nach Saragofia zurüd und gab ſich dort bei Heinrich Bouckla di Mettelin in Koſt, um gründlid) die fpanifhe Sprache zu erlernen. Erft im Dftober ging er, als bie Zeit de3 Safrankaufs wieder herangekommen war, zunächſt nad) Gervera, gleichfalls zu längerem Aufenthalte, und erft am 17. April 1542 langte er wieder in Lyon an.
Doch war dort nicht lange feines Bleibens. Bereits im Herbft desfelben Jahres trat er eine zweite, mehrjährige Geſchäftoreiſe nad Spanien an. Diesmal war Konrad Beyer, der Vertreter eines Gejchäfts- haufes, welches ein Menſchenalter hindurch neben den Imhof in der Safran: handlung eine bedeutende Rolle geſpielt hat, fein Begleiter. Sie ritten am 25. September von Lyon aus und erreichten über den Col de Benasp am 17. Dftober Saragoffa. Bis in das Frühjahr hielt fie dort das Safrangefhäft auf, dann aber begab fih Wilmolt Imhof zur Maimeſſe nad Medina del Campo, damals dem erften Mefplage Spaniens. Dort hielt ihn eine Erkrankung unerwünſcht lange feſt, fo daß er erft im Oftober nad Saragofja zurüdkehrte, gerade noch Zeit genug, um dort und in Katalonien au in diefem Jahre die Eajraneinfäufe beforgen und am 15. April von Barbaftro aus bie Rüdreife nach Lyon antreten zu können.
) Stadtbibliothek Nürnberg.
32 Häßler
In ähnlicher Weife hat Wilmolt Imhof noch eine Reihe von Jahren hindurch in regelmäßigen Reifen die fpanifhen Geſchäfte feines Hauſes wahrgenommen. Im Winter 1544/5 ift er vom 3. Dftober bis zum 15. Januar unterwegs; 1546/7 vom 29. September bis zum 5. März und 1548/9 vom 12. Dftober bis 5. Januar. Das ausgeſprochene Biel aller diefer Reifen ift Saragofja und Cervera und ihr faft ausfchließlicher Zwed die fogenannte Safrananlegung., Mit ber Zeit fehnte fih be greiflicherweife Wilmolt Imhof nad einer Ablöfung von feinem beſchwer— lien Poften. Schon im Frühjahr 1548 war deshalb ein anderes Glied der Familie, Hans Imhof, Hinausgefhicdt worden, um unter Wilmolts Leitung fi mit dem fpanifchen Gefchäfte vertraut zu machen. Allein diefem ſchien Spanien noch weit weniger zuzufagen, al3 feinem Vorgänger. In einem Briefe, den er am 8. April 1548 von Earagofja an Paul Behaim gerichtet hat), klagt er ſehr. Spanien fei ein Land, deſſen fi feiner belobt, fondern ein jeder beſchwert und auch er müffe e8 bei feinem Namen „das heilloſe Land“ lafien. Seine gleichzeitig ausgeſprochene Hoffnung, daß die dirigierenden Herren ihn bald buch Jörg Schlauber: ſpacher ablöfen lafjen möchten, hat ſich minbeftens nicht fo ſchnell erfüllt. Wir kennen noch einen zweiten Brief von ihm, den er am 16. Auguft in Medina del Campo gejhrieben hat: es fcheint alfo, daß aud die Mefien diefes Plages damals von den Imhof ziemlich regelmäßig beſchickt worben find. Aus dem Briefe entnehmen wir ferner, daß ber Brief: fchreiber am 1. September wieder in Saragoffa fein und zufammen mit Wilwolt Imhof das Safrangefhäft verforgen wollte. -
Auffallend ift, daß in den Imhofſchen Korrefpondenzen nirgends ber Welfer oder ihrer Vertreter Erwähnung geſchieht, denn dieſe waren nächſt den Imhof im 16. Jahrhundert die bebeutenditen deutſchen Safranhändler. Allgemeinere Angaben nennen fie als ſolche ſchon in früheren Jahren, die erften direften Nachrichten darüber habe ich aber erft aus dem Jahre 1558 gefunden. Damals berichtet der Fuggeriſche Faktor Chriftoph Hör⸗ wart in einem längeren aus Ballabolid vom 30. Oftober 1558?) batierten Schreiben, baß ein Agent der Welfer, Namens Ulrich Schuh, von Sara: goſſa aus Wechſel in Höhe von 4260 Dufaten „Jacequeser“ (aragoniſcher Währung) auf ihn gezogen habe, ohne baß die Generalfafle der Welfer ihm dazu Auftrag erteilt habe. Hier handelt e& ſich offenbar bereits um die aljährlidh in den fpanifchen Korrefpondenzen der Fugger wiederkehrenden finanziellen Transaktionen, welche den Zwed hatten, die Vertreter ber deutſchen Kaufhäufer mit ben Barmitteln zu verfehen, deren fie in jebem
H Germ. Mufeum. BebalmeAften. Paulus I. Fase. IV.
*) Fürſtl. Juggeriſches Arhiv 2. — 5. — 12.
Tas Zolbuch der Deutfen in Barcelona (1425—1440) xc. 33
Herbſte zu dem Safraneinkauf beburften. Für bie Fugger war dies eine gern exgriffene Gelegenheit, die bebeutenden Gewinne, bie fie aus dem fpanifchen Gefäfte zogen, in einer unauffäligen Weife aus dem Lande hinaus zu verwechjeln, während andrerfeit3 die Safraneros dadurch der Mühe über: hoben wurden, die beträchtlichen Summen, beren fie zu dieſem Geſchäfte bebdurften, in barem Gelbe mit ſich zu führen.
In diefem Zufanmenhange begegnen uns aud) die Bayer aufs neue und zwar in einer Weife, die fie ala Großfaufleute erkennen läßt. Konrad Bayer und Mitverwandte hatten danach im November 1574 in der Perfon des Franz Spengler einen eigenen Agenten zum Safraneinfauf in Earagoffa, der von ben Fugger dazu einen Kredit von 10000 Dukaten verlangte ’).
Ein drittes Mal begegnen uns biefe in einem Briefe, den Matthäus Jeniſch von Gervera aus am 18. April 1576 an feine Herren Enbres und Wilwolt Imhof richtete. Es war damals eine ſchlechte Zeit für den Safranhandel; die vorjährige Ernte war verkauft, oder in feften Händen und bie Ausfichten für die nächfte waren wegen anbauernder Trodenheit in ber Zeit der Verpflanzung ſchlecht, fo daß bie Preife über das hinaus fliegen, was Jeniſch anzulegen ermächtigt war. Bei biefer Gelegenheit erwähnt er, daß die „Bayriſchen“ vor wenig Tagen 10 Ballen Safran über Barcelona hinausgefandt und noch einen Meinen Vorrat bei Handen hatten. Aus biefem Briefe erfieht man übrigens, daß die Handelswege auch jegt noch ganz diefelben waren, wie zur Zeit der Humpißgeſellſchaft, denn Jeniſch rechnet für die Erpebition feiner Einkäufe teil mit ben galeras de Genova, teild mit ben Schiffen, bie eine Leinwandladung für Tortofa eingebracht hatten. Von anderen Handelshäuſern gebenkt er babei noch der Colletiers, der Zollifhofer?) und ber „Lucianifhen?).
Sm den folgenden Jahren begegnen uns bie Safraneroß, die Chriftoph Belferifchen und bie Imhof regelmäßig in den Zuggerifchen Korrefponbenzen.
) Ib. Brief des Thomas Müller, Madrid ben 12, Nov. 1474. (2. — 5. — 18.)
?) Die Zollikofer find, was den ſpaniſchen Hanbel betrifft, unverkennbar bie eben der Mötteli. In ber franz. Urkunde von 1474 werben befanntlid die Mötteli ihon als Sanct-Galler bezeichnet, wo auch bie Zollifofer zu Haufe waren. Deren Handel mit Saragoffa ging anfangs wohl meben bem ber Möttell Her. Schon von 306 Zollifofer, der 1457 nad St. Gallen fam, wirb erwähnt, daß er nah Saragoſſa handelt. Deffen Neffe Caſpar entzweite fi mit feinen Brübern wegen einer Schuld für etliche Reifen, bie er für fie nad) Caragoffa in Hifpanien getan hatte. Sebaftian Zollikofer war vor 1500 in Spanien, wo ihm aus erfter Che ein Sohn, Thomas, ge: boren wurde. Ihr ſpaniſcher Handel Hat lange fortgebauert; Spuren find nachweisbar aus ben Jahren 1568, 1651, 1660, 1707; f. Göginger, Die Familie Zollifofer.
*) Germ. Mufeum Behaim:Aften. Paulus II. Fase. 1.
Württ. Biertelfareg. f. Sanbesgefg. R.%. XL. 3
34 Häbler
Am ausführliäften ift eine Notiz aus dem Jahre 1577, weil damals ein Zwiſchenfall den gewöhnlich glatten Geſchäftsgang ftörte”). Die Fugger hatten, wie in anberen Jahren, damit gerechnet, ihre Barvorräte mit Vorteil an die Safraneinfäufer Toszuwerden. Allein im Herbft war der Wechſelkurs von Saragofla auf Lyon ein derartig günftiger, daß jenen das Fuggerſche Geld zu teuer erſchien. Trogdem gelang es den Agenten berfelben fchlieblih doch, das Geſchäft zu machen. Sie zogen die Welfer in das Vertrauen und gewährten biefen einen Vorzugspreis von 84 Kreuzer für den Dufaten von 375 Maravebis. Dafür halfen ihnen die Welfer dazu, daß die anderen Einkäufer — und bier erſcheinen neben den Imhof und den Bayer auch ſchon bie Tucher als ſolche — fi damit einverflanden erklärten, den Dufaten zu 86 Kreuzer anzunehmen und in Bargeld, wie fie ihn empfingen, je zur Hälfte in Augsburg und in Nürnberg wieder gut zu thun.
Die Imhof feheinen damals wieber duch ein Glied ihrer Familie ihre fpanifhen Geſchäfte beforgt haben zu laflen. Im Januar 1580 ift Gabriel Imhof als Junggeſelle zu Saragoſſa verftorben. Für die Welfer Bat um biefe Zeit Wilhelm Renz mwieberholt die Safranmärkte befucht, ehe er in bie Dienfte der Fugger trat. Wer bie Bayer und bie Tucher vertreten hat, ift aus den Briefen nicht erfichtlic.
Gegen das Ende des 16. Jahrhundert ging ber beutfche Handel auf der Pyrenäenhalbinfel allenthalben rüdwärts. Auch die Fugger blieben davon nicht verſchont. Im Jahre 1597 trat zum erftenmale der unerhörte Fal ein, daß die Fugger das von den Safraneros benötigte Gelb nicht mehr rechtzeitig zu ſchaffen vermochten?). Waren auch biefe Schwierig- keiten zum Teil in den inneren Verhältniffen des Fuggerſchen Handels begründet, jo ftanden fie doch auch in unmittelbarer Wechſelwirkung mit den Verhältniſſen des fpanifhen Marktes. Der Safranhandel, der fat dur zwei Jahrhunderte hindurch das bevorzugte Feld für bie Spefulationsthätigkeit der oberbeutfchen Kaufleute geweien war, fing mehr und mehr an feine Bedeutung zu verlieren. Aus dem 17. Jahrhundert eben uns beinahe gar feine Notizen mehr über benfelben zu Gebote.
Zwar wiſſen wir, daß der deutſche Handel mit jenen Gebieten noch immer fortbeftand. Wie die Hanfeaten für ihre Privilegien in den ozeanifchen Häfen der Halbinfel, jo kämpften die oberbeutfhen Städte für die ihrigen im aragoniſch-kataloniſchen Binnenlande. Mit dem weſt⸗
9) Fürfl. Fuggerſches Archiv. — Brief des Th. Müller aus Madrid vom 23. Ottober 1577. (2. — 5. — 13.)
2) Ib. — Luzenberger an Phil. und Albr. Fugger. Madrid 27. Nov. 1597. @—5.— 14)
Das Zolbuch der Deutſchen in Barcelona (1425-1440) x. 35
phälifchen Frieden wurde i. I. 1648 aud ein neuer Hanbelsvertrag mit Epanien vereinbart, in welden Augsburg, Nürnberg und Ulm als Vor: möchte für die oberbeutfchen Städte verhandeln. Allein die Blüte und die Bedeutung, die der deutſch-kataloniſche Handel im 15. und 16. Jahr: hundert erlebt Hatte, vermochte in den beiberfeits ſchwer erſchöpften Landen fein Vertrag wieder ins Leben zu rufen. Mit dem allgemeinen Riedergange Spaniens, mit ber Erfhöpfung, bie in Deutichland dem jährigen Kriege folgte, ging von beiden Seiten bie Thatkraft verloren, melde die früheren Kanbelsbeziehungen für beide Teile vorteilhaft und gewinnbringend gemacht hatte. Und als die Länder fi nah und nad wieder zu erholen anfingen, da hatten ſich die Bedürfniffe des Handels in einer folden Weife verfchoben, daß fein Anlaß für die Wieberanknüpfung ber zerriffenen Fäden vorlag.
Zur Gefchichte der Ravensburger Gefellfchaft.
Ben Aloys Schulte.
Die Vermutung Wilhelms von Heyd, daß die große Ravensburger Geſellſchaft auch nah den Niederlanden hin lebhaften Handel getrieben bat, konnte Heyd nur durch ſchwache Beweiſe ſtützen). Daß ich heute mehr bieten kann, verdanke ich ausſchließlich der Güte meines Kollegen, des Herrn Privatdozenten Dr. Walther Stein, ber mir das bei feinen im Intereſſe der hanſiſchen Geſchichtsforſchung unternommenen Reife nebenbei gewonnene Material liebenswürdigft zur Verwertung übergab. Mit herzlihem Danke made ih zu Nutz und Frommen ber Gefdichte füdbeutfchen Handels von diejen Urkunden Gebraud.
Zwei der Urkunden führen uns nah Köln, wo Johann van Len- derindufen, Wirt zu Sternenberg auf dem Heumarft, Bürger von Köln, Bertreter der Ravensburger Gefelihaft war. 1464 wurden auf dem Wege zwiſchen Köln und Roermonde in Vlodorp (nörblih Heinsberg) Waren, die neben anderem Gute von fünf verſchiedenen Perfonen geführt wurden, aus Feindſchaft gegen Köln angehalten. Es waren das Hans. von Steiden, Bürger von Augsburg (eyn loesch pack, Zeichen), „Bal- thafar Wolff“, Bürger zu Nördlingen (eyn groiss pack, Geſellſchafts- zeichen), ferner drei Kölner. Der eine vertrat einen Bürger von Nym— wegen und feine Geſellſchaft, unfer Johan van Lendrichuſen aber: Hanns. Wyslant und feine Geſellſchaft von „Ravensberg“ (ein Pad mit ber Humpißſchen Marke) und Erart Roeynd von Roetlingen und feine Gefell: ſchaft (ein Pad mit Zeihen). Ein dritter Kölner hatte einen Bürger von Antwerpen zu fügen. Dieſe Leute befhmworen, daß die Waren den angegebenen Eigentümern gehörten, und biejes Zeugnis gab Köln an das Gericht zu Vlodorp weiter?). In der Urkunde fteht, daß bie Leute fo an ihrem Markte gehindert wurden. Wollten fie auf die Oſtermeſſe von Bergen op Zoom?
N Die große Ravensburger Gefelfgaft. Stuttgart 1890. ©. 38 f.
) Stadtarchiv Köln, Kopienbuc 27 ol. 103 mit ber Überfchrift: „testimonium pro certis forensibus contra arrestamenta facta in Vlodorp“. Bem 12. März (up maendach na halffasten). Oftern war am 1. April.
Zur Geſchichte ber Ravensburger Gefellicaft. 37
1463 wurde in Geilenfirhen auf dem Wege von Antwerpen nad Köln von Johannes van Schiffwylre Kaufmannsgut als köolniſch beichlag: nahmt, doch trat da unſer Johann von Lenderinhufen vor und beſchwor, dat eyn terlinck mit gewandte alsus (Zeidien) gemyrekt zogehoerende sy der gesellschaff van Hoempesch van Ravensberg in Swaiven und zwene andere terlinge mit gewande die Johan die Wever voirman geladen hait zogehoerende synt Evert Reynck van Ulme; auch mar noch Antwerperner Gut dabei!). Aus Antwerpen war an bie Kaufmannſchaft geſchrieben, daß fein Kölner Teil an dem Gute habe.
Sehr wefentlih für die Ausdehnung des Geſchäftsbetriebes der Humpiß fommt ein Brief der Stadt Köln an ihren Kanzler Dr. Johann Vrunt vom 27. Januar 1449 in Betracht. Wegen eines großen Intereſſes Hatte ihn die Stadt an den Hof des Königs nah Wien entjendet, die Stadt ſchickte ihm nun einen Wechſelbrief: „an der Gefelihaft Diener von Ravensburg" ?). Es folgt daraus, daß die Geſellſchaft ſowohl in Köln wie Wien Faktoren, mindeftens jedoch nahe Geſchäftsfreunde hatte. Der König weilte damals in Wiener Neuftabt.
Schon 1459 erfcheint die Gefellihaft auf den brabantifchen Jahr- märften. Damals wurde vor den Schöffen in Nynwegen Bürgihaft ge: leiſtet für Wilhelm Hoyman wegen Zahlung einer Geldſumme zu Händen des Joeſt Hompis und feiner Geſellſchaft. Die Zahlung follte am 11. Nov. und weiter auf allen folgenden Märkten von Bergen op Zoom und Ant: werpen erfolgen ?).
Nach Brügge führen uns zwei Urkunden, die ſich beide auf ben Seeverkehr von Spanien nach Flandern beziehen. Nach ber einen hatte die Geſellſchaft in Valencia in das ſpaniſche Schiff des Jehan Peris Semaines de Bertandoro 3 Ballen Mandeln und 3 Ballen Kümmel für den Hafen Eluys in Flandern verladen. In diefem Hafen Brügges angefommen verlangte Jehan Wijslant als bisponierender Genofje der Gejelihaft des Frid und Jos Humpis und ihrer Genoſſen von Ravens:
) „1468 up unser 1. frauwen dach assumptionis* Stabtarhiv Köln. Kopienbuch 28 Fol. 189. Cin ähnliches Eigentumszeugnis wurde 1470 ausgeſtellt für Baren, die nach Brabant gehen follten, aber vom Fuhrmann nad Nymwegen gebracht worben waren. Johann var Lenderwindhufen beftätigt, daß 2 Ulmer Fardell und „eyn beblach pad, alsus gemprdt (Zeihen)“ Erhart Ruhing van Ulme feinem Gafte zugebören, Ambrofius Voſſart bezeugt für 2 ſchwarze Ulmer und 2 Augsburger Fardell (Zeichen), baß fie Heinrich Moelner von Augsburg und feiner Geſellſchaft gehören, endlich wird noch Eigentum eines Mainzers (Sander zome Roß) genannt. Ebenda, Kopienbuch 29, iol. 1741175.
*) Mitteilungen aus dem Stabtarhin Köln Heft 24 S. 196.
3) Stabtargiv Nommegen. Schöfienbud zum I. 1459.
38 Zäulte
burg von dem Schiffspatron die Waren. Allein diefer hatte in Nantes an ben dort weilenden Genuefen Ambrogio Lommelino die Ballen gegen Quittung abgeliefert. Der Kompagnon bes Ambrofius, der in Brügge weilende Genueje Mathias Scraca, wollte mit der Angelegenheit nichts zu thun haben. Infolgedeſſen verurteilten Bürgermeifter, Schöffen und Rat von Brügge den Schiffer zum Erfa des in Brügge üblichen Preifes der nicht abgelieferten Waren der Ravensburger Gefellfchaft ').
Die zweite Urkunde aus Brügge ift fein Enburteil, fondern ein Zwiſchenurteil in einer „unvollſtändigen, dunklen und nicht fpruchreifen Sache“. Aber das für die Handelsgefchihte Weſentliche kann man ihr doch entnehmen. Der Streit fpielt fi ab zwiſchen Hans Hinderofen, aus dem die Vorlagen Linderhoven und Inderhoven machen, als Genoffe und Faktor der Geſellſchaft des Joſſe Hompis de Raveſporch en Alemaigne und folgenden Leuten, die fih durch ihre Familiennamen jofort als Genuefen verraten: Giovanni und Agoftino Doria, Dttobono und Anfaldo Lomellino, Real de Realis und Francesco Michiel. Die Ravensburger Geſellſchaft hatte auf das Schiff Ochoa de Galindes Waren geladen und zwar wohl wiederum in Valencia, weil die Summen, bie für die Wieder: erlangung der Waren und die Verderbnis und Verſchlechterung derſelben gefordert werden, in der Münze von Valenzia ftipuliert find. Die Genuefen find zum Erfage pflichtig, weil die Ravensburger Geſellſchaft bei ihnen ſich verſichert hatte?).
Es ergiebt fi ſomit, daß die ftarfe Pofition, welde die Humpiß- geſellſchaft in Valencia hatte, nicht allein dazu benügt wurde, um die Waren über Genua und die Häfen an der Rhonemündung in das italienifche, franzöſiſche und deutſche Gebiet zu verbringen.
Die Ravensburger vertrauten ihre Waren auch den Ediffen an, die um das Kap von Gibraltar herum die blühendfte Handelsftadt jener Tage, Brügge, aufſuchten, den Plag, der durch feine Lage an der Grenz: ſcheide romanifcher, deutfcher und englifcher Interefien, an der Stelle, wo die zentraleuropäifhe Vermittlungszone die Meeresfüfte erreichte, mo die Schiffahrt der Süd: wie der Nordeuropäer im Hafen von Eluys zufammen- traf, dazu beftimmt war, bie Hauptvermittlung zwiſchen den Völkern Europas zu übernehmen. Bisher war uns nur ein einziger Beweis dafür befannt, daß Ravensburger Waren zu Schiff die Fahrt um Gibraltar
’) 1446 November 14 Beilage 1.
%) Die venditio gabellarum veterum von 1428 (Genun), deren Kenntnis ich Herm Prof. Sieveling In Freiburg i. Br. verbanfe, unterfheibet assecnramenta bis und über 8%/o ber Summe. Tie Urfunde folgt in Beilage 2,
Zur Geſchichte der Ravensburger Geſellſchaft. 39
magten‘). Wir können nunmehr jagen, daß der Verkehr wenigftens in den legten Tagen der Blüte von Brügge gewöhnlid war. Wie bie Benezianer und Genuefen regelmäßige Fahrten nad Brügge eingerichtet hatten, fo zog aud) die Ravensburger Geſellſchaft davon Vorteil.
Aus den Kölner Urkunden jehen wir aber auch, daß die Ravens: burger nit in den Fehler der Hanfifchen verfielen. Dieſe haben bekanntlich, als der Rüdgang von Brügge begann und Antwerpen mehr und mehr emporkam, viel zu fpät fi dazu entſchloſſen, Flandern zu verlaſſen und in die brabantifche Stadt überzufiedeln. Die Oberdeutſchen richteten ſich hingegen fofort in Antwerpen ein, ja die Ravensburger verkehrten dort ſchon 1468, alfo zu einer Zeit, wo eben (1442) die erfte Überfieblung fremder Kaufleute von Brügge hierher ftattgefunden hatte. Der Stapel engliſcher Tücher war befonders wirkſam. Nach ben bisherigen Kenntniffen meinte man: der erſte oberbeutiche Beſucher Antwerpens werbe erft 1477 erwähnt, 1498 fauften die Augsburger Höchſtetter bereits für ihre Faktorei ein Haus. Der erfte Spanier lich fih 1498 dauernd in Antwerpen nieder, ein portugiefiiher Faktor wird dort zuerft 1494 ermähnt?). Selbſtredend waren die Meilen ſchon vorher beſucht und um eine folde Fahrt zu den Meffen von Antwerpen und Bergen op Zoom dürfte es ſich aud bei den Ravensburgern handeln» Freilich ftimmt damit das Datum der Urkunde von 1468 nicht überein. Das Zeugnis ift in Köln auf Mariä Himmelfahrt ausgeftellt. Die Gewandballen, welche aljo wohl engliſche Tuche enthielten, dürften ſomit Ende Juli in Antwerpen verladen worden fein. Won der Pfingftmefje konnten fie wohl nicht herrühren, erft teht nicht von der St. Bavon-Meſſe (St. Bavo 1. Dftober) und die Mefien von Bergen op Zoom wurden um Weihnachten und Oftern (früher Lichtmeß) abgehalten. 1484 führte das Brügger Kontor der Hanfa gegen: über Beſchwerde, daß in Antwerpen von ben Brabantern das ganze Jahr hindurch außerhalb der Märkte ein neuer Stapel gehalten werde’). Man fieht, melde Witterung der kommenden Dinge damals die Ravensburger Raufherren hatten. Die Blüte Antwerpens fah die Gejellihaft allerdings nit mehr.
Unfere Urkunden geben uns alſo höchſt willkommenen Aufihluß über den Handel der Ravensburger in Spanien, Flandern und Brabant, wie in Öfterreih. In den für die Handelsgeſchichte ſehr ergiebigen Regeften des Wiener Stadtarchivs, die Uhlirz in dem Werfe
2) 1474 bezw. 1475: Schulte, Geſch. bes mittelalterlichen Handels und Verkehrs qwiigen Weſtbeutſchland und Ztalien 1, 548 und Anın. 4.
3) Bol. Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger 2, 4.
) Ehrenberg a. a. O. 2,9.
40 Säulte
„Quellen zur Geſchichte der Stadt Wien“ veröffentlicht hat, habe ich allerdings vergebens den Ravensburgern nachgefpürt. Wenn man aber bedenkt, wie lebhaft einft der Verkehr zwiſchen Wien und Köln gewefen war, fo erflaunt man doppelt, daß das Eleine, abfeits gelegene Ravens- burg bie Gelbvermittlung übernehmen konnte. Wieleiht geben uns einmal die Zolfrechnungen von Preßburg für Ravenzburg ebenfo intereflante Auffhlüffe, wie wir fie denen von Barcelona verdanken.
Auch für die innere Geſchichte der Ravensburger Geſellſchaft find die Urkunden von hohem Werte. In der Brügger Urkunde von 1466 erſcheint Johann Wißlant aus Jsny — Philipp Wißland ift aus Barcelona als Faktor der Humpiß näher befannt — als Faktor der Gejellihaft der Friederich und Jos Humpiß. Damit ergiebt fi, daß in diefem Jahre Frid und Jos die Regierer der Gejellihaft waren und daß man aus dem KRonftanzer Dokumente von 1446') nicht herauslefen darf, daß die Gefell: ſchaft des Frid Humpiß fi) von der großen abgezweigt habe). In Johann Hinderhofen begegnet uns eine Familie, deren Beziehungen zur Humpiß- geſellſchaft Ion befannt waren). ft unſer Johannes der 1527 geitorbene Hans Hinderofen, deſſen Epitaph ich an der Rüdjeite des Triumphbogens der alten Karmeliterkirche in Ravensburg fah?
Der in allen drei Kölner Urkunden genannte Erart (auch Evert) Roeynd, Ruhig wird einmal als Reutlinger, zweimal al Ulmer bezeichnet. Felir Fabri nennt unter den Ulmer Familien, die mit Patriziern ver: ſchwägert waren, die Rüding. Diefer Erhard Roing wird wohl identiſch fein mit dem Ulmer Herandus Roinus, der 1487 einem Mailänder Kauf- mann 3600 & Imp. ſchuldete *).
Beilage 1. Urteilſpruch der Stadt Brügge in einem Streite zwiſchen der Ravensburger Geſellſchaft und einem ſpaniſchen Schiffsfapitän. Brügge 1466 November 14.
St.A. Brügge, Register van alle zaken 1465—69 fol. 59.
A tous ceulx, qui ces presentes lettres verront ou orront, bourgmaistres, eschevins et conseil de la ville de Bruges salut. Savoir faisons, que pardevant nous est meu Question et difference par et entre Jehan Wijslant comme com- paignon et gouverneur de la compaignie de Frederic et Josse Hompiz et com- paignons de Ravisperghe en Alemaigne demandeur dune part et Jehan Peris Semaines de Bertandoro, maistre dune neif dEspaigne, deffendeur dautre part,
') Heyd a. a. O. ©. 1.
2) I% Habe ſchon Gefch. d. Handelt 1, 628 Zweifel ausgeſprochen. Schulte 2,72 Nr. 116.
+) Hepb 84. Squlte 1, 635.
Zur Geſchichte ber Ravensburger Geſellſchaft. 4
disant ledit demandeur, que ou nom et depar ladicte compaignie avoient este ehargiez en 1a dicte neif lors estaute a Valence entre autres choses et parchelles de marchandise trois bales damandes et trois bales de commin appartenans a la diete compaignie pour en ycelle neif estre envoyez ou port de lEscluse en Flandres et pour ce que en recevant les biens et marchandises, que ou nom de 1a diete compaiguie avoient este chargiez en la dicte neif, lui failloient les diz trois bales damandes et trois bales de commin, il requieroit des diz 6 bales du dit maistre avoir restitucion selon la valeur, que a present amandes et commin valent en la dicte ville de Bruges. A quoy le dit maistre de neif deffendeur respondy confessant et recognoissant, que les diz 6 bales damandes et commin avoient este chargiez et receuz en sa dicte neif a Valenoe, mais disoit quil avait yeelles 6 balles delivrez hors de sa dicte neif a Ambroise Lommelin, resident a Nantes, quant la diete neif 7 estoit, pour aucunes causes qui a ce ui avoient meu, dont il monstroit et exhiboit certaine cedule, quil avoit receve du dit Am- broise, requerant de la dicte demande estre absols. Le dessus dit demandeur repliquant, que la dicte delivrance faite au dit Ambroise point navoit este faicte de son commandement ne depar lui et non estoit point content, requerant comme dessus. Apres que sur ceste question avoit este mande pardevant nous Mathieu $eraca, marchant de Jennes, resident a Bruges, compaignon comme len disoit du dit Ambroise, pour de Ini savoir, se il vonloit ou nom du dit Ambroise sous- tenir et deffendre la delivrance des diz 6 bales faites au dit Ambroise ou non et le dit Mathieu Scraca avoit respondu que non et quil nen avoit aucune charge et ae ꝓ vouloit contredire: oyes les dietes parties en toutes leurs raisons et consi- dere la recognoissance du dit deffendeur a par nous este dit jugie et declare, que le dit Jehan Peris deffendeur est et sera tenu de vendre et delivrer au dit demandeur les diz 8 bales damandes et 3 bales de commin a lextimation et valeur, que valent amandes et commin presentement et communement en la diete ville de Broges, reservant au dit deffendeur son action et droit alencontre le dit Am- broise et autres si avant que droit et raison vouldront. En tesmoing etc. le 4. joar de Novembre anno LXVI.
Beilage 2.
Zwiſchenurteil in einem Prozeß zwiſchen der Ravensburger Gejellihaft md Genuefen über die Verfiherungsfumme für Waren. Brügge 1475 März 17.
St.A. Brügge, Memoriael van scepenencamere 1474—1475 fol. 10—12, zwei Konzepte, von denen das ältere ohne Datum.
Comme certain proces dasseurance ait este japiecha meu et pendant parderant les bourgmaistres et eschevins de la ville de Bruges entre Hans Linderhoven') comme compaignon et facteur de la compaignie de Josse Hompis de Ravesporch en Alemaigne demandeur dune part et Jehan et Augustin Dorie, Ottebon et Ansalde Lommelin, Real de Realis et Francisco Michiel pour eulx et leurs compaignons deffendeurs dautre part a cause de certaine somme de deniers,
) So lieſt das erite Konzept ftatt des in ber Zeile durchgeſtrichenen Namens Andries Zadebare, das zweite vollitändigere Konzept bat Anderhoven.
42 Schulte, Zur Geſchichte ber Ravensburger Geſellſchaft.
que le dit demander se dit avoir mis dispense et fraye pour le recouvrement tant des biens et marchandises chargies en la neif de Ochoa de Galindes asseurees que non asseures et de laquelle somme icellui demandeur demandoit aus diz deffendeurs pour leur part et porcion la somme de quatre cens livres ınonnoye de Valence pour une partie et leur part et portion de eineq cens unze livres quinze solz six deniers dite monnoye de Valence a loccasion du gast et empirance de pluseurs des dietes biens et marchandises pour autre partie. Ven le dit proces et eu sur icellui lopinion et advis des marchans de la bourse et considere tout, ce que faisoit a considerer en ceste matiere, les diz bourgmaistres et eschevins dient et declarent le dit proces estre deffectif, obscur et en tel estat, quil ne se puet jugier et decider diffinitivement et pour ce ilz appointent et ordonnent les dietes parties a escripre de nouvel par brieves memoires a leurs fins et conclusions par ung volume et.a ceste fin leur seront baillees et delivrees les copies de leurs eseriptures tant dun coste que dautre, lequel demandeur sera lenu en ses escriptures de mectre et declarer par bonne et vraye declaration la quantite et qualite de tous les biens, quil avoit chargiez au dit navire de Ochoa de Galindes taut asseurez que non asseurez et aussy empirez et non empirez saucuns en y avoit et semblablement les fraiz, missions et despens, que le dit demandeur dit avoir este fait pour le recouvrement des diz biens et marchandises, desquelles escriptures les dietes parties seront tenues de furnir le lendemain de quasimodo prochainement venant, et ce fait elles seront tenues de changier leurs dictes escriptures et de baillier additions, silz veulent et bon leur semble, et de y jeindre toutes lettres, certifications, instrumens, munimens et autres chses, dont elles se vouldront aydier tant dun coste que dautre, endedens quinze jours apres ensuyvans, pour le tout veu les appointier par droit ou autrement, ainsy quil appartiendre par raison, et que neantmoins les diz deflendeurs seront tenus de namptir es mains de justice Ia somme de quatre cens livres dite monnoye d® Valence a cause des despens, frais et missions faiz pour recouvrir les biens chargiez en la diete neif de Ochoa de Galindes, chascun pour rate et a lavenant de la somme par luy soubscripte en la pollice de la dicte assecurance, laquelle somme icellui demandeur pourra lever en baillant bonne et seure caution de rendre toute la diete somme ou partie dicelle par ainsy que en fin de cause ainsy soit dit et faire se doye, les despens reservez jusques en diffinitive. Actum et pronunciatum 17 Mareii anno LXXIII, presentibus Barbasnen, Sire Paule, Deckere, Ahbinsvoorde, Luts, Ronden.
Die Anfänge des Pietismus und Separatismus in Württemberg. Don Chr. Kolb, Tefan in Yubrigeburg. Gchluß.)
III. Der MWergang zur Toleranz von 1715 ab.
Die eriten Schritte duf der neuen Bahn der Toleranz hat bie Calwer Kommiffion gethan, ihr wach der Oberrat. Dabei handelt es ſich um zwei entſcheidende Neuerungen“ Wegfall aller Gewaltmaß: regeln folgen Separatiften gegtaüber, die fi ftill ver- halten, und Duldung der Privatverfammlungen firdlicher Bietiften. So beginnt in der evangelifchen Kirche Württembergs die Auflöfung deſſen, was nod von nıittelalterliher Geſtalt an ihr haftete, es vollzieht ſich ein großer Fortſchritt ber Neuzeit entgegen.
Nur von einem Übergang zur Toleranz kann in biefen Jahren geredet werben. in unerwarteter und wirkſamer Wiberftand irm ent: gegen.
Die Darſtellung diefer Beftrebungen und Hemmungen bildet den Sauptinhalt dieſes dritten Teils. Kurz wird des Ediktes von 1743 zu ge: denfen fein, und anhangsweiſe mag eine Überſicht über die Verbreitung des Separatismus erfolgen.
Das Gutachten des Oberrats vom 14.16. September 1713 haben wir fennen gelernt (X, 234 ff.). Es muß dann Oftober 1714 aud ein Synodalgutachten erftattet worden jein.
Aufs neue wurbe bie Sache angeregt durch das Anbringen des
Oberrats vom 18. Februar 1715. Dasfelbe geht davon aus, daß der «
Sevaratismus allmählich im Abnehmen fei. In Calw 5. 8. feien, nach⸗ dem Gmelin und andere feiner Anhänger fi entfernt, die alte Mayerin aeftorben, die meiften Separatiften zur Kirche zurüdgefehrt. Barbili fei wieder aufgenommen, die wenigen in Göppingen und Murrharbt hätten fi refolligiert und zur Gemeinde begeben. Außer den wenigen in Stutt- gart feien faum mehr etliche im Sand übrig. Daher wünfcht der Ober: tat, daß jegt die remedia nach den Calwer Vorihlägen in ein General:
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reſtript gefaßt und öffentlich bekanntgegeben würden, damit der Sache vollends ein Ende gemacht werde, namentlich in dieſen puncto religionis weit ausfehenden Läuften. Durch äußerliche Gewalt, obrigkeitlihen Zwang, prägipitanten Eifer über der Reinigkeit der Lehre, zumal bei fo abjcheu: lichem Verfall der Heiligkeit und Unſchuld des Lebens werde nur ge: ſchadet, auch durch Auslafjung bitterer und harter Schriften, wie noch kürzlich zu Tübingen bei der theologiichen Fakultät etliche Disputationen contra Separatismum in gar ſcharfen terminis publice ventiliert wor: den. Nur dur Liebe fünne man etwas erreihen. Man habe gejehen, wie heilfam die Verordnung von 1711 gewirkt habe.
Im Duplifat dieſes Anbringens ift nun noch folgendes beigefügt:
Ob es angefichts der Thatfadhe, daß die zur Milde ratenden Calwer Vorſchläge vom Regierungsrat und gefamten Synodus approbiert jeien, dem Refpeft vor hochfürſtlicher Durchlaucht nicht zu nahe getreten sei, wenn ein einiger Theologus im Land und wenn er aud) primarius wäre, eigenen Gefallens und aus handgreiflicher ambition nur zur Statuierung feiner Autorität und Anfehens unter dem Prätert der Orthodorie und Eifers über der Reinigfeit der Lehre ſich unterftehen dürfe, in einer auf Beibehaltung der Ruhe und des Wohlftandes der Kirche im ganzen Herzogtum abzielenden Sache wider bie bereits in medio liegende ihm felbft gar mohlbefannte hochfürſtliche Refolution und conclusa una- nimia der vornehmften Kollegien in fürftliher Kanzlei, auch des geſamten Synodi, deſſen Mitglied er ſelbſt ift, und die projektierte Abfaflung vor etlihen Monaten ſelbſt approbiert hat, ſolche konträre, harte, gefährliche, zumal in ipso facto unbegründete, übel applizierte principia in publicis dissertationibus et seriptis zu fubminiftrieren und pro cathedra zu defenbieren, die das ganze wohlüberlegte und durch den Ausgang der Sache noch mehr bewährte Fundament von neuem wieder über den Haufen werfen und der Kirche des Landes an auswärtigen Orten nichts anderes als eine üble existimation und große bläme nad) ſich ziehen? Db dem: nad einem folden Mann das öffentliche Schreiben und Schmähen in Saden, welche alle Inftanzen durchlaufen haben und entſchieden jeien, nicht ein für allemal niederzulegen fein möchte? Das könnte geſchehen, wenn ein fürftliches Generalrejfript ausgelaffen und dadurch aller Welt das Gegenteil gezeigt würde.
Auch der Geheime Rat in feiner Sigung vom 25./27. Februar ſprach harten Tadel aus über die in der Schrift enthaltenen anzüglichen Erpreffionen gegen die württembergifche Kirche, als ob man in ihr falſchen Gottesbienft hege. Dem Reipeft des Fürften fei zu nahe getreten, bie ganze württembergiſche Kirche in große bläme verfegt, auch die Univer-
Tie Anfänge des Pietismus und Separatismus in Württemberg. 45
Atät Tübingen, als ob man dort von der Orthodorie abginge, ehr verfehreit gemacht und öffentlich proſtituierti), wie wenn im Herzogtum bisher den ihäblihen Irrtümern des Separatismus favorifiert, und nicht genug gefeuert worben ſei! Die Univerfität wird getabelt, daß fie nicht Zenjur an dem Buch geübt habe. Es wurde beichloffen, allen Buchhändlern den Debit der Schrift außer Landes zu verbieten und dem Verfaſſer Jäger jeine Übereilung zu erkennen zu geben.
Sodann nahm ber Geheime Rat die Anträge bes Oberrates inG Behandlung. Als zu erftrebendes Ziel wurde von vornherein bezeichnet: zu verhindern, daß nicht endlich nach dem Erempel anderer Länder aus der Kirhentrennung auch eine politiihe Separation entftehe. Auch der Geheime Rat billigt Die von Kommiſſion und Oberrat vorgefehlagenen geiftlihen und weltlichen Mittel, eignet ſich auch die ganze Beurteilung bes Separas tiömus an. Aus den Beratungen find nur noch einige Einzelheiten zu erwähnen. Den Vorſchlag eines Aquivalents für ben Zehnten erfannte aud) der Geheime Rat ald angemefjen, hielt aber die Schwierigkeiten für unüberwindlicd namentlid) wegen der Patronatspfarreien. Daß, wie das Synodalgutachten noch beigefügt hat, unter dem Gottesdienft auslaufende Separatiften als Turbatores mit aller Etrenge abgeftraft werben follten, wollte der Geheime Rat nicht ganz billigen. Das v. Leiningenſche Buch tonne auf ſich beruhen, da es weder bei den Separatiften noch jonft bes ionderen Eingang gefunden habe. Zulegt beſchließt der Geheime Rat, es jolte alles in ein Generalveftript gebracht werben.
In der That liegt nun das Konzept eines fürftlihen Generalreifripts vor in causa Separatismi vom März 1715. Der Inhalt ift im wejent: lihen folgender:
Ans Anlaß des von andern deutſchen Provinzen auch in dieſem Lande prepa: gierien neuerdings fogenannten Pietismi und zulegt noch weiter daraus erwachſenen Separatismi haben fich zerfchiebene, zum Teil gute, zum Teil ſchädliche Bewegungen in tn Gemeinden hervorgethan. Tadurd wurde das Ebift von 1894 veranlaßt. Her» nach find einige Trennungen ſowohl bier als namentli in Calw entftanden, daher das Edilt von 1706 — und bie Kommiſſionen nad; Großbottwar, Leonberg, Calw, Heruenberg*). Es Habe fid ergeben, daß zu ber in Galm vorgefhüßten innerlichen Überzeugung nichts anderes als das in allen Ständen eingeriffene Verderben bie Wurzel ei, befonder® in dem äuherlichen Kirchenweſen und Gottesbienft, dann unvorſichtiges Traftament ber zum Teil allerbings auch eigenfinnigen Leute. Nun bat ſchon bie Sprzialrefolution von 1741 Vorſchrit gegeben. Dieſes Dekret wird wörtlich wiederholt.
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N Bezieht fi vielleicht darauf, daß Jäger allein ohne bie Fakultät vorging und im Epilogus feiner Schrift Gott beionbers banft, daß er ihn vor bem Schwindelgeiſt bewahrt habe.
”) Man beachte, daß das Editt von 1708 gar nicht erwähnt wird. Man barf ireifeln, ob es je angewendet wurde.
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Die Calwer Kommifjion hat nun aber Anlaß geboten, namentlich ba jene Separa⸗ tiften anfangen ſich wieder zu näern, eine Generalinftruftion zu erlaffen an das gefamte Minifterium des Landes, zugleich aber auch am alle Stabebeamten, wie fie allerjeits mit dergleichen Leuten im privaten und Öffentlichen Verkehr progedieren follten.
Zuerft wird, um bie Reinheit ber Lehre zu erhalten, das Edift von 1694 noch einmal eingefchärft, namentlid) auch ber Fakultät, Auch follen die Studenten zur Lejung der ſymboliſchen Bücher und der alten Schriften vor denen ber neotericorum verwahıt werben. Nichts, was ben status ecclesiae im Land Betrifit, darf ohne Zeniur ger drudt werben, Keiner foll ſich unterfangen, bie darüber ergangene fürftlihe Verordnung publice zu ſyndizieren. Sodann wird 2, das in speeie contra Separatismum ers gangene fürftlihe Generalreffript (van 1706) betätigt. Auch vabei follen bie Geiftlichen unmanbelbar bleiben und weder öffentlich noch privatim bavon abweiden. 3. Als Grundregel der Behandlung wirb aufgeftellt: gegen ſolche, welde bloß den Mißbtauch ber Lehre, nicht bie evangelifche Lehre felbft zum Grund der Abjonderung nehmen, nur aus Irrtum ven der Beſuchung des äußeren Gottesbienfles ſich abſchließen, ihre Lehre nicht weiter bijieminieren, im übrigen ihre Seeligkeit ſich einen rechten Ernſt ſein laſſen, fol feine äußere Gewalt angelegt, namentlich follen feine Termine gefept werben zu ihrer Wiederkehr. Noch weniger follen fie mit Zivil- und leiblichen Strafen belegt werben und was bergleichen mehr if, wie in ber römifchen Kirche wiber ben Sinn und Gebot Chrifi zu geſchehen pilegt. Schön wird das alfo begründet: „Nach den prin- eipiis des 5. göttlihen Wortes, der alten Kirche, auch der ſymbollſchen Bücher, it bas Reich Gottes fein Zwang, jondern ein freiwilliges Neid, weldes von bem durch bie Erbfünde zu allem Böfen zwar gereigten, aber burd die in bem Werk ber Buße und Belehrung einmal ergriffene Gmabe Gottes in Chriſto Jeſu wieber zurechtgebtachten Billen des Menſchen im Geherfam des Glaubens unter viel Trübfalen und Berfud ungen von innen und außen erfritten werden muß.“ Solche Leute alfo find nicht zu überftoßen, ſondern fo fie anders ihren Jertum bei fi behalten, Feine neue Sefte ein- zurichten fuchen, noch Hoffnung ber Wieberfehr geben, baneben als treue und gehorſame Untertanen fi) auffüßren und zu ſolchen Abwegen etiva nur’ von fremben Jergeiſtern verleitet worben jind, follen fie neben bisheriger ernfter Etmahnung mit aller Mode: ration traktlert und toleriert iwerben. Durch ſolche gemäßigte Toleranz foll freilich der Irrtum felbſt nicht gutgeheißen werben. Aber biejer modus procedendi fei ſchon bisher von fo guter Wirfung gewefen, daß bie meiſten Separatiſten ad gremiun ecelesiae tevertiert feien, daher nicht zu zweifeln, es werbe ſolches malum von felbit ceffieren. Dann folgen 4. chen zu bem Zwech bies vollends zu erreichen, bie von der Galwer Kommiffion vorgefhlagenen remedia theologiea und spiritualia: Gebet zu Gott, daß er feine Kirche bei dem reinen Evangelium erhalten wolle, im Umgang mit ben Separatiften Liebe, Freundlichkeit, Sanftmut, Gebuld, eingedenk befien, daß in Gewiſſensfällen ſich nicht Bloß imperative verfahren laſſe. Cin jeder habe alſo bie allgemeine Regul ber menſchlichen Sozietät vor ſich zu nehmen: was bu willſt, bay bir die Leute thun follen, das thu du ihnen. — Ich denke, fon biefer eine Satz genügt zum Beweis, daß eine neue Zeit im Anzug if, bie der Humanität.
Ferner wird empfohlen theofogife Prubenz, „weil es zu unſerem Mipfallen fi, ergeben, welgermaßen mande unter euch ministri ecelesiae bie unanfländige und ſchadliche Gewohnheit Haben, alles dasjenige, was nicht mit ihren Konzepten ober anz gemaßten formulis übereinfommt, ſogleich auf öffentlicher Kanzel für fanatiſch und ſchwärmeriſch auszurufen, wodurch allererft Irrtümer und Selten erweckt werben, wo vorher feine waren“, alfo wird verboten, ſolche Schmäbworte zu brauchen und geboten,
Die Anfünge bes Pietismus und .Separatiamus in Württemberg. 47
bie Zuhöret auf das lebendige Chriſtentum hinzuweiſen. Es ſei nicht leichtgläubig gleich alles anzunehmen. Die Irrenden ſeien zunächſt privatim zurechtzuwelſen, danı ſei weiter zu berichten. Da die Nachläſſigkeit und der anitößige Wandel mancher Prediger viel geſchabet habe, ſei befonbers barauf zu achten.
Tas Auslaufen umter dem Gotteöbienft an andere Orte iſt nicht zu bulden, doch wenn einer dann und wann einmal an einem andern Ort einen — aber ortboboren — Bfarrer hören will, iſt es ihm nach vorhergehender Anmeldung zu neitatten. Diejenigen Pfarrer, welche ſich nicht entblöben, richtige Lehrfäge guter Tpeologen wie Spener und Arndt auf ber Kanzel zu bekämpfen, werden bebroht. 5. Verbefjerung bes Katechismus: unterrichts. Dazu gehört aber beſondere Gabe ber Weisheit, projunde Mebitation, genaue Einſicht ber ganzen evanzellihen Okonomie, gute Crfahrung in ben Wegen bes Chriſtentums nebft leichter Methode und Lehrart. Vergleichen Hauptrequifite find wenig anzutreffen. Dieſem Dangel fann blog mit der Zeit abgeholfen werden. Taher ſollen die Prufefioren und ber Stiftevorftand darauf bedacht fein, wie das studium eatechisandi ex professo bei ben Stubenten getrichen werben möge, auch ihnen be: fondere Information geben, damit fie beim Glutritt Ins Prebigtamt diefes höchſtnötige gleichſam fubftantiale Stüd ihres Anits mit gutem Succeß treiben Finnen‘). Das Ashalten der öffentlichen Kinderlehre nicht bloß an Sonne und Zelertagen, ſoudern wo es Zeit und Gelegenheit zufaffen auch zu anderer Stunde, wird eingejhärft. Be: fonbers follen diejenigen Runfte, die in ber neu anfgelegten Kinderlehre expresse ein“ gerüdt worben find, grünblic und deutlich ausgelegt werben‘).
6. Was das Verhalten zu denen betrifft, die zum Separatismus inflinieren, je fol, wenn jemand ſich eine Zeitlang abfendert, derſeibe fogleid belehrt, und wenn c# nichts Hilit Bericht eritattet werben. Ganz befonbers bebeutfam iſt die Borfehrift über die Brivatverfammlungen: Dafernes außerdem fih da oderbortzu Privat: anfammenfünften ein und anderer zubem Guten wahrhaft erwedter Erelen und bisfreter Gemüter, bie ihr felbit zu prüfen und gu unter: fcheiden wiſſen müffet, ob fie es in ber That find, anlaffen wollte, Habt ihr foldes Vorhaben nit nlel für etwas VBerbädtiges anzu: fehen oder obiofer Weife für conventienla auszurufen, fondern deren Befhaffenheit vorher genau zu unterſuchen, ſelbſt darein zu geben, und, fo fie nah unferem Geueraledikt von 1706 qualifiziert, folge vielmehr zu beförbern ala zu hindern und Im Gegenteil wiber bie eonventicula der Gottlojen, fo zu reifen, Saufen, Fluchen, Unzucht und anderen Laſtern angefehen find, deſto ernftlicher zu eifern. Pfarrer und Tiafonen follen offen: bare Sünder nicht fo ſchlechterdings zum Belligen Abendmahl gehen laſſen, ſondern darüber mit ihren Oberbeamten fommunizleren.
Beil wir aber 7. erkennen, baf es mit biefem allem nicht ausgerichtet iſt, ſondern der Hauptfteln des Anftopes, nämlich bie Im Schwang gehenden offenbaren groben Sünden und after, annoch im Weg liegen bleibet, ſolches hingegen eine Sache ift, bie vornehmlich auf eine wahre Buß, Veränderung des Herzens und Demutigung vor bem grogen Gott als bem Richter alles Fleiſches in allen Ständen ankommt und ſich durch äußeres Gebot und Verbot allein nicht erzwingen läßt, ſondern durch eine zufammen: gefehte Kraft des Gebets von Gott erhalten werden muß, fo überlaffen wir demnach
4) Aug in dieſem Ctüd If man alfo nicht viel weiter gefommen als 3. ®. 1699 al. IN, 52 ff.
?) Die Ausgabe jtand mir nicht zur Verfügung.
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und refommendieren diesfalls einem jeden aud unter euch Billig feine Chriſtenpflicht täglich ver Gott auszuüben und gedenken auch unfererfeits . . . bie Notturft hinfüro ernſtlich vorzukehren.
Zunft 8 betrifft den modus visitandi (N, 235). Dann werden ben weltlichen Beamten bie remedia politica unb eivilia, ebenfals im Anſchluß an die erſtatteten Gutachten vorgefärieben. Dabei ift zu erwähnen: das Kepermaden, zumal ba es nicht einem einzelnen, fondern nur ber Gefamtfirhe zufommt, wird lege publica ver⸗ boten. Die, welde irgendwelche Schmähnamen brauden, werben für injurios ans aciehen, zuerſt um einen Meinen Frevel, hernach aber vom Oberrat nah Willfür beftraft. Gigentliche Irtgelſter aber, Läufer, Vaganten, falſche Apoftel, die ihr eigen Brot nicht eſſen, Fürwid treiben, in die Häufer ſchleichen, unmittelbare Etleuchtungen oder Infpi: ratlonen ſich anmaßen, auf die fol man Achtung geben, bie Wirte follen einen ſolchen notieren, das gemeinſchaftliche Oberamt ihn vorforbern, ausfragen mit Güte und Ernft, ihm das Handwerk legen und ihn, wo er fi fperren und nicht bram will, durch zwei ober brei ehrfame Bürger zum Thor binausführen laſſen mit Verbot bes Wiederfommens bei unausbleiblicher Strafe. „Dieweilen aber auch manche rebliche Seelen durch Leſung allerhand fremder und ſchädlicher Bücher, melde bei ber heutigen Freigeiterei allgu« nemein werben und ein jeder was ihm nur In den Sinn kommt, glei in bie weite Belt hinausſchreibt, auch ſich zuweilen gar umterftehen darf, feine eigenen Finfälle und jelbftgemäpßte Gebanfen vor göttliche Aufſchlüſſe und neue Offenbarungen zu bebitieren und anzugeben, ohne die Sade Oberen und VBorgefepten wie ja billig fein follte zur Prüfung und Zenfur vorzulegen, ober biefelben fonft mit einem chriſtlich gefinnten guten Freund vorher zu fommunizieren, in Irrtum verführt werben... ba es bann zuletzt nicht anders fein kann, als baß fo vielerlei Köpfe, fo vielerlei Glauben und Religionen es in der Welt abgiebt, ein jeder nur glaubt, was er will und feiner fingus lãren Einbilbung und Neugierigfeit anftändig if, . . . als gebenfen wie biefer Unorb- nung durch genaue Aufficht über die Buchläden Hier unb in Tübingen möglihft zw feuern u.f.f. Hinfihtlich des Begräbniffes der ſtillen Separatiften ſchließt ſich das Reffript ganz an bie Vorfhläge X, 286 an. Endlich werden bie motus und turbas machen ⸗ den, der Obrigkeit ungehorfamen, gar Propaganda machenden Separatiſten ernftlich bedroht.
Man wird dieſem Projekt die Anerkennung nicht verſagen, daß es ein großes Entgegenkommen der Kirche in Beurteilung des Separatismus und in Behandlung desſelben bedeutet. Es iſt von ſeiten des Staates der erſte Schritt zur Toleranz gethan. In der Geſtattung, ja Beförde— rung von Privatverfanmlungen geht ed noch weiter als das Reſkript von 1706 und ftellt jo eine Vorſtufe des Generalrefkripts von 1743 dar, ja es ift infofern jelbft noch meitherziger als biejes, als es feine Zahl der Teilnehmer feitfegt; allerdings wird eine beichränfte Anzahl ſtillſchweigend vorausgefegt. Das Heimatrecht des Pietismus in der Kirche ift hiemit gewäbrleiftet.
Warum ift das Projekt nicht zur Wirklichkeit geworden? Die Schuld, jedenfalls die Hauptſchuld tragen der Kanzler Jäger und Prälat Weiß— mann. Gie rieten ab.
Die Anfänge des Pietismus und Separatismus in Württemberg. 49
Jäger infonderheit hat zu Anfang bes Jahres 1715 eine Schrift herausgegeben unter bem Titel: Separatismus hodiernus sub examen vocatus, atque Donatismi superbientis Enthusiasmi delirantis atque Anabaptismi verbum et sacramenta blasphemantis convictus.
Im ber Vorrebe fagt Jäger: Unter ben Gründen, weshalb bie Geparatiften in diefen Landen Gunft oder wenigftens große Gelinbigfeit erlangt haben, ift nicht ber tepte, dah man meint, fie bemeifen große Frömmigkeit in Leben und Sitten. Daß die römmigfeit eines Schlsmatiters aber wahr und Gott gefällig fe, bezweifelt er. Natürlih, wenn wahre Frömmigfeit ba wäre, bann würbe, wer fie untertreten wollte, ber ewigen Verdammnis ſich ſchuldig machen. Wenn aber nicht, dann handeln die ſehr übel, welde zum Schug fo hartnädiger Feinde der Kirche einen folden erbichteten Egild vorhalten. Dann folgt ein Gebet: Du o Alerhöäfter, ſchaue mit gütigen Augen auf bein Wirtemberg und reinige es von allem falſchen Gottesbienft, treibe aus ben spiritum maledictionis, das iſt, den fanatifchen Geiſt, welcher unter dem Schein ber Ftommigkeit und befonderen Offenbarung graffiert, ba er boch in Wahrheit nichts anderes iR, als ein ſchwarzer Geift und Geh ber Verwirrung, aus dem ſchwarzen Sumpf der Hölle.
Nun Quaestio I.: ob jeder fraft göttliger Verpflichtung gehalten fei, biebeutigen Separatiſten daraufhinzu unterſuchen, vonweldem Geiſt fie getrieben werben? Aus 1. Joh. 4, prüfet die Geifter, folgert er biefe Wit für ale‘). Die Berufung auf ihre Früchte nad Matth. 7, 16 läpt er nigt gelten. Es feien eben feine wahren Früchte. Bon ber Demut Chrifti weichen fie jomeit ab, dab alle ihre Handlungen vielmehr auf Stolz und fleiſchlichen Übermut ger tüßtet feien. Ipsa separatio ab ecelesia est juxta Augustinum et Optatum Mile- vitanum grave peccatum et reum facit aeternae damnationis!! Daß ihre Irr- tümer nicht fundamental feien, giebt er nicht zu. Da beruft er fi auf ben divus Megalander Luther in feiner Schrift von 1625 an bie Ehriften zu Antorfj (Antwerpen). Luther fagt: „Wir haben unter dem päpftlihen Regiment mande graufame Verführung erfiten von ben Mumpelgeiftern oder PVoltergeiftern. Nun aber ber leidige Teufel fichet, daß fein Poltern und Rumpeln nicht mehr gelten will, greift er ein neues an, und poltert Heraus mit manderlei wilden, dunkeln Glauben und Lehren. Diefer will feine Taufe Haben, jener Iengnet das Saframent des Abendmahls, ein anderer fegt nod eine Welt zwiſchen biefer und bem jüngften Tage, etliche lehren Chriftus fei nicht Gott, etliche jagen dies, etliche das, und find feier fo viel Selten und Glauben als Köpfe, fein Rülg if jetzt fo grob, wenn ihm etwas träumet oder bünfet, fo muß ber b. Geiſt es ihm eingegeben Haben und will ein Prophet fein.”
Auch Heute, fährt Jäger fort, felen wenigftens drei Meinungen über die Taufe bei den Geparatiften; bie einen feien fo frech, das Beiligfte Unterpfanb bes göttlichen vundes für ein Schlangen» und Teufelsbab zu halten, andere halten es für eine müßige Zeremonie und fönnen faum bewogen werben, ihre Kinder taufen zu Laffen, andere, deiche als mild gelten wollen, fagen, man könne wohl taufen, die paar Tropfen Bafler ſchaben night. So fei es aud mit dem Abendmahl. Wer vestigia premit Lutheri fönne alfo nicht anders urteilen, als daß jener Gelft in ben Separatiften fel. Dann fommt er auf feine Lieblingeſentenz zurüd: wer im Alten Teftament jo etwas
') Damit will ex fein ummotiviertes Vorgehen beden. Börtt. Bierteljahräh. f. Landeägeih. R. 5. XL 4
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zu fagen gewagt hätte gegen das Saframent ber Beſchneidung, ber wäre verbrannt ober gefteinigt mworben !).
Quaestio II: Wieberheutige Separatismus aus feiner finfteren und [hriftwibrigen Methode könne erfannt werben? Gigentlid gebe es fo viel Methoben bei ben Separatiften als Köpfe. Er wolle diejenige Methode bar: Tegen, welde ber 5. Geift anwende in unſerer Unterweifung zum Heil Da entwidelt er kurz bie Föberaltheologie. Ganz eigentümlich ift aber nun die Behauptung, Gott Habe mit dem Evangelium ben 5. Geift unauflösli verbunden, fo daß es nun heiße Geiſt und Leben, Joh. 6. Ebenſo habe Gott aus Gnaben mit dem Goangelium ver: bunden bie zwei Saframente. Diefe Methoden verkehren bie Geparatiiten, wofür Jäger wieber Luther „von den himmliſchen Propheten“ zitiert.
Quaestio III: Ob und was ber Separatismus babe vonbem bona= tiſtiſhhen und novatianifhen Geift? Er findet biefen Geift in bem Tadeln der Fehler und Schäden der Kirhe und in der vorgeblien Helligkeit. Auch ba find ihm ber malleus haereticorum divus Augustinus und ber Doctor ecclesiae Mile- vitanus @ibeöhelfer. Unfere Separatiften haben eine erheblihe Zinktur aus bem Donatiemus und Novatianiemus, und weil Gott nichts mehr mißfilt, als Hohmut, fo können bie Separatiften Gott nit gefallen, Haben aud feine wahre Frömmigkeit.
Quaestio IV: Ob bie Wirkſamkeit von Wort und Saframent ab— hänge von bes Geiftlihen Frömmigkeit ober Unfrömmigfeit? Die Separatiften folgen hier den Spuren ber Donatiften, bes celeberrimus fanaticus Barclay und Weigeld. Die Argumente Jägers find die gewöhnlichen: der Troft von Wort und Caftament würde ja aufgehoben, niemand Fönnte ben Dienft eines Beiit- lichen mehr in Anfprud nehmen. Bileam muß natürlich auch herhalten. Daß ein uns würbiger Prebiger abgefchafft werden müffe, giebt Jäger dem Poiret zu, will aber ihn und feinesgleichen keineswegs als bie Wiebergeborenen anerkennen, welde zu Richtern berufen feien. „Welche Poiret zu Abepten hat, bie Madame de Bourignon und Jakob Böhme, reinen wir nicht unverdient unter bie erften Fanatiker, ja unter bie Betrüger, welche alererft abzufchafien und zu meiben find als pestes verae religionis!*
Quaestio V: Ob ber Separatismus etwas habe von dem fana— tifden Geift? Das bedarf nad I. gar feines langen Beweiſes. Maztmil. Daut mit feiner hellen Donnerpofaune*), welde fascinato hoc seculo bei vielen Glauben gefunden Hat, erweiſt ſich als Fanatiker, ebenfo Tennhardt: ob er gleich fid) den An- ſchein giebt, das ſeparatiſtiſche Lager verlaſſen zu Haben, Taboriert er fehr am enthu⸗ ſiaſtiſchen Wahn. Dann bie Leade, Bourignon, die Baberin.
Quaestio VI: Was von ben heutigen Zanatifern zu halten und 05 fie Verächter bes göttligen Wortes feien? Man fagt gewöhnlich: Die Separatiften leſen Gottes Wort fleißig, mehr als andere. Ja aber nur für Anfänger laſſen fie es gelten, bie Reifen brauchen es nicht mehr. Sie ziehen auch Bloß Beweife daraus für das innere Wort gegen das äußere, wie zu fehen in bem gan peſtilenzialiſchen Büchlein „vom inneren Wort", das o Schande frei in biefem Lande verteilt, oft ver— ſchentt, ba unb bort empfohlen worben Äft, da es bod nur Berführungstwort Äft, vom. Bater der Lüge entfprungen®), Dann fommt er barauf zu reben, daß Poltet, der Anter fignanus ber Fanatiter, eine neue Meinung ausgedacht Habe, um bie 5. Schrift ganz
1) Vgl. Jahrg. X. ©. 886. ®) 1710. Vgl. über Daut Theol. Real:Encyfl.? 4, ©. 502. *) Mir nit befannt.
Tie Anfänge des Fietismus und Ceparatismus in Württemberg. 51
vom Thron zu ſtürzen, nämlih daß Chriſtus in allen Menjchenfeelen wohne. In der Behauptung Poirets, daß jeber Menſch, auch ber Heide, Gott ſchon von Natur im Zentrum bes Herzene habe und daß es nur darauf anfomme, durch Überwindung des Söfen Prinzips im Menſchen biefes gute zum herrſchenden zu machen, erfennt und verurteilt Jäger bie Geftentmedng einer religio naturalis, welche beffer jei als die von ber Schrift gelehtte! Poiret in ja foweit gegamgen zu jagen, wer bie Im gentrum der Eeele leuchtende Wahrheit fucht, if ein wahrer Chriſt, wenn er auch den Bud: Raben bes Evangeliums nicht kennt. Alles außer biefem inneren Licht ift nur Beiwerk. Über Tennhardt fagt Zäger: Derfelbe Habe die Fußftapfen Weigels und Poirets ver- felgen wollen, aber als homo simplex unb angusti cerebri habe er fi nicht zu diefer Höhe auffchwingen können. Beigefügt find Gutachten über den Enthuſiasmus von Karl L von England, Luther u. a.
Quaestio VII: Ob und was ber heutige Separatismus vom Anar baptismu® babe? Inter pestes religionis merito suo referuntur Anabaptistae obwohl fie bet manden das Lob ber Frömmigfelt Haben. Die ſymboliſchen Bücher, welde jeber Geiftlihe fide juramenti unterſchreiben muß, haben bie Anabaptiſten als Keper verbammt, alfo können fie nicht fromm gewefen fein! (Soweit alio erftredt fich nad) Jäger bie Geltung der ſymbol. Bücher!) Keine Zrömmigfeit, bie nit aus bem oxthodogen Glauben ftammt, demnach feine bei ben Wiebertäufern! Die Anwendung auf die Geparatiften ergiebt ſich aus bem Hetrenbergiſchen (Reiningenfchen) Buch, in welchem der grumbeitle Betrüger und Autor fo weit in der Unverfhämtheit gegangen ift, unferer Kirhe mit ben biffigiten Worten vorzumerjen, baß fie pro Serenissimo Prineipe nostro instar Gideonis fortissimi‘) pro patriae salute exereitum educente bete. Bern fein anderer Grund da wäre, fo würde ber allein genügen, daß das infame Bad von Henkerohanden vernichtet und ben rächenden Flammen überliefert würbe, jene ober, welche das gifterfüllte Buch verbreiteten, mit einer bem fchweren Vergeben an: gemefjenen Strafe belegt würden. Der gegenwärtige König von Frankreich, welder in Regentenfunft und Kriensglüc in Jahrhunderten ſeinesgleichen nicht gehabt hat (Rub- wig XIV!!), habe das Bud von Santarelli?) duch den Henker verbrennen laſſen unb mit ewiger Infamie belegt. Und wir find fo frigidi in Verteidigung der Ehre unferes Fürften und laffen etwas bruden wie folgenden Cap aus bem Hervenbergifgen Bud:
„Merte es bu gottlofe Chriftenheit und ſonderlich bu leider! verfluchte Pfafferei, daß du öftere Buß⸗, Bets und Fafttäge, auch Betftunden anftellft und daran gewiſſe dazu gemachte Gebete anftelleft, daß Gott ihres gnäbigften Landesfürften Waffen fegnen, Etug und Sieg wiber ihre Feinde verleihen und mit Freuden wieber nah Haus bringen wolle*®). Wer ba ben gegen Gott, Kirche unb Fürften tumultulerenden Anas baptiemus nicht ſehe, fet entweder fataliter oder malitiose blind. Da I. Tim. 2, 1 Fürbitte befohlen ift für bie Könige, alfo auch für Nero, wen foll man mehr glauben, dem von Gott infpirierten Panlus oder einem von ben Furien ber Hölle gegen feinen Fürften gehebten Menſchen? Der akademiſche Senat verdiene Rob, daß er, ſobald er son bem verbrecherifchen Buche hörte, das Leſen besjelben bei ſchwerer Strafe verbot. Hätten alle folhen Eifer angewendet, dann wäre es nicht fo weit gekommen, daß 500 Gremplare, wie man fagt, verbreitet wurben. Daß die GSeparatiften z. B. noch ichlechter feien als Anabaptiften beweiſt Zäger aus ber Äußerung Sprengers vor dem
%) Gberhard Ludwig im ſpaniſchen Erbfolgefrieg. *) Traetatus de haeresi, Beflrafung der Fürſten durch geiſlliche Gewalt 1625. ®) Dal. X, 232.
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Konfifterium S. 106 und dem Verhalten des Maurers Steiner in Etuttgart. Auch ein fali Gerücht aus Galw muß ihm bazu bienen. Taceo horrenda alia quae sine gravi dedecore et macula patriae nostrae dieinon possunt. (Wahrſchein⸗ lich find die Stuttgarter Tumulte gemeint!) Im Artifel der Rechtfertigung vermiſchen die Separatiften Glauben und Werke. Tennhardt ſehe es als diaboliſche Lehre an, daß Chriftus für uns das Gejep erfüllt Habe, daß biefe Erfüllung uns zugerechnet werde, daß die gellebten Söhne Gottes noch fünbigen können. Geparatiften wie Anar baptiften verwerfen aud bie satisfactio vicaria, in quo articulo sola nostra salus stat!
Quaestio VIII: Was von ben Gebeten ber Separatiften zu halten? Züger giebt zu, daß fie Außerlid mit fehr großem fervor vorgebracht werben, Hält aber- doch nichts barauf, führt zum Beweis ben wohlbefannten Betrüger Roſenbach an, ber durch alle Glaubensartifel ben Geiſt ber dalſchheit und Heterodorie bewleſen, bem äußeren Habltus nach aber brünflig und auch berebt, wie viele in Württemberg ber zeugen können, gebetet habe. Unter anderen Beifpielen nennt er auch Cromwell ben- „Angliae Protector sed revera sanguinis regii proditor“; felbft Türken und Juden Fönnen beten.
Quaestio IX: Ob ber Separatismus etwas an jih habe vom Quäfer- tum? Dieſe Verwandtſchaft nachzuweiſen war Zägers Stedenpferb.) Gr meint man: fönne am beten aus ben Galwer Aften barüber urteilen, In Eßlingen hätten bie Kommiffäre faum irgend einen Typus bavon gehabt, nämlich was Zittern und Ronvuls fionen betrifft, freilich in Lehre und Praris viel was an bag Quäkertum nahe ftreife, wie Konventifel und Privatabendmafl. In Cal dagegen fei es viel weiter gegangen, unmittelbare göttliche Cingebungen und Konvulfionen feien ba vorgefommen. Einen eigentlichen Beweis vermag er freilich nicht zu leiſten. Dafür muß bie Baberin aus: helfen, welde von neuem wieber raptus, visiones et tremores hat‘), Die zutreffenbe natürliche Grflärung des Galwer Arztes von hyſteriſchen Erſcheinungen will er nicht ganz verwerfen. Doch viel lieber folgt er dem Kardinal be Bona, „welcher am römiſchen ‚Hofe wenige feineögleihen an Frömmigkeit gehabt hat“*), und Teitet folde motus und concussiones vom böfen Gelft ab. Die cana et sana antiquitas, biesmal burdy- Chryſoſtomus repräfentiert, gilt ihm auch Hier ald Autorität,
Quaestio X: Ob eine wahre und Gott gefällige Frömmigfeit fid- beiden Separatiften finde? Das if ja zu Anfang ſchon geleugnet worden, aber Jager findet es nötig, noch einmal den Gegenbeweis zu führen. Auch der Teufel Mann ſich ja in einen Engel des Lichts verftellen! Nun ftelt Jäger vier Spllogismen: auf, um zu bewelſen, baß bie Frömmigkeit ber Separatiften nicht aus Gott ſei. Er ift überzeugt, daß, weil biefe Shilogismen auf Gottes Wort gegründet find, weber ber Teufel noch feine Engel im ftande feien, fie aufzulöfen, geſchweige benn bie Bourignon- unb Tennharbt, welcher wie fie propria sanctitate tumet. Die Argumente Taufen. darauf hinaus: was micht aus bem Glauben geht iſt Sünde, nun haben aber bie Se- paratiften dieſen auf das Wort gegrünbeten Glauben nicht, alfo ift ihre Frömmigkeit Sünde!
4) Diefer Umſtand ift meines Wiffens nod nirgends erwähnt, Im übrigen. vgl. IX, 92.
3) Alfo dem römifhen Kardinal gewährt Fäger das Präbifat der Frömmigkeit, das er evangelifhen Separatiften weigert! Er ſteht damit unter ben Bertretern der Orthoborie nicht allein.
Die Anfänge des Pietismus und Separatismus in Württemberg. 53
Quaestio XI: Welches bie Heilmittel feien gegen ben unfeligen Separatismus? Jäger erwähnt, ba ber Synobus in biefem Jahre (es muß 1714 gemeint fein) beſonders bemüht gewefen fei, ſolche Heilmittel zu finden. Cr fel barin ‚Anftimmig geweſen: 1. baß man von Gott zunächſt alle Hilfe erwarten müffe, 2. dah vier Artifel, welche meift von ben Separatiften ins Treffen geführt werben, von ben Saimichen befonders behandelt werben follen. Wenn das von tüchtigen Geiſfichen aus geführt werde, dann werde in foro choro et toro bie erwünſchte Harmonie Hergeftellt werben. Gr fommt bann auf ben Rat, welden Tennharbt gegeben haben foll, ben Vottebienft zu beſuchen, wodurch er bewirkt habe, daß faft bie Hälfte ber Calwer Stparatiften wieder zur Kirche komme (X, 280), traut aber feinen Motiven nicht redt!). Beſonders deshalb, weil er tm feinem neu erſchienenen Buche ih auf unmittelbare söttlige Offenbarungen berufe, während feine Merkmale folder vorliegen, im Gegenteil Anzeigen ba feien, daß er einen ganz verruchten Betrug begangen habe. Endlich fragt @, ob, wenn bie Separatiſten jener Belehrung durch bie vier Artifel beharrlich wider ⸗ Areben, nicht Gewalt und Strafe anzuwenden fei? Ihm ſelbſt if das auf Grund ber Ecriſt, der Praris ber erſten Kirche, Luthers und ber Gutachten ber beiten Theologen gar nicht zweifelhaft. „Aber für niemanden ift es ſchwieriger, ein Urteil abzugeben, ale ‚für den Autor biefer Differtation, 06 praejudieiorum varietatem et intemperantiam, beſenders einiger Theologen im Norben. Daffov in Holftein Hält mich für einen Gönner der Pietinen unb befonbers Speners; von bem unreifen Urteil Nihents nichts zu jagen). Bei bem andern gelte ich für einen Kapitalfeind des Pietiemus, ber nidte als Blut und Mord atmet.” Zum Beweis bagegen beruft er ſich auf feine Leitungen als Kommifjär in Eßlingen, wo er bie fehr ſchwierige Geſchichte in wenigen Tagen wit Gottes Hilfe fo Ins reine gebracht Habe, baf niemand ins Eril getrieben fe, nier mand über Ungerechtigkeit ſich deſchwert Habe, aus bem Grunbe der Wahrheit und Ziete heraus gehandelt worben fei, kraft gebrudten Zeugnifjes®). Damit ftihelt er wohl auf bie Calwer Kommiffion.
Angehängt ift ein Bedenken der „vortrefflihen” Lüneburgifchen Theologen: ob einer Obrigkeit gezieme, die Wiedertäufer und andere Ketzer zum reiten Glauben zu dringen und, fo fie in der Ketzerei beharten, mit dem Schwert zu rihten? Dies Bedenken hat Urbanus Rhegius 1538 verfaßt, und zwar bejaht er bie Frage. Jäger ftimmt bei. Es fei feine Moderation, wenn man Kegereien frei graffieren laſſe. Eine driftlihe Dbrigfeit ſei in conscientia verbunden, die widerfinnigen und rebelliſchen Gemüter mit Zwangsmitteln zum Gehör göttlichen Wortes zu treiben, das fei äußerliche Pädagogie und fein innerliher Gewifjenzwang! Der Teufel fährt nicht von felbft aus bei leiblich Befeflenen, viel weniger von denen, welche geiſtlich mit Kegerei befeffen find.
Benn der Pietismus, zumal der feparatiftifche, Elemente latholiſch⸗ ascetifcher Frömmigkeit aufweiſt, jo enthält jedenfalls dieſe Beftreitung
) Den Erfolg der Ealwer Kommiffion mist alfo I. nicht ihrem Berbienfl, fondern nur bem Rat Tennharbts bei.
Bal. IX, 62 und 73.
”) BL. X, 29.
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ebenfoviel, wenn nicht noch mehr Elemente des fatholifhen Kirchentums. Kirhenbegriff und Beweisführung find ganz fatholifh. Kat Jäger feinen Standpunkt in dieſer Schrift geändert? Nein. Aber er ift doch ſchärfer geworben als früher. Er war durch und durch Kirchenmann, foweit fi ber Pietismus mit korrekter Kirchlichkeit verträgt, hat er ihn gelten laffen, aber auch nicht weiter.
Man braucht nur den von Hochſtetter verfaßten Kommiffionsbericht und biefe Streitfchrift zu vergleihen, um den Abftand zu ermeſſen, welcher zwei gleichermaßen auf dem Boden der Orthoborie ftehende, hervorragende mwürttembergifche Theologen trennte. In Jägers Schrift lebt noch ein- mal der alte Oſiandriſche Geift auf?), in Hochſtetter regt fi der Geiſt einer neuen Zeit. Bei der Kommilfion das Beftreben, den religiöfen Be weggründen ber Separatiften gerechtzuwerden, bei Jäger ſchlechterdings feine Fähigkeit und Willigfeit, außerhalb der orthodoren Dogmatik eine evangelifhe Frömmigkeit anzuerkennen. Bei ber Kommiffion eine milde Sprache, bei Jäger, fo wenig man, ſachlich betrachtet, feiner Kritif eine gewiffe Berechtigung und Begründung abfprehen wird, doch verlegende Form, leidenſchaftliche Schmähungen. Bei der Kommilfion jeelforgerlihe Barmherzigkeit, welche Verirrte gewinnen, Zwang nur im Notfall an— menden miöchte, bei Jäger nur Zurüdftoßen und Verdammen und die nadte Rechtfertigung meltliher Gewalt. Ja mit der religiöfen Piycho: logie und der ſuchenden Hirtenliebe fteht diefes Kirchentum auf ge: ipanntem Fuß!
Und doch märe es falſch, beshalb an Jägers Frömmigkeit zu zweifeln. Jäger hat es felbft ausgefproden, daß in feiner Familie Arndts Poſtille das erfte Buch nach der Bibel fei. (Gegen Poiret, der ihm vor: warf, er habe Lukas Dfianders Katheder und Geift geerbt, des Mannes, der Arndt verflude, nimmt er freilid Ofiander fehr in Schub.) Man leſe das jelige Ende feiner jungen Tochter wie es Mofer beichrieben hat
Y) Nicht umfonft führt Jäger am Schluß feiner Tiffertation Nova purgatio animae post mortem excocta in cerebro Mad. Bourignon et Petri Poireti, extracta ex fumo infernali etc. 1716 cine Reihe gratulierender Diſtichen auf, beren 5 ihm als zweiten Ofiander feiern! Bezeichnend für feinen Stanbpunft ift auch fol genbes: Als ber Synodus am 8. Oft. 1715 bie Anfrage an ben Herzog richtete, ob nicht Andreas Adam Hochftetter zu ben Verhandlungen einberufen werben follte, ba ber mit dem Separatismus einigermaßen in Konner flehende Handel der Inspiratorum vorfommen werbe, unterzeichnete 3. bloß conditionate, fofern Hochſtetter bie Ehlinger Rezeßpunkte, vgl. X, 249, als fundamentum concordiae approbiere. Wieviel er fich auf biefe Elinger Friebensftiftung zu gut that, f. bie vorige Seite. Ich wage nicht zu beſtimmen, ob Yägers Vorbehalt auf den abfclägigen Veſcheid bes Herzogs mit von Einfluß geweſen if.
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(Altes und Neues aus dem Reiche Gottes VII ©. 58) und man wird den Eindrud bekommen, daß fie im Geift lebendigen Glaubens auferzogen worben ift.
Kein Wunder, daß das Erfcheinen diefer Schrift in hohem Maß Auffehen und Mißbilligung erwedte. Durchkreuzte fie doch gerabe bie Veftrebungen des Konfiftoriums und ber Regierung.
Wir jahen, wie tadelnd ſchon der Oberrat in feinem Anbringen vom 18. Februar 1715 fi) äußerte (IX, 77).
Es ift dann auch thatfächlich der Meplerifhen Buchhandlung in Stutt⸗ gart ein Verbot zugegangen, bie Schrift nad} auswärts zu verfaufen. Jäger empfand dies als eine große Schmad, er beſchwerte fi) fofort beim Herzog, daß feine Schrift — fo ftellte er es dar — fonfisziert worden fei. Darauf erging vom Herzog aus Ludwigsburg ein ſehr ungnädiges Schreiben an ben Oberrat batiert den 27. März. Dieſe Konfiskation diene zu nicht geringer Verkleinerung bes dem Jäger anvertrauten Amts. Weshalb fie ohne Vorwiſſen des Herzogs gefchehen ſei? Das ließen fi aber die Kollegien in Stuttgart nicht ruhig gefallen, die Geheimen:, die Regierungs- und die Ronfiftorialräte legten am 8. April eine umfangreiche Verwahrung ein. Da fie einen intereffanten Einblid in mande fonft weniger befannte Verhältniffe gewährt, fo gebe ich den Hauptinhalt wieder.
Die Näte hätten gewünſcht, daß Jägers Klagichrift mitgeſchickt worden wäre, damit fie Punkt für Punkt hätte beantwortet werben fönnen, ja fie wünſchen es nod, damit die Ehre zweier fürftlihen Kollegien, des Regierungsrates und des Konfiftoriums gerettet werde. Sie nehmen aber fo viel Gnade für fih in Anfprud als eine Privatperjon fie genieße, melde doch quoad offieialia von dieſen beiden Kollegien Befehle anzu= nehmen habe. Nachdem es aber dem Herzog gefallen habe, einen Termin von 8 Tagen zur Erkulpation anzufegen und ohne Mitteilung der Yägeri- ſchen Klagepunkte ihr Vorgehen gleich zu ahnden, geben fie Beſcheid:
Das Zägerfche Buch jei nicht konfisziert, fondern nur bie Debitierung besjelben außer Landes verboten worden. Der Beweis dafür wurde in bündigſter Form geliefert. Urfachen bes Verbots: 1. Jäger habe Gottes Ehre gefränkt, indem er die Calwer Sache, ba doch dieſe Gottes Sage fei und unter feinem Belſtand foweit gebiehen, baf das Übel fait gehoben, jet auf eine folde Art perftringiere, während er am Neujahrstag 1714 zu Tübingen auf der Kanzel über ben guten Effeft ihrer Berrichtung ben Roms miffären felbft gratuliert habe. Gr made gar feinen Unterfchled zwiſchen bem, was etwa noch Gutes bei dieſen Leuten fei, und bringe dadurch ſchwache Gemüter in eine Verwirrung, daß fie gar nicht mehr wiffen, was fie glauben follen. 2, Er verwerfe die Refolution von 1711, welde einen fo handgreiflich guten Erfolg gehabt, ba man das remedium der Zoleranz geübt, und bezeichne dies Mittel als ſchädlich und zur Heilung folder Krankheit als unzulänglih. Cr gebe Beifpiele aus ben vorigen Jahr: Sumberten an von den ſchärfften Ziviffitafen, bie doch in Gewiſſensſachen bekanntlich
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niemals gutgethan und allein für Rebellen und Aufrührer gehören, dergleichen aber biefe Leute offenbar nicht find. Alfo sindiciere Jäger fürflihe Verordnungen. 3. Er proftitutere bie württenib. Kirche außerhalb Landes in verfdiebenen Stellen. 4. Der innerlihe Rubeftand derſelben werbe durch foldes Schmähen mehr geftört als geförbert, 8 werben bie Leute, bie im Begriff find zur Kirche zurüdzufehten, Bloß wieder in NRücfal gebracht, auch bie Achtung und Yutorität der fürfligen Kollegien geihäbigt, inbem, was biefe nad; Maßgabe der fürſtlichen Refolutionen bauen und pflanzen, Jäger wieber einreiße und bie Hanb dareinſchlage wider Gebühr.
„Es tommt ihm bas als einem Professor academieus nidt zu, in Sachen, die das Regiment eines ganzen Lanbes betreffen, ſich zu melieren, maßen ihm bie Aufs fiht auf die Separatiften nicht anvertraut if. Für bie Verwaltung des Kirchenweſens in dem Land fol er biejenigen forgen laſſen, welden folde Pfiicht anbefoplen if. Benn er aber ale Generalfuperintenbent und Präfat zu Mbelverg in den Gpnobum tommt, ba hat er in Kirche nſachen gleich anderen Synobalen fein votum zu führen, wie er benm bei legt gehaltenem Synobo bie von diefem Kollegio, von ben fürftlichen Nöten und Kommiffären in ber Galwer Separatiftenfa—he vorgeihlagenen remedia theologiea und politiea ſelbſt mit approbiert unb biefelben für durchaus gut und heilſam angefehen*), anigo aber einsmals, zumal ba bie Sade mehr im Abnehmen als im Zunehmen fteht, feine Gemütsmeinung geändert hat und wiber alle Gebühr gleichſam Gefepe vorfhreiben wil, wie man gegen biefe Leute progebieren folle.*
Sole eigenmägtiger: und unvorfigtigerweife Herausgegebene Bñcher zu filieren fel aber ihte Pflicht, zumal ba periculum in mora. @in Profeffor ber Theologie, unb wäre er auch Kanzler, ſei verbunden, ſolche Schriften dem Konfiftorium zur Genfur einzuſchiden, kraft bes Statuts von 1601. Sie berufen ſich auf das Verfahren gegen Profeffor Müller 1693 (IX, 66). Cs feien noch jegt drei von D. Jäger ald bamaligem Profeſſor der Theologie an ben Direktor v. Kulpis erlaffene eigenhänbige Briefe bei den Aften, worin er fein fonberbares Miffallen an bes D. Müller bamaliger conduite bezeugt und punctatim meldet, wie cr ſelbſt dawider geweſen, daß D. Müller eigen- mãchtig mit felbigem Traktat fortfahre und wie wohl man auf feiten bes Konfiſtoriums gethan, daß man ihn bei Zeiten fupprimiert Habe. Auch werde D. Jäger nicht un ⸗ befannt fein, was ihm vermöge Befehls vom 3. Nov. 1692 occasione einer von ihm ventilierten Disputation von Chriſti hohenprieſterlichem Amt auf eine gleiche Art Hätte begegnen fönnen, fo er ſich nicht in einem auch in originali noch vorhandenen Brief an ben Konf-Rat D. Häberlin gegen dem fürfl. Konfiftorio erpfiyiert Hätten). Es fet das aud ben antecessoribus in officio, dem Kanzler Ofianber, bem Schwäher Zägers begegnet, daß man ihm bie Disputation de jure Patronatus, dem Kanzler Wagner, dah man ihm die Disputation de concordia Philosophiae und Theologiae (&. 3) auch biejenige de angelis an siut demonstrabiles e lumine naturae, wie aud de sabbato (f. cbend.), bie doch pure Gtreitichriiten waren unb ben innerlichen Zuftand des Landes und ber Kirche nicht berührt Hätten, nicht nur inhibiert, ſondern
1) Jäger war allerbings nicht ganz einverſtanden, er Bat feine Bebenfen geltend: gemacht und gewünſcht, der Herzog möchte jedes Einzelnen Gutachten einfordern. Aber eigentlichen Widerſpruch hat weder er noch Weißmann eingelegt, bie vota waren zu: fegt einftimmig.
N) €8 hanbelte fi) um eine Behauptung, welche dem Konfiftorium die Befürch- tung eingab, die Wahrheit der menſchlichen Natur Chriſti möchte aufgehoben werben. Bgl. IX, 72. Die Briefe fand ich micht.
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gänzlich Tonfisziert Habe. Desgleichen fei bem D. Müller als Kanzler ber Univerfität fein fogenanntes collegium pietisticum Fonfißgiert worden‘). „Denn, gnäbiger Fürft und Herr, wo würbg es binfommen, wenn man einem jeben Professori theo- logiae ober juris ohne Diftinftion erlaubte, nad feiner Wilfür in bie weite Welt hinein zu ſchreiben, aljo baß ber eine das Kirhenregiment, ber anbere ben politischen Stand tarleren dürfte. Fürwaht, e6 würben zulept alle Aftionen ber Regierung dem oͤffentlichen Urteil und finbicieren eine® unruhigen und von ber Sache ununterichteten Warmes unterworfen werben. Wenigſtens hat niemals fein Profeffor zu Tübingen, weber bei ber theologiſchen noch bei der juriſtiſchen Fakultät, dergleichen Freiheit im Schreiben, folange bie Univerfität ſteht, fih angemaßt als biefer D. Jäger. Zutheuerft iR bem Delan einer jeben Fafultit zu Tübingen vermöge ber alademiſchen Statuten erlaubt, feinen Kollegen Disputationen und öffentlige Schriften nad) Geftalt der Sachen qu fifieren, weagalb denn biefen beiden Kollegin nicht!“
Die Räte Hätten allerdings gerne die Billigung ihres Vorgehens von felten des Herzogs abgewartet, aber es fei Gefahr im Verzug gewefen. Trotzdem babe Jäger ine Anzahl Eremplare biefer Disputation nad Leipzig und Frankfurt ſchiden laſſen, was, weil ben Statuten entgegen, eruftlich meritiere geahnbet zu werben. Es fei auch nit das eritemal, baß Jäger fo gehandelt Habe. Bor wenig Jahren Habe er nicht nur in bes Dr. Händel weit ausfehender, ben regierenden Markgrafen zu Ansbach an⸗ gehender Sache fi ungefragt eingelaffen, hernad aber ſich fehr wanfelmätig darin benommen?), fonbern auch in ber befannten Sache des Prof. Fabricius zu Helmftäbt ®). Bas es ba für Mühe gefoftet habe, ben von bem kaiſerlichen Hof bamals angedrohten, ſeht geſahrlichen Prozeß wieber zu fifieren, welcher zwar dem Bernehmen nad} nod; nicht aufgehoben fein fol, baher auch ehe er ſich des vermutet, noch manches zu ſchaffen geben dürfte, um der unnötigen und übereilten Erpreflionen willen von ber Religionsveränbes rung ber anigo regierenden Kaiſerin, bie er wiber alles Verwarnen propria autoritate und umangefragt in das erteilte responsum von 1709 hineingeſebt Habe!
Dag man mit dem Gmelin«einingenfgen Bud zu fanft verfahren fei, wie Niger anbeutet, beftreiten bie Räte, man habe ben Verfauf besfelben in der Meplerifcen Buchhandlung fogleich far verboten, ben Gmelin zum Land hinausbefördert. Das Buch Habe aber auch um feiner ſchlechten Realität willen jelbft bei Separatiften feinen Eingang gefunden unb niemand geſchadet. Das was Jäger von Galm erzählte (IX, 84), als ob bort eine Separatifiin nicht bloß verweigert habe, zu Gevatter zu ftehen, fondern gebeten, ihren Namen aus bem Taufbuch auszukragen, wird burd ben beigelegten Bes richt bes Helfer als Fabel erwieſen. Jäger Habe erſt neulih in einer Disputation de famosis fanaticorum erroribus bie Calwer eine colluvies genannt, da fie doch lauter ehrliche Leute unb gute Bürger felen.
Zum Schluß wird beantragt, es möchte zur Soplerung bes ganzen Streites das defte fein, wenn man num das Generalteftript ausgehen ließe. Beigelegt ift eine eigene Negenfion ber Schrift Jägers. Die hauptfäglicften Vorwürfe Jägers, befonders was
*) Fiſchlin Mem. theol. II 348 erwähnt ein Collegium Anti-Pietisticum manuser.
3) Üser ben branbenburgifchsansbadifchen Hofprediger Händel, ber wegen gügellofer Heftigfeit im Kerfer endete, vgl. Heinfius, K. Geſch. II S. 912 und Abelungs Lerifon.
) Eliſabeth Chriſtine, Enfelin Herzog Anton Ulrichs von Braunſchweig, über: ‚getreten unb vermäßlt mit Kaifer Karl VI. Fabrieius riet dazu in einem Gut: achten 1704.
"A.
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die Scheinfrömmigkelt ber Separatiften betrifft, werben zurüdgewieſen. Ich erwähne baraus nur noch, ba das Konſiſtorium von dem Erſcheinen bes Bücjlein® „vom inneren Wort“ feine Kunde hatte.
Jäger hat noch eine Beſchwerde eingereicht: er habe gehört, daß Negierungs: und Konfiftorialräte eine mit vielen Bitterfeiten angefüllte Schrift gegen ihn eingegeben hätten. Da man feine Verantwortung nicht gehört habe, jo möge, damit nad) feinem Tode fein Ruf nicht verkleinert werde, bie Schrift nicht bei den Aften bleiben. Sie ift dennoch darin belaffen worden. Aber was Jäger beabfidhtigte, hat er immerhin beim Herzog erreicht, das Generalreffript von 1715 blieb Projeft. Der Ein- ſpruch, welden er und Weißmann erhoben, hatte jo viel Gewicht, daß die Konferenzräte den Herzog beftimmten, feine Zuftimmung zu verjagen. Vol. unten.
Es ſcheint übrigens von oben gar feine Antwort erfolgt zu fein. Drei Jahre nah einander bat der Synodus um eine Rejolution. So 4. Dezember 1715: e8 möchte eine Refolution erfolgen auf das Anbringen, aud die Verordnung von 1711 ins ganze Sand ausgejchrieben werden. Nah den Vifitationsberichten ergebe ſich merkliches Abnehmen der Se paratiften, im ganzen Generalat Dentenborf fei unter 80000 Seelen nit einer. Manche Häupter feien wieder gewonnen worden, andere hätten jchriftlid) angeboten, wieder in den Schoß ber Kirche zurüdzufehren.
Derjelbe Wunſch wird im Synobalanbringen von 1716 nieber- gelegt.
Ebenſo 1717, 10. Dezember: durch Zufprahe und Lindigfeit hätten fih viele leiten und weiſen laſſen, es möchte bamit fortgefahren werben. Auf das Anbringen möchte endlich eine Reſolution erfolgen, die In— fruftion für Stuttgart von 1711 follte in das ganze Land ausgeſchrieben werben.
Man hat die Bemühungen darum doch nicht aufgegeben. Im Synodus von 1723 haben Verhandlungen darüber ftattgefunden, aber man fonnte nicht eins werden. Infolgedeſſen erging, 10. Dezember 1723, an bie vier Generalfuperindenten die Aufforderung, ihre gutächtliche Auße— rung über das Edift und feine Veröffentlihung abzugeben. Sie follten das Edikt in feine andere Hände fommen laflen und nur ein und andere ihnen beigehende gute Gedanfen mitteilen; als Termin waren acht Tage gegeben.
Am ausführliciten und zugleih am feindfeligiten ſprach ſich Job. Tavid Friſch, Prälat von Adelberg, aus, 23. Tezember 1723.
Er rät davon ab, das Editt auslaufen zu laſſen, aus folgenden Gründen: 1. weil es gleich bei feinem Entſtehen von zwei tapieren Theologen, bem Kanzler Jäger und tem Prälat Weißmann, welch Iestever in praxi ecelesiastica versatissimus
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war, beibe aber in ber Separatiſtenſache zu Ehlingen ihre Terterität durchaus bewieſen '), für böchſt bedenklich angejehen und widerraten worben ſei. 2. Der Fürſt babe ſchon damals auf Abraten ber hochpreislichen Konferenzräte nicht zugeben wollen, daß es ad effectum komme, weil bie babei vorgelofienen Jrregularläten ihm einen wibrigen Konzept gemadht?). 3. Das Dekret von 1711 gebe fon genugfam Maß und Orbnung an die Hand, wie man mit ben Separatiften verfahren fol. Man follte ihm nur Seiler nachkommen. 4. Tas pro norma vorgeſchlagene Edikt von 1694 fei nicht zus ingli, bie Meinungen ber Separatiftien zu entbeden unb zu verhüten, weil es nur miber ben damals ſich hervorkehrenden Pietismus eingerichtet worden, ba hingegen der Separatiemus ganz andere und gefährliche Irrtümer mit fih führe. 5. Es fei falſch, wenn bie Galmer Kommiffion bie Beurteilung des Separatismns von ben Calwer Separatiften entlehne, bie feien weſentlich milder als anbere, nur eine Zeit lang in Verſuchung geſtanden umb haben ſich balb wieber begeben, man müffe den Begriff von den Biefigen Geparatiften nehmen?). 6. weil das Gbift den Separatismus nit aus tan genuinen fontibus ſchöpfe, ſondern aus dem, was bie Separatiften vorgeben. Der Zeparatismus ftamme aber unfehlbar aus fräftiger Verſuchung bes böfen Feindes, Furwid, Neugierigfeit, Ekelhaftigkeit, Verachtung bes alten guten Weges, Hocdmut, Gigenfiun, ungeitigem Eifer und bergleihen trüben Quellen. Die werben aber nit genannt, fondern immer nur ber Berjall ber Kirche, fo felbit im Komm.-Beriht. Das fei vorlängft bei den Tonatiften aud ber Fall geweſen, daher man fie auch Stanbaliften genannt! 7. Es ſei viel zu milde geurteilt, wenn feine Härefie fonbern bloß error in intellectu angenommen, ja fogar von guten Früchten gerebet werde und man nad, ihrem Tob ihren Wanbel Ioben folle. 8. Es habe in dem projeftierten Ebift ben Ans ihein, als folle alle Schuld auf bie liebe Kirche und ihre Diener geworfen werben, zu beiber Projtitution vor ber ganzen Welt. Tas leifte nur ben Separatifien Vorſchub. 9. Der Separatismus werde hingegen unbegrenzt toleriert‘), ganz anders als in dem Gift von 1711. Im dem projeftierten Editt werbe den Geiſtüchen Sei Strafe untere jagt, auf der Kanzel gegen fie zu prebigen, fie Schwärmer, Ketzer, Fanatiker zu nennen. Das vermag Ärif gar nicht zu billigen. 10. weil es bas Anfehen Habe, al wollen ber Hohen Obrigfeit in ihrer rechtmäßigen Befugnis circa sacra externa bie Hände gebunden werben, ba doch nach den Lehrſähen unferer Kirche bie media und remedia externa und paedagogica ihr zuſtehen. Cr wille wohl, daß das Reid Chrifti feine auf Blut und Berberben binauslaufende modos procedendi dulden Fönne, aber jolde, die auf Zucht und Erhaltung ber Orbnung abgielen. „Dahero ich nimmer fo frei wäre, gemäßigte Anlegung auch äußerliher Gewalt, Setzung gewiſſer Termini zur Erklärung, auch ben Gebraud einiger Eivilftrafen gegen bergleihen Abtrünnige und iterer der ganzen Kirche en parallele zu fegen mit dem antichriſtlichen Gewiſſens—
’) In Ehlingen handelte es fi gar nicht um Separatiften wie bie in Stuttgart und Calw. »gl. X, 249.
9) Über die Konferenzräte vgl. Spitier, Geld. des Geheimerat-Kollegiums, Ge, Werte XIII ©. 411. Bon ben beiben Konferenzräten war es eigentlich nur af Jriedtich Wilhelm v. Gräveniß, ber alles leitete. Wie konnte ſich Friſch auf ſolche reute berufen! Und was ſollen das für Irregularitäten fein!
) Der unterſchied iſt doch Bloß ein grabueller. Friſch kannte bie Stuttgarter Zepatatiſten aus feinen dortigen Ämtern. Und hatte denn Jäger bie Calwer beſſer beutteilt als bie andern Separatiften? gl. IX, 89,
%) IR gar nicht der Fall!
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zwang umb mit bem Blut- und Feuereifer ber katholiſchen Kirche! 11. weil er die in bem Edikt angegebenen geiftlihen und weltlichen Mittel nicht alle für praftifabel gefunden. Das Gebet ſel wohl nötig, aber es müßte gegen ben Separatismus ges ticptet fein, weil berfelbe uuferer Kirche den Untergang fo jehr brot als ber Antichrift! Liebe? ja, aber Eifer it auch Liebe, nur zürnende, und ſolche gehört ben Abtrünnigen! Sie barf ihrem Seelenheil nicht ſchaden, jonft wirb fie zu einer graufamen Liebe. Theologifge Prudenz? ja, aber eine foldhe, wie fie Friſch aus Bibelfellen zurecht: macht, namentlich eine ſolche, bie auf Scapha Scapha nennen fann und annehmen darf, was man von ben Separatiften vorbringt. Das aud nur feltene Befuchen eines fremben Prebigers will Friſch durchaus nicht geitatten, wenn ber eigene bie reine Lehre predige‘). Auch die andern remedia Hält er nicht für nötig. 3. B. das Predigen gegen Spener unb Arndt zu verbieten, fei ganz überflüffig, fein Minifter fei fo impubent *). Die Methode ber Katechlſation brauche ihrethalben gar nicht geändert zu werben, jie gehen bod nicht Hinein. Nicht müglid fe, wenn man anders dem Separatismus ernft= ti abhelfen wolle, fo viel Liebe und Geduld zu erzeigen, fie hätten jie num bei 20 Jahren mißbraucht. Nicht müptid) fei es, auch den Diskreten ihre Konvente zu geflatten, fie biffeminieren nur ihre Iretümer und bie andern mengen ſich unter bie Disfreten. Ein anftäubig Begräbnis fei ihnen nicht zu gefatten, ba fie ja felbft bie Kirche ver« Taffen, verläftern unb ihren baldigen Untergang herbeirufen. Den Nominal-Clenhus auf der Kanzel will er nicht verboten willen; baß mau einen eifernden Privatmann um eines ausgeftoßenen Kepernamens willen firafe, hält er nicht für recht, wenn er es nicht aus mutrwilligem Vorſatz zu ſchmahen gethan habe! Gelbft einer Auderung bes modus visitandi will er nicht zufiimmen, ba ber innerliche Zuſtand ber Kirchen Hlieber ſich doch nicht mit Gewißheit erfennen laſſe.
Seife) ſeinerfeits ſchlagt nun 7 geiſtliche und 9 weltliche remedia vor, durchweg ſcharfe Zuchtmittel, z. ®. bie ber Kirche zufommende Erfommunifation ber Apoſtaten, einen den Wieberfehrenden abzuforbernden Widerruf, ja felbft öffentlihe Kirhenbuße, Verbot der Konventitel, Gelbftrafe, Entziehung gewifier Privilegien, Verhängung ber Auswanderung, Begräbnis abgefonbert von ben Miigliebern ber Kirge, „de confis- eatione bonorum et exilio wil id) nichts fagen, dahin man doch nit mur bei ber erſten chriftlihen Obrigfeit gegangen, fondern von unferer württembergiſchen Kirchen: erbnung felbft Vorſehung getan worden iſte). Ihm wäre alſo and, biefe Maßregel nicht zu ſcharf!
Aus diefen Gründen babe er, Friſch, im Iepten Synodus, ba es zu einem votum nicht fommen burfte, nur wünſchen und Bitten Fönnen, um ber Ehre Gottes, Autorität des Herzogs und Wohlſtandes der Kirche willen mit Publikation des projef: tierten Reffripts behutſam zu fahren, ja lieber e6 ganz zu unterlaffen. Es fei nicht mehr am ber Zeit, vor 20 Jahren wäre es nötiger geweien*). Wie würden fich die lutheriſchen Fürften und Stände verwundern, wenn fie bie in ihren antifeparatiftifchen Editten verworfene Toleranz nun in Württemberg durch öffentliche Autorität eingeführt
*) Alfo auch wenn er noch fo hölzern und polemijch prebigt ?
YA. A. Hochſtetter bat ſich 1710 erboten, eine ſchöne Liſte aufzuftellen folder Leute, weldje verdammen, was fein gefunder Theologe je migbiligt Hat. Gr weit be- fonbers auf das Hin, was Hebingern widerfahren war.
) Nämlich in ber großen von 1559. Bgl. Reyiher:Eifenlohr I, S. 44.
+) Welder Widerfprug! Hätte es denn damals Friſch befürwortet? Ober Jager oder Weißmann ?
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fehen würben ? Alle möglichen Schredgeipenfter beſchwoöͤrt Frii herauf: man würde den Vorwurf des Indifferentismus erheben, die Widerſacher im Papſttum würden gloriteren, wern wir mit Duldung einer vierten Religien (sic!) uns in Gefahr ſetzen würben, ben mit fo viel Blut erftrittenen teuren Religionsfrieden zu verlieren! Die Reformierten Fönnten ſich ärgern, wenn man ihnen bie Toleranz verweigere, während fie viel mehr derſelben fähig wären (man hatte fie ihnen ja aber in Württemberg feit der Aufnahme ber Walbenfer und Refugies erzeigt und ging 1724 noch weiter!). Der Reihefistal ‚könnte dahinter kommen und es machen wie bem Grafen von Iſenburg⸗ Bübingen, welder fein Zolerangedift vi mandati Caesarei faffieren und revozieren, ja der Strafe bes Verluſtes des Drudereirehts gewärtig fein mußte‘), Wie würden bie Scparatiften ins Fäuſtchen lachen und triumphieren. So mande rechtſchaffeue Theologen unferer Kirche und treue Knechte Gottes würbe es in ihrer Seele betrübt madjen, wenn man das ganze Minifterium von oben bis unten fo erbärmlich benigrierte, als ungeſchidt, negligent und anſtöhig beſchriebe. Tie Gemeinden ſelbſt endlich würben verwirrt, wenn man fo vielen fapriziöfen Leuten publica autoritate verftattete, unfere Kirche, Predigt, Tauf und Abendmahl zu verachten.
Friſch war Jägers Schwiegerfohn, ganz eingeweiht in feine Theo: logie. Daraus erklärt fi) vieles. Sonft aber fann man nur bedauern, einen Dann, der fo ernft auch nad oben die Wahrheit zu jagen wagte und zu ben beften feiner Zeit zählte, jo engherzig, Meinli und ängſtlich zu finden. In feinem ganzen langen Gutachten auch nicht das leifefte Zugeftändnis, daß in den Schäden des Kirchenweſens ein Erflärungsgrund für den Separatismus zu finden fei, nichts von Mitleid, nichts von Ent: gegenfommen, feine großen Geſichtspunkte. Kürzer und milder, wenn auch nit unbedingt zuftimmend, fielen die Gutachten bes Prälaten Schmidlin von Maulbronn und des Propftes Knoll von Denkendorf aus.
Schmidlin (8. Dez. 1723) will dahingeſtellt fein laffen, weshalb das Edit · feinerzeit nicht veröffentlicht wurde. Ex erflärt, er refpeftiere bie gemachten Dispofitionen. Bie freilich die vorgeſchriebenen remedia spiritualia und politica alle ad praxin gebracht werben können, müffe die Zeit lehren. Zn wünſchen wäre, baß bie zu ger währenbe Toleranz nicht den Separatiften Anlaß gebe zur Vermehrung ihrer Anzahl, und daß das neue Katechiſations und Informationsvorhaben?) nicht eine größere Nubität bei der Jugend, namentlich unter bem Bauernvolf, nach fi ziehe.
Ahnlich lautet das Schreiben von Knoll, 8. Januar 1724.
Nach feiner Schwaqhheit erfenne er ſich für uufähig, einem ſolchen Cbift feine Frivatgebanfen beizufügen, werbe vielmehr allen Vorſchriften frifte inhärleren, ſowohl was das Traftament ber Separatiften als mas ben modus visitandi betreffe, „wie ich dann biefe beiden Stüde fon bisher felt meines 2Mjährigen Defanate» und General: rat6amtes aus eigenem Bewegnus unb Geriffenstrieb zu beobachten und zu üben mir äußerft angelegen fein laſſen, ba bie fogenannten Pietiften, auch Separatiften, mit aller
*) Der Graf Caſimir von Zenburg-Bübingen Hatte 1712 völlige Religions: freiheit gewährt. Der Reichsfiskal würbe wohl gar nicht eingegriffen Haben, wenn nicht Beder, den man fällhli als Urheber angab, von bem erflärten Pietiftenfeind Rauchbar wäre verffagt worden. Ritſchl, Geſch. d. Piet. II, S. 449.
2) Bezieht ſich das auf bie Konfirmation ?
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Gelindigkeit traktiert und zu traftieren amtlich befohlen, bameben zwar von einigen auditoribus al® aud pastoribus vor biefem contradietiones et exprobrationes, als ob ich durch meine amtlichen Beſcheide ihnen bie Hand Bünde, erlitten, in ben Bifitationen aber dem innerliden Seelenzuftand ber Auditorum ſowohl als ber äuger lichen Kirchendisziplin umb Verfaffung aufs gemawefte nachgeforſcht, mid aber jeberzeit mit ber Specialium, Pastorum und Auditorum depositionen und Nachrichten ber gnügen Iaffen müffen.”
&r hegt ben herzlichen Wunſch, Gott möge bie Maßregeln mit Erfolg fegnen, daß ſich bie Separatiflen enblid gewinnen Iaffen, aber eben fo ſehr ben, dieſelben mögten nicht den Reichtum gönlicher und Ianbesuäterlicher Güte zur Berhärtung, mehrerer Beratung ber Heilsmittel, Kirgenzugt und Kirchenordnung, gänzlicher Ge- ringfhägung, ja wohl gar Verunglimpfung und Verfolgung ihrer auch unſchulbigen und treueifrigen Seelforger mißbrauden, noch aud möchte ben Schwachen Anlap zur Lauigkeit im Gottesbienft als einem freien Mittelbing gegeben werben, bamit nicht biejer zur Auferſtehung ber Gefallenen gefehte Toleranzflein zufälligerweiſe zum Fall mandjer annoch Stehenden gerate.
Ohne Bedenken ſtanden alſo auch ſolche wohlmeinende Männer der Veröffentlichung des projeltierten Edikts nicht gegenüber.
Der Prälat von Bebenhauſen aber, Chriſtian Hochſtetter, Sohn und Nachfolger des ehrwürdigen Joh. Andreas, bleibt dem Geiſt bes Vaters und Brubers getreu‘). Er bezeugt feine Freube über das pro jeftierte Edift, weil es ſowohl der Art und Natur des Reiches Chrifti als auch unferer evangeliihen Religion ganz gemäß fei, auch der Lehre und Meinung ſowohl des el. Mannes Lutheri als der unverdächtigen und älteften mürttembergifchen Theologen. Auch erfordere es die Be Ichaffenheit des Zuftandes bei den Separatiften, daß in ber Zeit der ihnen gönnenden chriftlihen Toleranz treulih an ihnen gearbeitet und die vorgeſchlagenen Mittel zu ihrer Wiedergeminnung gebraudt werden. Er beruft fi auf die Erfahrung, daß durch biefelben bisher die meiften Separatiften wieder in den Schoß der Kirche zurückgebracht worden feien, alfo daß jest der Separatismus zu Tübingen, Leonberg, Herrenberg, Marbach, Großbottwar und an anderen Orten entweber ganz zeifiert, ober doch jehr vermindert worben. Insbeſondere feien die vornehmften Handelsleute zu Calw, die ſchon im Begriff geweſen, mit ihrer Habe, Gütern und Handlung zu emigrieren, wiedergebracht worben.
Nur einige wenige Stellen bes Ediktes merkte er an, die zur Ver— hütung von Mißverftändniffen geändert werben fünnten.
Warum auch jegt wieder der fo weit gediehene Plan fallengelaffen murbe, ift nicht auszumaden. Wahrſcheinlich bleibt, daß man höchſten
%) Tas Gutachten findet ſich nicht mehr bei ben Aften. Ich entnehme es einer handſchriftlichen Geſchichte des Separatismus von Prälat Abel auf ber Untverfitäte- vibliothet Tübingen, auf welche mich Pfarrer D. Boffert aufmerfam machte.
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Drts angefihts des Diffenfus der Prälaten und bes immer noch bebroh: lichen Charakters ber Separation fih zu diefem Schritt nicht entfehließen tonnte. Gleichwohl bilden diefe Verhandlungen die Vorgefchichte für das Shift von 1743, fie bahnen ihm den Weg und maden feine Entftehung erſt recht verſtändlich.
Allerdings ſchien es, als ob man noch einmal zu ſtrengen Maf- regeln zurüdgreifen wolle.
Daß nämlih der Separatismus immer noch als eine Gefahr für die Kirhe empfunden wurde, troß der verhältnismäßig unbedeutenden Zahl feiner Anhänger, das geht aus zwei Aftenftüden hervor, melde noch Hieher gehören. Konzepte, ohne Datum und Unterfehrift, können fie nur im allgemeinen eingereiht werben. Tas erfte ift ein Synobal: anbringen und kann nit vor 1727, felbft 1728 abgefaßt fein. Es ift gleichzeitig gegen das invaleizierende Papfttum und die Übergriffe des Salvinismus gerichtet. Die drei Feinde feien fo bebrohlich, daß es a tem- pore Reformationis in unferer Kirche nicht fo gefährlich ausgefehen habe, wie jetzt.
Bas befonders bie Geparatiften beirifit, fo wird beflagt, daß man weder mit Güte noch mit Ernſt bei diefen opiniateren Leuten etwas ausgerichtet habe. Mach den Delanatsberiähten feien gegenwärtig noch ca. zweleinhalb Hundert vorhanden. Sie Segen bie in Conf, Aug. Art. 8 verworfenen Irrtümer, ſelbſt wiedertäuferiſche, feien dem Stant gefährlich, weil fie demfelben präjubigierliche prineipia führen und allen guten weltligen wie geiftlichen Ordnungen tm Namen der Gewiffensfreißeit entgegen jeien. Daher fei ber Separatismus überall verboten worden. Da nicht alle aus böſer Intention bazu gelommen, fonbern mande aus Melancholie, jei befohlen worben, auis wildeſte mit ihnen zu verfahren. Man habe ihnen Zeit genug gelaffen, doch wollen bie allerwenigften wieder zur Kirche kommen, erft neulich hätten zwei feparierte Schweflern dem Spezial in Marbach erflärt: wenn fie noch nicht fepariert wären, würden fie es ieht Yun. Der Schein eines tHätigen Ghriftentums gebe biefen Leuten großen Bor« ſchub an allen Orten und made, daß auch anbere glauben, fie fönnen nicht fo unrecht kein. So aber werde bie Verführung fortgehen. Daher wird beantragt: nad) aber: maliger firgenfonventliher Vermahnung und Anjegung eines Termins von einigen Monaten gemäß ber Refolution von 1711 bie Widerfpenftigen zur Auswanderung anzuhalten, nicht als Strafe, fonbern zur Verwahrung anderer. Das zweite Anbringen, auch aus bem Synodus, kann auch nicht ſicher beftimmt werben, doch if es nach 1733, alſo nad dem Tod von Eberhard Ludwig abgefaßt. Diefer Regent war ja nicht für das Tolerangebift zu haben getvefen, aber auch nicht für bie ſtrengſten Maßregeln. Nun unter der neuen Regierung machen bie fchroffen Kirchenmänner einen ermeuteu Vorſtoß:
Seit etwa 40 Jahren beftehe ber Separatismus im Lanbe. Während vor etwa % Jahren ihrer etliche Hundert getvefen, ſeien es jeßt, nachdem mande geſtorben, manche weggegogen, noch ca. 200, welche doch einen Samen binterlaffen könnten. Konſiſtorium umb Synodus hätten von Zeit zu Zeit dagegen geeifert, man habe bie Schrift von Hoffmann veranlaßt (X, 382), aber ohne Erfolg, aud mit Liebe feien von ben Gelit: Ken nur wenige gewonnen worben. Anderer Orte habe man nicht fo lange gewartet,
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fonbern wie bie beiliegenben Edilte aller evangeliſchen Fürſten zeigen, kräftig vorgebeugt. Daher Habe auch der in Gott ruhende (sic!) Herzog Eberhard Ludwig die Inſtruktlon von 1710 (richtiger 1711) ergehen laſſen aber die Separatiften Hätten fi fo zu breben und zu wenben gewußt, bag man ihnen nicht Habe beifommen können. 8 habe aller- dings ben Schein, als fliehe es nicht aus böſem Grund. Daher mande für Toleranz feien, aber bie fubjignierten‘) müßten urteilen, baß buch folhen Geparatismus Gottes Ehre verlegt, unfere unſchuldige Mutter bie Kirche vor aller Welt proftituiert, ben Widerfahern die Waffen in bie Hanb gegeben, bem Indifferentismus Thür und Thor geöffnet werbe, er bringe Gefahr für die Seelen. Daher der Grund, wie gut er fheime, bed) böſe fe. Tarım follte man jept nicht länger zufehen, zumal ba biefe Leute durch Conf. Aug. Art. 8 und bie Kirhenorbnung bereits verworfen feien. Auch fei ihre Tolerierung bem Neichöfrieben zuwider. Auch bier wird das Beiſpiel des (srafen von Iſenburg erwähnt (f. 0). Was die driftlihe Liebe als Kennzeichen wahren Gfriftentums betzeffe, fo Hätten bie Unterzeichner aud Augen im Kopf und Tönnten nicht zugeben, daß wegen umgeitigen Toletierens eines und bes anbern Ab- trännigen 1000, 10000, ja 100000 Menſchen in Gefahr geitürzt werben.) Ahr An: trag geht dahin: man follte ein Generalreſtript ausgehen laſſen, wodurch geiftliche und weltliche Beamte angewiefen würden, biefe Leute zu ecouvrieren, die offenbar gewordenen noch einmal zu verwarnen, fie vor den Kirchenkonvent zu ziehen, die verführerifchen Bücher follten ihmen abgeforbert werben, bei Strafe ber Arretierung niemand zu ihnen ins Dorf hinein, fie ebenſo nicht Hinausgelafien werben zu andern. Im Ort felbit follten alle Konventitel verboten werben, auf bie unverführten Kinder und Weiber ber Zeparatiften ſollte acht gegeben, erftere fleißig zur Schule angehalten, widerftrebende Eltern geftraft werben. Gegen beharrliche Verächter bes GHottesbienftee ſollte man mit Geld und Leibesitrafen vorgeben, ihnen 3 Monate Frift geben. Aieberfehrenbe ſollten mit öffentlicher Kirchenbuße belegt werben, im Fall ihmen biefe zu ſchwer falle, könnten fie auch fo wieder aufgenommen werben, Ueber Eonftanter bartnädige follte bem Generalfuperintendenten umftänblich Bericht erftattet und zulept bie herzogliche Refolution abgewartet werben. Dabei behaupten fie noch, es Nege vor aller Welt zu Tage, dab fie bie Separatiften nicht übereilen und nad ber Strenge beftrafen wollten, weil fie bie Regeln chriftliher Liebe wohl fennten, in Chriſti Reich fel Fein Zwang, fie wüßten auch wohl zu unterfheiden zwiſchen evangelifher und römifcher Kirche, aber um ber Ehre Gottes willen?) und bes Wohlſtands ber Kirche und ber Verwahrung vieier Seelen feben fie fi genötigt, auf gewiſſe Fälle auch das compelle intrare mit mediis et remediis externis et paedagogieis zu brauchen. Es werbe baburd niemand zum Glauben gezwungen, nur zum Gebrauch ber Mittel!!*) Sie wollen keinen modus procedendi, ber auf Blut, Tod und Verberben hinauslaufe. Auch verzichten fie auf tie früher gebräuchliche Konfisfatton ber Güter.
Das Anbringen ftammt von Friſch, es ftimmt durchaus mit feinem Gutachten von 1723 (IX, 90). Soweit hatte man fi demnach von
3) Wahrſcheinlich der Synodus.
%) In mejorem Dei gloriam! Weſſen Devife fit doch das gemefen?
) Heißt das nicht geradezu eine unfittliche Prarie? Aehnlich ſchon Jäger IX, 85. Es liegt noch ein Konzept eines Synodalanbringens an Karl Alerander 1736 aus Frifch’® Feder vor, in melden er biefelben Grunbjäge bezüglich der Separatiſten entwidelt.
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den Wegen des projeftierten Ediktes von 1715 entfernt, daß man felbft dad Decouvrieren, alfo Inquifition, nicht ſcheute und, weil ein Reft obfti- nater Separatiften nicht zu gewinnen war, mit Gewalt der Sache ein Ende zu maden fuchte, aus Angft, die ganze Kirche könnte angeſteckt werben. Nun, das hier vorgeſchlagene Generalrefkript ift nie erſchienen, fo wenig wie das von 1715. Man kann fogar zweifeln, ob das An- bringen mwirkli gemacht oder ob e& beim Konzept geblieben iſt. Prak- tiſch wurden wohl meift die Grundfäge von 1715 befolgt. Rechtlich aber wurde das Refkript von 1711 als bindende Vorfchrift für die Behand- lung der Separatiften betrachtet. So verweift jelbft noch in den Ver- bandlungen über ben Rappiſchen Separatismus das Konfiftorium (Erl, v. 20. März 1787) auf dies Reſkript, es war freilih in den befanat- amtlichen und oberamtlichen Regiftraturen nicht mehr zu finden und mußte erft neu geliefert werben.
Die Kirche hat den Separatismus zu dämpfen vermocht, aber nicht zu überwinden, ein Teil ihrer Glieder ging ihr verloren. Die Zahl wurde freilich immer Meiner, aber ber feparatiftifche Geift ift nicht mehr erlofhen, unter der Aſche glimmte das Feuer weiter, bis es am Schluß des 18. Jahrhunderts eben durch Rapp zu neuen und noch mwilderen Flammen angefacht wurbe.
Während fo die Kluft zwiſchen Kirche und Separatismus nie ganz geſchloſſen wird, findet eine ftätige gegenfeitige Annäherung zwiſchen Kirche und Pietismus ftatt. Mitten unter ben heftigen Kämpfen, von welchen der zweite Abſchnitt zu berichten hatte, fproßt in aller Stille die Saat auf, welche Reuchlin, A. A. Hochftetter, Frommann und in feiner Weiſe doch auch Jäger in Tübingen ausftreuten. Die Reife der Magifter ging, num nicht mehr mit Beforgnis betrachtet wie vordem, vorzugsweiſe nad Halle‘). So geftaltete fi dann A. 9. Frandes Beſuch in Würt- temberg zu einem Triumphzug und führte zu einer vollen Verftändigung zwiſchen Tübingen und Halle. „Die Herren Profefforen haben fih nad
+) Als ber Stubiofus Bakmeiſter 1703 ein Subſidium erbat zum Beſuch bes orientafifhen Seminars in Halle, erhielt er es zwar, aber erit nachdem Hebinger bie Sedenten von Tatt niebergeflagen hatte. Datt behauptete, er höre Dinge von Halle, jo nit zu approbieren, es entitehe große Konfuſion. Hebinger entgegnete: er kenne de zu Halle, finde nidte gegen fie einzuwenden, ba Infltut fei fo zu fagen ein gtliger Giebanfe. Frande gehe bamit um, ein Seminar im BWaifenhaus einzuriten und einen Bibelfommentar herauszugeben. Jäger und Hochſtettet traten ihm bei.
Ebenſo 1706, Februar, als ber Stiftler Iſaak Andler reifen wollte. Es wurde barüber geſprochen, alles Taufe jept nach Halle und ba befommen fie allerhand opiniones. Beifmann und Datt, als echte ſchwäbiſche Partifulariften, behaupteten: das Reiſen tauge überhaupt nichts, bie jungen Leute könnten ihre Studien im Stift vollenden.
Mirıt. Bierteljahrä. f. Landeigefh. R.F. XI. 5
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gepflogener Konverſation alſo vernehmen laſſen, daß die praejudicia nun weggefallen feien und hinfüro zwiſchen Halle und Tübingen eine Kon— fonanz fein wird‘). Stand doch aud Jäger mit Frande in brieflichem Verkehr.
Was Spener gewollt hatte, ift gerade in Württemberg am eheften verwirflicht worden. Hier empfing die Theologie eine neue Befruchtung durch das Aufkommen der biblifhen Studien. Hier fand der Pietismus feine Vertreter meift unter den Geiftlihen und jo ging die Neubelebung der Kirche weſentlich von den Dienern ber Kirche jelber aus’). Beim Bürgertum und beim Landvolf fand der Pietismus einen gefünderen Boden vor ala an den Abelshöfen von Mittel: und Norbbeutihland ’). Hier endlih trug man dem Wunfche Speners nad den ecclesiolis in ecelesia Rechnung durch das Edikt von 1743, mweldes Privatverfamm: Tungen geftattet, freilih in der Beſchränkung, daß fie lediglih eine nit notwendige, nur nüßliche Ergänzung des öffentlichen und bes häus- lichen Gottesbienftes bilden follen*).
Die Entftehung diejes Ediktes genauer darzuftellen, fällt außerhalb des Rahmens dieſer Arbeit. Ich füge nur einiges, meines Willens noch nicht Veröffentlichte, bei.
Daß man mit der Abficht umging, ein derartiges Edikt zu erlaffen und zu diefem behuf Gutachten einholte, darauf läßt fließen ein um: datiertes, aber früheftens aus dem Jahr 1740 ftammendes Schreiben von Frifh über die Privatverfammlungen.
Als verboten betradtet er Komventifel von folhen Leuten, bie in einer be: fonbderen Verbindung miteinander flehen, Brubers und Schweſterkuß üben, etwa durch fremde Beſuche veranlaßt werben, mit Entdedung ber geheimen Bufände, Singen fremder von ber Kirche nicht geprüfter Lieber, wo ſtatt ber geiftreichen Gebete ber Kirche Herzensgebete geſprochen werden, wo bie Bibel gelefen wird aber nad) der Berleburger Erflärung, mit Hintanfeßung aller kirchlichen Ordnung. Diefe Konventikel önnen verboten, mit Geld, Gefängnis, Landesverweifung beitraft werben als Gott
*) Tholud, Geſchichte des Pietismus S. 42, 48.
2) Ich will Bier nur zugleih baran erinnern, baß bie Dichtung des Kirchen liebes in Württemberg eigentlich erſt mit ber Zeit bes Tietiemus beginnt. Bon Michael Müller war 39. IX S. 890 die Rebe. Hebinger, Frommann u. a. fehliegen ſich an, ſeitdem iſt der Strom geiftlicher Poeſie mie mehr ganz verſiegt.
9) Nur bie Frau v. Leiningen, das el. v. Gaisberg in Schödingen, ber Herr dv. Galsberg in Kleinbottwar, ein Baron von Stein in Mühlhauſen a. d. E. (biefer aus fpäterer Zeit) vertraten ben pietiftifchen Abel in Schwaben und zwar alle mit feparatiftiiher Richtung.
) Spener ging viel weiter, wenn er von ben Privatverfammlungen fagt: fallor aut haec sola ratio est qua ecclesiae consoletur, Lehte theol. Bedenken. Sekt. 23 ©. 180, vgl. auch ©. 132,
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aipfälig und dem gemeinen Weſen ſchädlich. Dahin gehe aud das Reiponfum ber theologtfcjen und jnriftifchen Fafultät zu Leipzig 1735, item die Lubeciſche Verortnung und das Bremer Mandat.
Das entfprigt völlig bem uns ſchon befannten Etanbpunft von Friſch. Aber auch er in num geneigt, anbere Konentifel zu dulden. Geflattet werben fännen Yerfammlungen, wo einige gute Freunde, guten Rufs in Lehre und Leben, unter guter Direftion an Sonn» und Feiertagen nah dem dfientlichen Gettesdienft zuſammen ⸗ Aemmen an unverbädtigen Orten, um bem lieben Gott mit Beten und Eingen ohne Aifeftation zu dienen. Nötig find auch ſolche Berfammlungen nicht, folange man freies exereitium religionis hat, daher man fie auch nicht überall aujfommen jäßt, z. ®. im Hannoveriſchen, Sächſiſchen, Nürubergiſchen find fie ernflich verboten. Aber man fann fie dulden, folange man nichts Unorbentlices entdect.
Befohlen werden kann chrigliche Hausandacht. () Yon ſolcher Hausandacıt babe der Herzog zu Gotha durch Gyprian ein beſonderes Vuch verfaffen iaſſen unter dem Titel: Hausfirhe zum Behuf ber Hausväter 1789.
Das Cbift von 1743 hat im weſentlichen dieſelbe Linie eingehalten,
Suden mir die vorangehende Tarftellung zu verwerten für ein ‚Gefamturteil über ben Pietismus, jo wie er wenigftens in Würt: temberg aufgetreten ift, fo gelangen wir vor allem zu dem grund: legenden Ergebnis: Die Differenz zwifhen Pietismus und Or thodorie ift nicht fo fehr eine dogmatiſche oder ethiſche ala vielmehr eine praftifh:kirdliche. Die Orthodorie der Hochſtetter, Vater und Söhne, der Hebinger, Reuchlin, Frommann und anderer unter: ſcheidet fi) nicht von der eines Weißmann und der fonftigen Gegner bes Pietismus und Separatismus. Aber es bereitet ſich die Unterfcheidung von Kirche und Religion vor. Wohl erkennen auch die Gegner bes Pietismus im Kicchenregiment an, daß es am chriſtlichen Leben fehle. Aber fie laffen es nicht auffommen, daß die Kirche felbft, „die unſchuldige Mutter“, irgendwelhe Schuld daran trage. Ihre Einrichtungen, reines Wort und Saframent, find vollkommen, da rum auch ihr Zuftand blühend. Neben diefen vortrefflihen Einrichtungen kann ber verberhte Zuftand des Lebens nicht in Betracht kommen, ift er doch nur Schuld der Gemeinde glieder, welche eben die vollfommen ausreihenden Anftalten der Kirche nicht oder nicht recht benügen. Die Mittel find an die Etelle des Zweckes, die kirchlichen Anftalten an Stelle der Kirche felbft getreten. Der Pietis- mus ift diefem Dogma von der Vollfommenheit und Eufficienz der gegen: wärtigen Geftalt der Kirche zu Leib gegangen. Er leugnet nicht die Be: Deutung ber reinen Lehre, aber er legt dieſelbe, ja noch höhere Bedeutung, dem frommen Leben bei. Er leugnet nicht, daß die vorhandenen An- ftalten ausreihen Fönnen zur Wedung und Erhaltung der Frömmigteit, aber thatſächlich bebürfen fie doch einer Ergänzung durch eine neue Form freier religiöfer Vereinigung. Gegenüber jener falfhen Selbft-
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genügſamkeit der Kirche, welche immer zu Stagnation und Tod führt, vertritt der Pietismus ganz entſchieden den Trieb der Fortbildung. Der gehaßte Chiliasmus, ftreift man ihm die rohen, finnlihen Vorftel- lungen ab, enthielt doch viel mehr Wahrheit als dieſe jelbftzufriedene Kirhlichkeit, er hielt ber Kirche vor Augen die Idee des Reiches Gottes auf Erden, d. h. einer univerfaleren Form bes Chriftenthums, als fie in den Partikularkirchen ſich darftellt, und einer vollfommeneren Durchdringung des Lebens mit dem Geift Chrifti, als es zurzeit der Fall war. Eben damit aber wird die Kirche auch von den unfruchtbaren, erbitternden und verknöchernden Lehrftreitigkeiten zurüdgerufen zu den Aufgaben des praf- tiſchen Chriftentums.
Eine folhe Weiterbildung war in ber That für bie evangeliſche Kirche geradezu eine Lebensfrage. So tiefgreifend nämlich die Umwandlung geweſen ift, welche die reformatoriihe Auffaffung im Begriff der Kirche felbft und ihrer Stellung zum Staat hervorgebradht hatte, das Verhältnis der Kirhe zum Einzelnen war nod nicht in den Prozeß biefer Im: ſchmelzung hineingezogen worden, fondern e8 war durchaus noch nad mittelalterli:römifhem Mufter geftaltet.
Diefelbe Kirche, melde Lehre und Recht Roms als Menſchenſatzung verwarf, melde mit Berufung auf die h. Schrift als alleinige Autorität fi davon freimachte, Hat doch, wenn nicht grundfäglic, fo thatſächlich von ihren eigenen Gliedern wieder dieſelbe unbebingte Unterwerfung unter ihre Feſtſetzungen geforbert; den Unterfchied des Göttlihen und Menſch— lichen vermifchend, hat fie für ihre ſymboliſchen Bücher Unfehlbarkeit, mande nannten es ſelbſt Inſpiration, beanfprucht, für ihre Kirchenord- nungen Unantaftbarkeit.
Diejelbe Kirche, welche alles auf den perſönlichen Heilsglauben ftellte, ift doch für die Maffe nichts anderes geweſen als eine Verſiche- rungsanftalt für die Seligfeit, in welcher man fi) um das opus opera- tum der fides historica und ber Beteiligung am Kultus den „Troft“ erfaufte. Nichts ift harakteriftifcher als die Klage der Döffinger gegen ihren treffliden Pfarrer Hartmann (X, 230 Anm. 2.): man befomme feinen Troft von ihm. Die fittlichen Vorausfegungen und Folgen dieſes Troftes waren über der Rechtfertigung vielfach ganz vergefien ).
) Mufer den in Teil 1 aufgeführten Zeugniſſen hiefür diene mır nod zum Verweis, was A. A. Hochſtetter im Vorwort zu feines Freundes Walliſer Rechtfertigung der Symbol. Bücher (vgl. Ig. N, 251) fagt: Wir trauern, fo oft wir das geiftlihe Ant verfchen, weil bie von dem Herrn erworbene evangeliſche Freiheit teilweije Im licentiositatem gezogen worben iſt, fo daß wir ben exteri zum Xergernis geworben find und ſcheinen ohne Gottesfurcht, ohne Geſetz meiftens zu leben, durch das leere
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Diefelbe Kirche, melde Freiheit von äußerem ftaatlihem Zwang in Sachen des Glaubens geforbert und erftritten Hatte, hielt doch den Ein: zelnen noch in kirchlichem Zwange. Dadurch geriet fie je länger je mehr in einen unerträglihen Widerſpruch mit fi ſelbſt. Sie zwang ihre Glieder jogar mit weltliden Strafen zum Empfang ber Gnabenmittel, während fie doch die religiöfen Vorausfegungen, unter welchen nad ihrer eigenen Lehre jene Gnabenmittel allein ſegensreich wirken fonnten, im Herzen ihrer Mitglieder weder erzwingen konnte, noch auch — verftand fie ih anders reht — erzwingen wollte. In der fatholifchen Kirche ift der Zwang nicht mit diefem Selbftwiberfpruch behaftet. Wenn aber eine evangelifhe Kirche einen äußerlihen Zwang ausübt in Dingen, welde ihr doch nur als Vethätigung des Glaubens Wert haben, dann ift das ein Stüd nod nicht überwundener römifch-mittelalterliher Auffaſſung. Hier if der wundeſte Punkt des ganzen damaligen Kirchentums, bier fegt die berechtigte Kritif bes Pietismus und feine auf Fortentwidlung der Reformation gerichtete Thätigkeit ein, hier die als Rückſchlag zu ver: ftehende Geringahtung von Wort und Sakrament und die Auflehnung gegen die Drbnungen der Kirche bei ben Separatiften. Das fehen wir am klarſten bei ben beiden Theologen, welche ihren Separatismus einiger- maßen wiſſenſchaftlich zu begründen fuchten: Schmoller und Bauer. Und da jener von der Kirche geübte Zwang aufs engfte verknüpft war mit dem Stoatskirchentum, jo ift erflärlih, warum fie die Berechtigung des⸗ felben beftritten und auf das Vorbild der erften chriftlihen Gemeinde zurüdgriffen. Das Staatskirchentum hat fih aud in Württemberg als ein zweiſchneidig Schwert erwiefen und der Kirche ebenjoviel Wunden ge ſchlagen, als abgewehrt.
Der Dienft, den der Pietiamus ber Kirche geleiftet hat, iſt demnach ein vierfader:
I. Die Überſchätzung der reinen Lehre ift auf ein nüchternes Maß zurück- geführt worden durch die Betonung bes religiöfen Lebens, durch den Rückgang auf die Schrift, als eine Duelle, deren Reihtum in ber DOrthoborie noch nicht erſchöpft ift, durch Forderung eines freien Spielraums in Behandlung ſekundärer theologiſcher Probleme').
TI. Gegenüber dem Glauben an die alleinjeligmadende Kirchliche In— ſtitution hat er die Forderung perſönlichen Chriftentums für die Geift-
Vertrauen verleitet, ber Glaube genüge, welchem ber Schmerz über bie Sünde nicht vorangegangen iſt und welder bie Herzen nicht reinigt, wie wenn durch das unver: gleigjliche Berbienft Cprifi den Sterblichen das Privilegium des Sündigens einge: äumt worben wäre!
*) Namentlich Hebinger ift warm für biefe proteftantifche Freiheit eingetreten!
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lichen, fowie für die Gemeinden wieder allgemein und nachdrücklich
geltendgemadit.
III. Gegenüber der Bindung aller Thätigfeit an kirchlich ſanktionierte Formen hat er der Mitarbeit der Laien wieder zu ihrem Recht verholfen und dafür die Form ber freien Vereinigung (Stunde — Verein) geſchaffen.
IV. Gegenüber dem von ber Kirche mit ftaatlihen Mitteln durchgeführten Zwang hat er Verzicht auf alle Gewaltmaßregeln in religiöfen Dingen (in feinen radikalen feparatiftiihen Vertretern Verziht auf das Staatskirchentum überhaupt) gefordert.
Auf allen diefen Punkten erſcheint die Kirche als dem Bann mittel: alterliher Auffaffung teils überhaupt noch nicht entwachſen, teils mehr ober weniger aufs neue wieder verfallen. Der Pietismus dagegen greift auf urſprüngliche reformatoriſche, in ber Folgezeit entweder nicht ent- widelte ober wieder verfünmerte Gedanken zurüd und führt eben dadurch ben Fortſchritt herbei.
Die geihichtlihe Bedeutung des Pietismus läßt fi daher kurz fo definieren: Emanzipation ber perfönliden Frömmigkeit vom Zwang der Kirche. Das orthodore Kirchentum fennt und duldet Frömmigkeit nur in den Formen der Kirche. Der radikal-pietiſtiſche Se paratismus erfennt Frömmigkeit in jedem Glauben und die Kirche erfheint ihm vielmehr als Hindernis wahrer Religiofität. Der kirchliche Pietismus ftrebt eine freie Verbindung beider an, wie das ja gerade in den Kon— ventifeln als Ergänzung der kirchlichen Anftalten ſich am deutlichſten aus: weiſt, mit denen der Pietismus überhaupt angefangen bat.
Was der Pietismus beginnt, das hat die Aufklärung fortgejegt und zum Abſchluß gebracht. Sie hat das geiftige Leben emanzipiert von ber Vormundſchaft der Dogmatik, überhaupt der Theologie, und hat die praf: tiſche Folgerung daraus gezogen, indem fie den Grundfag ber Toleranz durchſetzte. So beftätigt fih, daß der Pietismus der Aufklärung ver: wandt ift und ihre Vorftufe bildet, wie das ja aud) in der voranftehenden Darftellung auf mehr als einem Punkt erfichtlich ift.
Der Pietismus ift wirklich einer jener unmittelbaren Erregungen des religiöjen Lebens entiprungen, welche die erftarrenden Formen der Kirche erweichen, aus trägem Beharrungszuftand zur Fortentwidlung und Neubildung reizen, eine Fülle neuer Kräfte und Triebe entbinden. Frei— lich, wie jede geſchichtliche, an ſich noch fo berechtigte Bewegung, jo trägt er feine Schranfen und Schwächen in ſich ſelbſt. Die Verdunfelung der Nechtfertigungslehre, die Einengung und Verkümmerung bes fittlichen Ideals, das hochmütige Aburteilen und Sichabſchließen denen gegenüber,
Die Anfänge des Pietismus und Geparatismus in Württemberg. 71
welche man zur Welt redinet, die ungeſchichtliche Vorftelung von Schrift und urapoftoliihem Chriftentum und mas man fonft am Pietismus aus: zuſetzen hat, es finden fih dafür die Anfäge auch in den Anfängen des württembergifchen Pietismus, wenigftens wo er feparatiftiich gerichtet ift. Der Pietismus hat wohl neue Kräfte entbunden, aber der Kanal, in welden er fie leiten wollte, war zu eng, daher vermochte er nicht eine Erneuerung der Volkskirche herbeizuführen, falls er dies überhaupt ernftlich gewollt hat.
Anhang. Weitere Verbreitung des Separatismus.
Die Geſchichte des Separatismus weiterhin zu verfolgen, liegt jen: feits der geftedten Grenzen. Aber eine Überficht über die Verbreitung, welche er im Lande gewonnen hat, joweit die Quellen darüber Aufſchluß geben, wird nit unwilllommen fein.
In den X, 201 ff. genannten Hauptherden ift der Separatismus nit erlofhen. In einem Schriftftüd, wahrſcheinlich von Friſch, findet ſich die Angabe, daß er troß aller Konnivenz fortbaure, und zwar befonders in Stuttgart, Ludwigsburg, Kirchheim, Blaubeuren, Hirfau, Dürrmenz, Tübingen (Zeit nad 1740)’). Aber im ganzen ift er ftiller gemorben.
Daß die Calwer Separatiften großenteils wieder in den Schoß der Kirche zurüdfehrten, wurde ſchon oben erwähnt (X, 230). Weniger war dies der Fal in Stuttgart. Im Synodus 1715 konnte zwar berichtet werben, daß die Zahl auch hier abnehme und daß fie ftill und unärgerlich fih verhalten, daher man Gebulb haben folle. Damit war aber Weißmann, feit 1711 Prälat von Maulbronn, wieder nicht ein: verftanden, bie hiefigen feien bie ärgften, der Kalchbrunner immer noch ihr Antefignanus, ihre Konvente feien nicht zu dulden. Das Prädikat, das ihnen der Prälat giebt, wird beftätigt jogar dur Tennhardt! Die Stuttgarter Separatiften hatten brieflide Mitteilung erhalten über die Ratſchlãge zur Wiedervereinigung mit der Kirche, welche Tennharbt in Calw — auf Eingebung von oben hin — erteilt Hatte (vgl. X, 230). Sie waren aber gar nicht geneigt, darin eine Stimme Gottes zu erfennen, fie begegneten ihm mit Mißtrauen, als ftammten dieſe Eingebungen von KRonfiftorialräten her, widerſprachen ihm, betrachteten ihn als Heuchler und fchrieben entrüftet über ihn nach Marienborn (an Rod?). Als er nun nad Stuttgart Tam, fagte ihm der Herr im Geficht: Siehe, ich will bi) gewarnt haben, daß du die hiefigen Separatiften nicht traftierft als wie die Calwer, denn fie haben harte Köpfe und verftodte Herzen, bu
) Handſchrift der K. Unio.⸗Bibl. Tübingen.
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würdeſt nichts unter ihnen ausrichten! Zwei Frauen Eehrten, als er ihnen das Gefiht erzählte, zur Kirche zurüd. Die eine fei bei Anhörung feiner Erzählung blutrot geworden und habe befannt: er hats erraten, Herr Tennhardt!).
Konventikel in Gartenhäufern unter währendem Gottesdienft hielten fie noch 1719, ihren Vorfteher und ſämtliche Namen anzugeben erhält der Dekan 1721 Auftrag; ob man in ber Predigt nad einer Separatiften- leiche eine Erinnerung thun folle, fragt er 1724 an. Bon 1730 ab, für welches Jahr der Pifitationsberiht 22 Mitglieder angiebt, ift eine dauernde Abnahme zu beobachten. Man verfuchte zwar, fie herumzubringen, aber nur durch gütliche Unterredung, im übrigen ließ man fie laufen. Damals wird noch ein Schneider erwähnt, welcher anabaptiftiiche Prinzipien hegte, die Nabel verachtete und Propaganda trieb; besgleihen ein Modift Reutter, welcher bei der Leiche der Separatiftin Mayer an bie Umftehenben öffentlich eine Rede that (1750). Seit den vierziger Jahren finkt bie Zahl auf ca. 10 herab, fie halten ſich ſtill, verſuchen auch feine Anhänger zu gewinnen, von Konventifeln ift nicht mehr die Rebe. Um 1781 ift noch einer vorhanden, aber auch biefer trogt dem Zureden bes Dekans noch. 1790 weift der Viſitationsbericht feinen mehr auf.
Vorübergehend ift ſchon ber Name des Mannes genannt worden, der fpäter weit über Württembergs Grenzen hinaus als Separatift und zwar theofophifher Färbung — er war Böhmift — befannt wurde. Es ift der praftizierende Arzt Dr. Kayſer. Schon als er 1709 bei dem Land und Erbprinzen Friedrih Ludwig in Turin weilte, beantragte das Konfiftorium, ihn wegen feiner gefährliden Opinionen aus ber Umgebung besfelben wegzumeifen. Später ift er das Haupt der feparatiftifchen Gemeinſchaft geworben und zugleich litterarifch einer ihrer gewandteften, gelehrteften und ſchärfſten Vorkämpfer. Wieberholt hat das Konfiftorium mit ihm zu thun. Es unterfagt ihm 1717 feine Konvente: er ſoll zu Haus beten. Man fordert ihm eine Erflärung ab; Urlsperger foll einmal ex improviso fold einen Konvent beſuchen und darüber berichten. Er bat fih 1721 zu verantworten vor dem Delan, weshalb er unerlaubter Weiſe Konventifel halte, jelbft während des Gottesdienſtes, auch außerhalb der Stadt, und verbächtige Bücher austeile. Er fol verwarnt werben, ba fonft unbeliebige Ahndung erfolgen würde. Als Verfammlungsorte werden nun genannt Feldſcheer Möglings und Leberbereiter Roſers Haus.
*) Gefammelte Schriften II: Warnung wegen unnötigen Separierens 1718 und Klemm, Zeitſchrift f. hiſt. Theol. 1869, ©. 149 f. Tennhardt ift von Hofprebiger Hoch⸗ fetter freundlich aufgenommen worden, berfelbe erwirfte ihm Schutz für feine Reifen im Sand.
Tie Anfänge bes Pietismus und Ceparatismus in Württemberg. 73
Kayſer felbft hat auf dem Sterbebett feinen Frieben mit der Kirche gemacht. Ich bin in der Lage, über diefen Schritt, deffen Ritſchl, Geſch. d. Piet. II 130 nad) Angabe von Ötinger Erwähnung thut, nad dem Driginalberiht Mitteilung zu maden. Der Pfarrer zu St. Leonhard, Spittler, beſuchte ihn, den bald neunzigjährigen, vom marasmus senilis befallenen Greis und fand Eingang bei ihm. Am 30. Januar 1765 wurde er unvermutet gerufen, dem Kayfer bas heilige Abendmahl zu reichen. Auf die Frage, ob er es nad dem Sinn und ben Lehrfägen unferer evangelifhen Kirche empfangen könne und wolle, antwortete er — „prae- sentis animi und sui compos“ — Ya. Auf die weitere Frage, wie er das mit feinen vorigen Meinungen, die er im Drud gegen unfere evangelifhe Kirche geäußert, reimen könne, fagte er nur: das laffe ich gehen. Spittler bejaß Paftoralkluggeit genug, dem alten Manne nicht einen förmlihen Widerruf vor Zeugen abnötigen zu mollen, er fragte ihn zwar, ob er dasjenige zurüdnehme, was er gegen die evangelifche Kirche geichrieben, da aber Kayfer diefelbe Antwort gab wie zuvor: „das Taffe ich gehen“, fo begnügte fi Spittler damit, baf er eine Retraftation feines Separatismi ipso facto durch das heilige Abendmahl habe vor- nehmen wollen. Spittler ſelbſt nennt ihn einen mit vieler Einfiht und Belefenheit begabten Theologus mysticus. Doc konnte fi ein Ver— wandter, der in biefer Kranfheit um ihn war, nicht enthalten, ihm ins Geſicht zu fagen, daß er nod weit von feinem Eigenfinn und feiner eigenen Gerechtigkeit herab müffe.
In ber Herrenberger Gegend befteht der Separatismus ebenfalls fort. Im Jahr 1718 fragen Dekan und Vogt an, mas mit den immer noch halsftarrigen Separatiften in Stadt und Amt zu machen fei. Vom Gottesbienft hätten fie fich ganz abgezogen, verachten h. Schrift, Predigtamt, entheiligen Sonn: und Feiertage, halten Konventikel. Das alles trotz neuen, auf Grund des Synodalrezeſſes 1717 veranftalteten Verhören. Es wird ihnen ein wiebertäuferifher Geift nachgefagt. In Bondorf war es 1718 zu fchlimmen Händeln zwiſchen Pfarrer und Schultheiß einerfeits, den Separatiften anbererfeits gefommen. on beiden Seiten wurden hitige Reben geführt, ſchließlich warf man die Separatiften ins Gefängnis und ließ fie fünf Wochen darin liegen! Beide Parteien wurben nad) Stuttgart citiert. Im Verhör vor dem Konfiftorium mußte der Pfarrer manche leidenſchaftliche Außerung eingeftehen. Endlich kam ein Vergleich zu ſtande; an den nicht unbedeutenden Prozeßkoſten hatten beide Teile zu tragen. Schon 1719 mußte man aber aufs neue vermitteln.
In Hildrizhaufen meldet ein langjähriger Separatift feinen Sohn mit einer Separatiftin zu Aufgebot und Trauung beim Pfarramt
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an, „weil ed einmal der Welt Brauch und Sitte ſei“. Der Pfarrer war nicht geneigt, darauf einzugehen, weil das Paar fi) doch hernach feparieren würde, doch die Regierung entſchied bejahend, 1725.
In Gärtringen fand Jak. Eipperlen Anhänger. Er jelbit und fein Weib wurden 1768 „wegen übermachten Unfugs“ vor das genannte Amt gefordert und ihnen ein Termin von ſechs Monaten geftellt, wenn bis bahin feine Sinnesänberung eintrete, folten fie außer Landes geſchafft werben. Sie erklärten: lieber heut als morgen, man möge fi) mit ihnen nur feine Mühe geben, aber man hegte ben Verdacht, daß fie nur beabfitigten, auf ben Ihinger Hof zum Herrn von Leiningen zu ziehen. Zwei Kinder, darunter ein auch ſchon angeftedtes Mädchen, hatte man den Eltern abgenommen und im Zucht: und Waifenhaus zu Ludwigsburg untergebradit, andere jollten Verwandten übergeben werben. Im Zucht haus daſelbſt faß ein anderer Separatift wegen dem Herzog immebiat vorgetragener Unwahrheiten. Allerlei Motus, Auffehen, jelbft Vergehen ſollen in Gärtringen erregt worden fein. Aus Nufringen wurde eine Frau ebenfalls auf vier Wochen nah Ludwigsburg geihafft, fie muß fih beim Abendmahl ein ſtandalöſes Benehmen haben zu ſchulden kommen laffen.
Auch in Mötzingen gab es noch viele Separatiften. Dort trat 1781 der ſchwärmeriſche Provifor Kugel von Olbronn auf, damals ca. 35 Jahre alt. Er hatte das Land durchzogen, von Gaildorf her über Schorndorf, Winterbach, Kornmweitheim, Unterjettingen, Haiterbach, überal bei den Gemeini&aftsleuten einfehrend. In Mögingen predigte er auf offener Straße, man folle das Tier, die Kirche, nicht anbeten. Bon ihm zuerft wird berichtet, was die Separatiften aus Rapps Schule fpäter fennzeichnet: er nahm vor niemand ben Hut ab, buzte jedermann und wollte von jedermann gebuzt fein. Er galt als nicht ganz normal, feine Schwärmerei wird auf die Verleburger Bibel zurüdgeführt. Nachdem er eine Zeit lang zu Herrenberg in Haft geſeſſen hatte, entließ man ihn.
Beſonders bösartig waren die Separatiften in Ehningen (vergl. X, 247). Im Jahr 1728 wird der Schulmeifter dafelbft feparatiftiiher Gefinnungen verdächtig befunden. Eine eigene Kommiſſion hat fih 1740 mit dem Streit zwiſchen Pfarrer Gottl. Sted und ben Separatiften (als Häupter werben beſonders Klein und Bengel genannt) beſchäftigen müſſen. Schon 1737 bei der Pifitation legten einige Perfonen eine Klagfchrift von 37 Punkten vor, welche der Pfarrer beantwortete. Er hat wohl aud Fehler gemacht, brauchte Echeltworte, war aud der Meinliebe ver: dächtig, wurde deshalb vom Konfiftorium getadelt, er wiſſe nichts weniger als mit den Eeparatiften umzugehen. Aber diefe felbft waren durch die
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Milde der Behörde übermütig geworden. Jene beiden Männer, zugleich Mitglieder des Gerichts, ſollten bei andauernder Wiberfeglichkeit vom Rathaus geſchafft werden. Eine einfache Deprefation genügte, um die Strafe aufzuheben. Das machte fie erft recht trogig. Und es war für den Pfarrer eine geringe Genugthuung, daß die Bauern, melde bie Alagſchrift unterzeichnet hatten, ebenfalls einen Verweis erhielten und Abbitte leiften mußten.
Bas für ein Geift in biefen Leuten ftedte, geht aus der Bemerkung hervor, daß fie drei durchaus tüchtige Pfarrer, Wieland (1694—1716), Edart (1716—1720) und Hamm (1720—1735) müde gemacht haben, „die darüber geftorben find“. Edart ſchrieb mit Bezug darauf folgende Worte in das amtliche Protofoll: „Rein Geiftliher feit ber Reformation Luthers bis heute ift tanto ludibrio ausgefegt geweſen, als ih, Eckart, von Separatiften, Semifeparatiften und Indifferentiften umgeben“).
In der Leonberger Gegend gab es Separatiften zu Heimsheim (ein Bauer mehr aus Privatfeindfhaft als aus Grundfag 1767) und Mönsheim; in legterem Ort weigerte fi ein Separatift feit Jahren, den Bürgereid zu ſchwören, man verfuhr aber glimpflich und nicht zwangs⸗ weife mit ihm (1781). In Gültlingen bei Wildberg verweigert ein Separatift die Taufe feines Kindes (1782). Auch ihn läßt man gehen ohne Zwang.
Im Schwarzwald zog fih der Separatismus über Altenfteig (1707) Hinüber bis nah Schiltach (1715) und Hornberg (1712). In Sulz wird 1713 Klage geführt über die Verbreitung feparatiftiicher Bücher. In der Waiblinger Gegend macht neben anderen ein feparatiftiiches Ehepaar zu Bittenfeld von fi reden. Der Vater, Peter Müller, ſchict auch feine Kinder nicht zur Schule trog allen mit ihm verſuchten Maßregeln. „Man möge mit ihm machen was man wolle, er ala Vater habe Macht und Freiheit der Erziehung gegen Obrigkeit und Kirche. Der Vorſchlag des Defans in Waiblingen, die Kinder den Großeltern zu über- geben, wird genehmigt 1724. Doc ift 1728 wieder von biefem Peter Müller und feiner Hausfrau die Rede, fie halten ihre Kinder von der Schule ab. Es foll ihnen ein halbes Jahr Bedenkzeit gegeben werben, dann: Auswanderung.
In Beilftein (X, 248) ſcheint der Helfer 1717 neue Motus erregt zu haben unter den Separatiften, er fchidt ein eigenes Memorial ein, um ſich zu entſchuldigen. Darauf läßt man die Sache beruhen. Über einen Separatiften in Nleinbottwar berichtet Meißner (Mein- bottwar ©. 30).
N Handfär, Univ.Vibl. Tübingen.
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In Steinheim bei Marbad) Ieben zwei Schweftern, obftinate Separatiftinnen (1728). Wohl diefelben, die IX, 369 genannt find. In Kaltenweſten joll ber Separatift Chr. Majer feinen 15jährigen Sohn zur Konfirmation geben oder geftraft werben.
Weiter werden erwähnt Separatiften in Grunbad 1774; Winnenden 1768, bod hier ohne völlige Scheidung von der Kirche, fie nehmen nur an dem fittlihen Zerfall derjelben und am Abendmahle: genuß der Gottlofen Anftoß. Murrhardt 1715. In demjelden Jahr wird von wenigen Separatiften in Göppingen berichtet, Die ſich refolligiert hätten. Aber 1718 find doch noch welche vorhanden, 1719 muß fogar Ihrem Auslaufen gewehrt werben. Es beiteht reger Verkehr zwiſchen ihnen und ben Separatiften des benachbarten Ulmifhen Gebietes. Noch 1776 erhält ein feparatiftifhes Brautpaar Eheerlaubnis nur gegen Unter: zeichnung eines Neverfes, daß die Kinder in ber Zandesreligion erzogen werben ſollen. Auch in Hohenftaufen fommen Separatiften vor 1715—1718. In Bünzwangen, Filial von Albershaufen, verleitet ein Separatift feine Frau und eine Mithausbewohnerin zum Abfall 1777. Aud in Kirchheim und Umgebung faßte der Separatismus Fuß. In Kirchheim felbft muß 1724 oder 1725 ein Kommiſſär die Unterſuchung geführt haben, fomeit fi aus ben Aften noch erjehen läßt. Es wird ein Weber Johannes Baur vernommen, welcher erklärt, er fei einit ein fleißiger Kirchgänger gemefen und habe die Geiftlichen refpektiert; als ihm ein Licht aufgegangen, habe er angefangen, andere zu ermahnen. Da habe man von der Kanzel gegen ihn Iosgezogen und das habe ihn aus der Kirche getrieben. Auch der Dekan Aulber habe, ftatt zuerft freundlich mit ihm zu reden, gleich von ber Kanzel geſcholten. Selbft die Witwe Hedingers ift in dieſe Unterfuhung verwidelt. Es wurbe ihr vorgehalten: wie fie ala Witwe eines fo tapferen, um die württembergiiche Kirche hochverdienten Theologen, der ein Eiferer geweſen für die Orthoborie und Beibehaltung der reinen Lehre fomohl, als der fo heilfamen und nötigen Kirchendisziplin, deſſen Segen bei uns in ewigem Gedächtnis bleiben werbe, gleichwohl auf feparatiftiiche Prinzipien verfalle. Da fie bei ihrem Separatismus beharrte, jo wurde ihr gebroht, fie werde bes Fiscus charitations verluftig gehen, auch führte man ihr zu Gemüt, wie fie Ärgernis gebe und bie Separatiften ftärfe. Rod hat fie zweimal in Kirchheim befucht, 1727 und 1735, er tabelte an ihr, daß es am tiefen Graben gefehlt habe! Sie hatte auch Zerwürfniffe mit dem Magiftrat. Am 24. April 1724 wird dem Dekan befohlen, wenn der Kilbel aus dem Zuchthaus heimkomme, wohl auf ihn zu achten und ihn womöglich mit Zuſpruch und Liebe zu gewinnen, aber nicht zu dulden, baf die Separatiften
Die Anfänge des Pietismus und Separatidmus in Württemberg. 77
ihre Kinder nicht zur Schule ſchicken und den öffentlihen Gottesdienft verläftern ').
In Weilheim waren ihrer fieben fanatiſche Leute; fie verläfterten das Minifterium, warben Anhänger, verfolgten Andersdenkende. Die Kirche war ihnen Babel, ihre Lehre vom Satan, die evangeliihe Religion eine Sefte, ein lieberlicher, leichtfertiger Glaube, der Gottesdienft ein Gögendienft, Kindertaufe und Abendmahl verächtlich. Mit dem Dünkel der Volltommenheit verband fi) der Chiliasmus und der Glaube an die Wiederbringung. In Zell am Aichelberg ift Peter Baur feit 7 Jahren Separatift, weil man in der Kirche Gottes Wort nicht erhalte; man findet es ſchwerlich mehr möglich, ihn zu ändern. Aus Metzingen fommt 1718 die Klage, daß die Leute zum Separatismus inklinieren.
In Frommern (ON. Balingen) ſpricht fih 1752 ein Separatift mit den allerderbften Ausbrüden, die einem ſchwäbiſchen Bauern zu Gebot ftehen, über des Pfarrers Predigten aus. Und doch hielt diefer Pfarrer, Israel Gottlieb Conz, felbft Verfammlungen in feinem Haus. Der Dekan bezeugte, daß fein Eifer gut fei, aber mit Unverftand, er ermahnte ihn, das leidenſchaftliche Schelten zu unterlaffen in Predigt und Kinderlehre, und ſich einen fanftmütigen Geift anzugemöhnen.
Von Separatiften zu Luftnau ift in Prälat Auguftin Hochftetters Leichenrede zu leſen (jeit 1713).
Im Norden des Landes werden genannt: Bigfeld 1717; Neuen: ftabt 1769; hier wird ber verwitweten Bürgermeifterin Katharine Hoc: ftetter als einer Separatiftin auf Bitten ihres Sohnes, des Bitrgermeifters, die Beerdigung nicht mit Sang und Klang, wie er gewünſcht, ſondern nur mit dem Geläut einer Glode und bei Nacht gewährt und ohne Leihenprebigt, mit Beltattung an Seite ihres Mannes. Weil fie in Wandel, Frömmigkeit und Wohlthätigfeit ein gutes Lob hatte, erreichte der Sohn wenigftens fo viel.
Eine Separation ganz eigener Art ftiftete der Schneider Chriftoph Unold von Memmingen in Gochſen DA. Nedarjulm und Umgegend, von 1759 ab.
Ob der Separatift Elben in Zuffenhaufen, von dem 1777 berichtet wird, daß er ſich aud mit Saborieren abgebe, von Ötinger beeinflußt war? j
Im Synodus 1768 fonftatierte Prälat Fiſcher von Adelberg, daß der Separatismus nicht bloß an einzelnen Orten fortdaure, fondern jelbft im allgemeinen ſtark zumehme. Die andern Generalfuperintendenten 9) Ueber eibverweigernde Separatiften In Kirchheim und Mofers fhonende Be— handlung berfelben dgl. Ritſchl, Pietiem. IL, ©. 18 ff.
78 Kolb, Die Anfänge bes Pietismus und Separatismus in Württemberg.
mußten aber nichts davon. Stiftsprebiger Faber fand vielmehr, daß der Separatismus im Abnehmen fei. Für Stuttgart trifft das jedenfalls zu. Direktor Frommann Hinwieber erflärte: der Separatismus beginne wieder allgemein zu werben, man habe deshalb im Konfiftorium verabredet, die Sade im Synodus vorzubringen. Er ganz befonders riet zu Freundlich: feit, Milde, Geduld; Pfarrer, die fih da verfehlen, müßten verjegt werben. Auch wurde darauf hingewieſen, baß bei ber großen Verſchiedenheit der Separatiften individuelle Behandlung notwendig fei. Faber wurde beauf- tragt, einen Aufſatz zu entwerfen der Sache halber. Ein praktifches Ergebnis ſcheinen dieſe Verhandlungen, foweit ich fehe, nicht hervorgebracht zu haben. Es wird von biefer Zeit ab ftil von ber Bewegung, bis fie am Ende des Jahrhunderts durch Rapp neu aufflammt und der Kirche wieder viel zu ſchaffen macht.
Überfirht über Uhlands Briefiwechfel.
Ben Dr. Rudolf Kraus.
Die vorliegende, für den Verfafler ziemlich entſagungsreiche Arbeit wird wohl troß ihres ſchematiſchen Charakters manden Uhlandfreunden wilfommen fein. Insbeſondere dürfte ihre Nüglichkeit jedem, der dem nachgerade recht ftattlich gewordenen Kreife der Uhlandforſcher angehört, ohne weiteres einleuchten. Denn es muß nach den verjdhiebenften Rich tungen hin von Wert fein, ein möglichft volftändiges Verzeichnis von Uhlands Korreiponbenz zu befigen, ſoweit fie gedruckt ift oder aus Drud: werfen fi belegen läßt. Man überſchaut hier mit ein paar raſchen Bliden, wer Uhlands Korrefpondenten geweſen find. Man gewinnt durch die erſte Rubrik des erften Hauptteils eine Art von Stinerarium, eine bequeme Überficht über die jeweiligen Aufenthaltsorte des Dichters. Bor allem aber kann fich jeder, der ſich irgendwie wiſſenſchaftlich mit Uhland beihäftigt, nunmehr leicht orientieren, wo er Uhlanbbriefe, aljo wichtige Quellen für des Dichters Leben und Werke, zu ſuchen und zu finden bat. Wer endlich duch einen glüdlichen Zufall ein Schreiben von oder an Uhland in die Hand befommen hat und auf dem Sprunge ift, es zu veröffentlichen, ſich aber doch vorher vergewiſſern möchte, ob dies nicht ſchon früher geichehen fei: dem wird das Verzeichnis viel Mühe und Zeit eriparen und noch obendrein die Möglichkeit eines Irrtums ver tingern, wie er bei Briefpublifationen fo häufig vorkommt. — Mande Daten von bisher undatierten Briefen Eonnten durch Vergleihung mehr ober weniger ſicher feftgeftellt, mande falſche Datierungen verbeffert werden. Auszüge, bie fih an verfchiedenen Orten finden, ergänzen ſich oft gegenfeitig in willfommener Weife, fo z. B. die in den Württem- bergiſchen Vierteljahrsheften für Landesgeſchichte I (1878) ©. 217—223 und zugleich im Kernerbriefwechjel mitgeteilten Briefe Kerner an Uhland aus den Jahren 1817 bis 1819. Aus dem Verzeichnis ergiebt fi, daß man auch einzelne ſchon längſt gebrudte Briefe im guten Glauben, es handle fi um etwas Neues, wieberholt ediert hat. Bei folden mehr: fad) herausgegebenen Briefen überrafhen oft die zahlreihen Varianten
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in ben Lesarten, die ſich nicht alle dadurch erklären lafen, daß im einen Fal Konzept, im andern Neinfehrift benügt worden ift, und die darum auf das willfürliche Verfahren mander Gerausgeber ein Licht werfen.
Die Korreſpondenz Uhlands ift hier nur ſoweit gebucht worden, als fie gebrudt oder aus Druckwerken zu belegen ift; die noch nicht ver- öffentlichten, mir befannt gemwejenen Briefe von und an Uhland habe ich unberüdfihtigt gelaffen, wenn fie au dann und wann in zweifelhaften Fällen zu Nat gezogen worden find, bei weldem Geſchäfte mir Herr Oberftudienrat Dr. Julius von Hartmann in zuvorfommendfter Weife feinen ſchätzenswerten Beiftand geleiftet hat. Cine Aufnahme der unge drudten und unbelegten Korreſpondenz hätte meine Arbeit zu fehr be— laftet und wäre ſchließlich doch nur für den Heinen Kreis derer, denen jene leicht zugänglich ift, von Wert gemejen. Aus Drudwerlen habe ich dagegen nicht nur die mehr oder weniger vollftändig publizierten Briefe, fondern auch alle längeren wie kürzeren Auszüge und Inhaltsangaben in die Liſte aufgenommen, die Belege für ungebrudte ober verloren ge gangene Stüde jedoch in der Regel nur dann, wenn dieſe genau zu datieren waren. Natürlih wird ja in zahlreihen Schreiben an Uhland auf vorangegangene von ihm felbft Bezug genommen und umgefehrt, häufig indeſſen ohne Angabe des Briefdatums, in melden Fällen die Aufnahme in das Verzeichnis feinen Zweck gehabt hätte. Eine befonders ausgiebige Fundgrube für Briefbelege ift das Tagbuch von 1810 bis 1820; doch Hat Uhland darin keineswegs über alle in dem genannten Zeitraume geſchriebenen oder empfangenen Briefe vollftändige Rechen— ſchaft abgelegt. Uhlands Geihäftsichreiben, ſoweit fie fi auf Ausübung der Abvofatur beziehen, find grunbfäglich weggelaflen; eine Reihe Nach- weiſe dafür finden fich im Tagbuche. Neben diefem find meine wichtigften Quellen für die vorliegende Arbeit die großen primären Publikationen Friedrich Notters, der Frau Emilie Uhland und Karl Mayers geweſen, ferner der Laßbergbriefwechſel; auch der zweite Band der neuen von Eri Schmidt und Julius Hartmann beforgten Ausgabe von Uhlands Gedichten macht auf viele bisher unbekannte Briefe aufmerffam. Außer: dem habe ih ale Publikationen in Büchern, Zeitjhriften und Zeitungen berüdtfichtigt, ſoweit fie Neues enthalten. Nochmalige Drude von Briefen oder Auszüge und Inhaltsangaben aus folden oder gar bloße Citate, wie fie fi in biographifchen und fonftigen Schriften über Uhland Häufig finden, find dagegen übergangen worden, wofern nicht beſondere Gründe die Nennung folher abgeleiteten Quellen geredtfertigt haben. Die im Anhange des Rechenſchaftsberichtes des Schwäbiſchen Schillervereins für April 1897/98 mitgeteilten Uhlandurkunden find nur ſoweit bem Ver—
ũberſicht über Uhlands Briefwechſel. 81
zeichnis einverleibt worden, als fie die Form richtiger Briefe haben; Diplome, Adreffen u. ſ. m. find meggeblieben.
Allgemeine Bemerkungen über Uhland als Briefſchreiber finden fi bei Rotter S. 137 f., über feinen brieflihen Verkehr mit Dichterlingen im „Leben“ ©. 416 f., mit feinen Verlegern Johann Friedrich und Georg von Cotta im Tagbuch S. 267 Anm. 1.
Es bleibt mir noch übrig, für den Gebrauch der Lifte einige Er- Märungen, befonders über die angewandten Abkürzungen zu geben. Was in ediger Klammer fteht, ift — teilmeife durch Kombinationen gewonnene — Ergänzung des Herausgebers oder anderer. Die legte Zahl in ber Rubrit „Fumdftätte“ bedeutet die Seite. Mo im Tagbud bloß die Seite angegeben ift, muß unter dem betreffenden Datum nachgeſehen werben. Ein A hinter der Fundftätte befagt, daß ber Brief nur im Auszuge ges drudt ift, ein J, daß es fi nur um Inhaltsangabe, ein B, daß es ſich nur um Beleg handelt. Wo Hinter der Fundftätte fein Buchftabe fteht, darf man annehmen, daß ber betreffende Brief ganz oder doch feinem Hauptinhalte nach ediert if. Für eine Anzahl wiederholt erwähnter Bücher oder Zeitfehriften und Zeitungen find die nachſtehenden Ab= fürzungen gebraudt:
Bamberg — Friedrich Hebbels Briefwechſel mit Freunden und berüßmten Zeit: genoffen, Herausgegeben von Felit Bamberg. 1. Band. Berlin, ©. Groieſche Verlagsbuchhandlung 1890.
Gebdichte I — Gebidte von Ludwig Uhland. Vollſtandige kritiſche Ausgabe auf Grund des handſchriftlichen Nadjlafjes beſorgt von Erich Schmidt und Julius Hartmann. Zweiter Band. Gtuttgart 1898. Verlag ber I. ©. Coua. ſchen Buchhandlung Nachfolger.
Jahn S Luͤdwig Upland. Vortrag von Otto Jahn, Gehalten bei der Uhlanbfeier in Bonn am 11. Februar 1869. Mit literarhiflorifgen Beilagen. Zum Befteri des Uhlanddentmals Bonn, Verlag von Mar Cohen und Sohn. 1868.
Kerner = Juftinus Kerners Briefwechſel mit feinen freunden. Herausgegeben von feinem Sohn Theobalb Kerner. Durch Einleltungen und Anmerkungen er⸗ läutert von Dr. Ernft Müller. Mit vielen Abbilbungen unb Facfimiles. Zwei Bände. Stuttgart und Leipzig. Deutſche Verlags: Anftalt. 1897.
Laßb. — Vriefwechſel zwiſchen Joſeph Freiderrn von Lapberg und Lubwig Upland, Herausgegeben von Franz Pfeiffer. Mit einer Biographie Franz Pfeiffers von Karl Bartfd) unb ben Bifbniffen von Pfeiffer, dv. Laßberg und Uplanb. Wien, 1870. Wilpelm Braumüller f. k. Hof- und Unfverfitätsbughänbfer.
Leben = Ludwig Uplands Leben. Aus deffen Nachiaß und aus eigener Erinnerung Infammengeftellt von feiner Wittwe. Stuttgart, Berlag der 3. ©. Cotta: Igen Buchhandlung. 1874.
Mirgensug — Uhlande „Märgenduh des Königs von Franfreih*. Bon Erich Schmidt. Sipungsberihte ber Königlich Preußif—en Akademie ber Wiſſen. fSaften zu Berlin, Gefammtfigung vom 11. November 1897. XIV.
Mirtt. Bierteljahrsh. f. Landeigeig. R.F. I. 6
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Mayer = Ludwig Uhland, feine Freunde und Zeitgenoffen. Erinnerungen von Karl Mayer. Zwei Bände. Stuttgart. Verlag von Adolf Krabbe. 1867.
Notter = Ludwig Ufland. Sein Leben und feine Dichtungen mit zahlreichen uns gebrudten Poefien aus beffen Nachlaß und einer Auswahl von Briefen. Bon Fricdrich Notter. Mit Uplanbs photographiſchem Bilde. Stuttgart, Verlag der 3. B. Metzlerſchen Buchhandlung. 1868.
Schw. Kr. = Schwäbiſche Kronik, des Schwäbiſchen Merkurs zweite Abteilung.
Tagb. — Uflands Tagbuch 18101820. Aus bes Dichters handſchriftlichem Nach: laß herausgegeben von 3. Hartmann, Mit einem Bild Uhlands nad dem Gemälde von Morff aus dem Jahr 1818. Stuttgart 1898. Berlag ber 3. ©. Cottaſchen Buchhandlung Nachfolger.
Wildbad-Berigte — Wilbbab-Berihte aus ſechs Jahrhunderten. Zuſammen ⸗ geftellt von Dr. 3. Hartmann. Mit 14 Bildern. Stuttgart und Wildbad. Verlag von Mar Holland. 1899.
®. V. f. L. = Württembergiſche Vierteljahrshefte für Landesgeſchichte.
I.
Briefe von Uhlaud. — — — — — —
Ort Tatum Empfänger Fundſtãtte 1805 Tübingen ' 9. Oftoder Kerner ! Kerner I 5f. (and) erwähnt : bei Notter 25). 1806 Andermatt 3. Oftober Eltern Frautf. Zeitg. 1897 Nr. 192. (Kanton Uri) di." Morgenbt.). (Tübingen) | [MNovenber?] | Leo von Sedenderi | Leben 26-30. 1807 Tübingen - 26. Januar Kölle 1. Leben 36—39, 2. Märchen: ' | tu 1A (nach Urferiit), Tübingen | 6. März Leo von Sedenborf?) , Leben 32—36 (unvollſtändig mach Konyent, dazu Ger i dichte IT 130, 3451.). (Tübingen) | [grühjıpr?) Köllen) 1. Leben 40. A, 2, Ge— dichte IL 50 A. Tübingen : 4. Oftober Kerner 1. Notter 64f. A, 2, Kerner \ | 13-16. [Nübingen] ;_ 21. Oftober Karl Mayer Mayer 1711 (vgl. Notter (nit Beilage vom m. |29. Oftober, abge: febiett 1.Noveniber)) \
) Weitere Ztellen aus unbatierten Briefen Uhlands an Leo von Sedendorf in Wweduhle 16. 97, 147.
0m weiteres Stuͤck aus einem nicht batierten Brief Uhlands an Kölle von 1807 im Wedubten IL 176,
Überficht über Uhlands Briefwechſel. 83
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Ort Datum Empfänger Fundftätte 1807 [Tübingen] ! 15. November Karl Mayer Mayer I 14f. [Tübingen] ! 26. Dezember Karl Mayer Mayer 12933. Tübingen 29. Dezember Friedrich Haug Gedichte TI 27f. A. Ohne Ort | und Tag ‚Hofrat Mayer in |, Mayer I 27f. A (nad Heilbronn (Karl Konzept). ahers Vater) 1808 Tübingen 23. Januar Karl Mayer Dlayer I 40—4. Tübingen 30. Januor Hermann Gimelin | Leben 44-46, wo falſchuch Schidard als Adreſſat genannt iſt. {Zübingen] debruar die Freunde Mayer I 64-68. (Cirtular, mehr poetiſcher Aufſatz als ; Brief) Zibingen | 29. Gebr | Murl Mayer | 1. Mapes 172-75,2.8chen LA. {Zübingen) 11. Miy Kerner Kemer I 15—19. Tübingen 18. März Kerner Kerner 1 2025 (ihon erwähnt bei Notter 75). {Zübingen]) [April] Kerner Kerner I 26f. [Zübingen) [April] Kerner Kerner 1 26—28. [Zübingen] 22. April Karl Mayer Mayer I 78—83. (mit Beilage vom April) [Zübingen] %. Mai Karl Mayer Mayer I 86f. Tübingen 11. Juni Dr. Samuel Benjamin) Wildbad Berichte 72f. Härlin in Wildbad Tübingen 28. Juli Karl Mayer 1. Ye 188—91, 2. Leben A. Tüh'ngen 14. Eeptember Rarl Mayer Mayer 1 92—9. (abgefhidt 18.) Tübingen 25. September Karl Mayer Mayer I 94f. TXüsingen] 4. Oftober Karl Mayer 1. Mayer 195, 2. Leben TRüsingen]) | 20. November Karl Mayer Mayer I 106f. 1809 [Zibingen) 2%. Januar Karl Mayer 1. Mayer I 108-110, 2. | A im Leben 49 f. ( Meine . \