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WHITNEY LIBRARY,

HARVARD UNIVERSITY.

THE GIFT OF

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Sturgis Hooper Professor

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MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY

TRANSFERRED TO CEOLOGICAL . SCIENCES LIBRARY

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Die geologischen Verhältnisse

der

Stadt Hildesheim

Dr. Hermann Roemer,

Senator a.D.

Nebst einer Karte.

Herausgegeben

von

der Königlich Preussischen geologischen Landesanstalt.

BERLIN.

Verlag der Simon Schropp’schen Hof-Landkartenhandlung. (J. H. Neumann.)

1883.

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Die grosse Mannigfaltiskeit der geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim und deren nächster Umgebung hat schon früh die Aufmerksamkeit wissenschaftlicher Beobachter auf sich gezogen und den Namen der Stadt den Geologen über die Grenzen Deutschlands hinaus schon lange bekannt gemacht. Diese inter- essante Beschaffenheit des Bodens unserer Vaterstadt hat denn auch sowohl mich, als auch meinen, jetzt als Professor der Greo- logie und Mineralogie in Breslau lebenden jüngeren Bruder schon während unserer Schulzeit, vor nun bereits fünfzig Jahren, zum eifrigen Sammeln der hier sich findenden Versteinerungen angeregt und sind dann von mir, da ich in Hildesheim ansässig geblieben, auch nach vollendeter Studienzeit die hiesigen geologischen Ver- hältnisse allezeit aufmerksam beobachtet und alle Gelegenheiten zu einer besseren Erkenntniss derselben sorgfältig wahrgenommen. Es sind nun aber ganz besonders die in den beiden letzten Jahr- zehnten durch zahlreiche Neubauten, durch die Anlage von Fabriken, Ziegeleien, Brunnen und vor allem durch die statt- gehabten Kanalbauten veranlassten vielen Aufschlüsse der vom Diluvium bedeckten, bisher überall nicht, oder ungenügend beob- achteten Gebirgsschichten, durch welche es mir möglich geworden, die Kenntniss der geologischen Verhältnisse dieses interessanten Gebiets ganz erheblich zu erweitern. Es drängt mich nun, diese Ergebnisse langjähriger Beobachtungen dauernd festzustellen und in Verbindung mit den früheren Forschungen Anderer ein thun- lichst vollständiges Bild von den geologischen Verhältnissen Hildesheims zu geben. Es wird diese Absicht aber auch um so weniger einer Rechtfertigung bedürfen, als meine Beobachtungen sich vorzugsweise auf sehr zahlreiche, jetzt nicht mehr vorhandene

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2 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. -

Aufschlüsse stützen, deren dauernde Feststellung für die Beurthei- lung der geologischen Verhältnisse dieser Gegend allezeit von Bedeutung sem wird und sich jedenfalls auch schon bei der, hoffentlich nicht mehr fernen, neuen geologischen Aufnahme unserer Gegend Seitens der geologischen Landesanstalt als ein willkomme- ner Anhalt erweisen wird. Sodann glaube ich aber auch annehmen zu dürfen, dass diese Arbeit nicht nur zum eingehenden Studium der so interessanten geologischen Verhältnisse unserer Stadt viel- fach anregen, sondern sich auch für die Bewohner der Stadt bei mannigfachen Unternehmungen als nützlich erweisen wird.

Bevor ich mich nun aber der Ausführung der gestellten Aufgabe zuwende, möge es mir gestattet sein, hier einen kurzen Rückblick auf die Arbeiten meiner Vorgänger zu werfen, welche sich entweder dieselbe Aufgabe gestellt oder doch durch ihre Arbeiten die Kenntniss der geologischen Verhältnisse dieses Ge- biets wesentlich gefördert haben. Für den Fachgelehrten wird dieser Rückblick aber vielleicht insoweit von Interesse sein, als derselbe als ein Beitrag zu der Entwickelungsgeschichte der Kenntniss der geologischen Verhältnisse Norddeutschlands angesehen werden kann. Schon hier will ich aber sowohl für diese, wie auch für die späteren Ausführungen die Nachsicht der Fach- genossen bezüglich solcher Bemerkungen und Erörterungen in Anspruch nehmen, welche vorzugsweise mit Rücksicht auf die Leser in meiner Vaterstadt gemacht sind und einen höheren wissenschaftlichen Werth nicht beanspruchen.

Nach den von mir angestellten Nachforschungen gebührt dem VALERIUS CoRDUS das Verdienst, der erste gewesen zu sein, welcher die geologischen Verhältnisse Hildesheims mit wissen- schaftlichem Auge beobachtet hat. Derselbe war der Sohn des berühmten lateinischen Dichters ENRICUS COoRDUS (HEINRICH EBERWEIN), welcher als Reformator der Arzneikunde und als Be- gründer des ersten deutschen botanischen Gartens in Marburg genannt wird und dessen »Botanologicum« LinN& als eine philo- sophia botanica bezeichnet. Der zu Simtshausen in Oberhessen 1515 geborene VALERIUS CORDUS war nicht nur ein berühmter Botaniker, sondern auch emer der ersten Gelehrten, welche sich

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 3

mit dem Studium der Mineralogie befassten. Im Jahre 1542 bereiste er Norddeutschland, verstarb aber, mit der Erforschung der Flora der Appeninen beschäftigt, erst 29 Jahre alt, in Rom im Jahre 1544. CoNRAD GESSNER veröffentlichte 1569 einen Theil der nachgelassenen Werke des VALERIUS CORDUS. unter dem Titel »Sylva observationum variarum Valerii Cordi, quas inter peregrinandum primus de rebus fossilibus, ut lapidibus, metallis etc. deinde etiam plantis fecit.« In dem Abschnitte, welcher die Ueber- schrift führt: Valerii Cordi observationes quaedam rerum naturalium variarım et primum fossilium in Germania finden sich die ersten unsere Gegend betreffenden Aufzeichnungen. Dieselben lauten:

»Fons qui Hildesheimü sulphureum limum emittit (Schwefel- quelle bei Hasede) ante sedecim annos primum jluere coepit, post bellum, quod contra Hildesheimianos gessit princeps Henricus Bruns- vicensis.

Sal fit in Solta pago (Salzdetfurth) prope Bodenburgum pagum, ad quartum ab Hildesheimia lapidem.

Omnia, quae seguuntur vidi et cognovi primum in peregrinatione anni MDXLII post natum Uhristum.

Creta nigra Jam dietae colore gustugque similis, asperior tamen duriorque ejjoditur Hildesheimii inter urbem et Marienburgum castellum Juxta pumilorum antrum (Zwerglöcher) in profundo.<

Dass die Beobachtungen des VALERIUS UORDUS, welche der- selbe bei der Untersuchung unserer Gegend gemacht, sich aber nicht auf die ın den vorstehenden Citaten enthaltenen Mittheilun- gen beschränkt haben, ergiebt sich schon aus der, in derselben Schrift erwähnten Bemerkung desselben, dass seine Sammlung auch mit Gesteinen aus dem Hildesheimschen reich versehen sei, und mehr noch aus der in der Einleitung mitgetheilten Stelle eines von ÄAGRICOLA an WOLFGANG MEURER geschriebenen Briefes:

» Valerius Cordus quoad viwit non cessavit ad me mittere ommia, quwibuscungue jwvari atque ornari mea studia possint; Jwvenis. longa vita dignus, sed perpetua digmior.«<

Sodann erwähnt aber auch AGRIcCoLA in seinem gleich näher zu besprechenden Werke, dass er die Nachrichten von so vielen

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4 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

hildesheimischen Steinen grösstentheils dem VALERIUS CORDUS ver- danke.

Wenn übrigens LEIBNITZ in seiner Protogaea auf diese letzte Erwähnung Bezug nimmt und den VALERIUS CORDUS als »insignis medieus Brunswicensium et Hildensium« aufführt, so irrt er in dieser Bezeichnung, da nicht VALERIUS CoRDUS, sondern dessen Bruder PuıLıppus Corpus Leibarzt des Fürstbischofs VALENTIN von Hildesheim war. ZACHARIAS UÜRSINUS sagt von diesem PHILIPPUS Corpus in einem 1559 geschriebenen Briefe:

» Sie lle, qui hoc etiam significavit anno superiore, Valerii fratrem, medieum Hildesheim, chemisticae artis et remediorum, quae arte illa

ad medieinam parantur peritissimum, diem suam obwüsse.«

Nur der Vater EnRIcCUS ÜoRDUS war kurze Zeit Arzt in Braunschweig. Aus dieser Stelle des PnıLıppus Corpus erklärt es sich denn auch, wie es gekommen, dass die mineralogischen Untersuchungen des VALERIUS ÜORDUS sich vorzugsweise den Vorkommnissen unserer Gegend zuwandten, und wird es auch nicht zu bezweifeln sein, dass er seinem Bruder die Zuwendung von Mineralien und Versteinerungen hiesiger Gegend zu danken gehabt hat.

Viel zahlreicher sind die Aufzeichnungen über die geologischen Verhältnisse unserer Gegend, welche sich in den Werken des (GEORG AGRICOLA (BAUER) finden. Dieser scharfsinnise und viel- seitige Gelehrte war 1490 in Glauchau geboren, wurde nach vollendeten Studien zuerst Rector in Zwickau, dann Arzt, später Bergbaubeamter und starb 1555 als Arzt und Bürgermeister in Chemnitz. Unter seinen zahlreichen mineralogischen, vorzugsweise aber das Berg- und Hüttenwesen betreffenden Arbeiten ist es be- sonders das 1549 erschienene Werk » De nature fossilium«, welches zahlreiche Angaben über die bei Hildesheim vorkommenden Mine- ralien und Versteinerungen enthält. Ob AGrRıcoLA die Umgegend von Hildesheim selbst untersucht, ist mir zweifelhaft geblieben, obschon CRAMER im seinen »physikalischen Briefen (Hildesheim 1792)« erwähnt, dass AGRICoLA nach dem Tode seines Freundes VALERIUS Corpus, der ihn auf die Hildesheimischen Produkte

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 5

aufmerksam gemacht, nach Hildesheim gekommen und die hiesige Gegend durchforscht habe. Ein weiterer Anhalt für diese Be- hauptung ist nicht aufzufinden und scheint derselben auch die eisene Angabe des AGRICOLA, dass er die Nachrichten von so vielen hildesheimischen Steinen grösstentheils dem VALERIUS Corpus verdanke, zu widersprechen. Jedenfalls ist es aber von Interesse, dass in dem genannten Werke des AGRICOLA, welches als eine Oryktognosie und als die erste wissenschaftliche Unter- suchung und Beschreibung von Mineralien und Versteinerungen anzusehen ist, bezüglich der in demselben aufgeführten Versteine- rungen fast ausschliesslich auf die bei Hildesheim vorkommenden Versteinerungen Bezug genommen ist, so dass eben diese zu der ersten wissenschaftlichen Arbeit über Versteinerungen die Anre- gung gegeben haben.

Die Vorstellungen des AGRICOLA von der Entstehung und Beschaffenheit der Erdrinde waren selbstverständlich noch sehr unvollkommen, und von dem Wesen und der Bedeutung der Ver- steinerungen hatte derselbe noch keine Ahnung. Die Versteine- rungen waren ihm und seinen Zeitgenossen noch Naturspiele, und in dem angezogenen Werke führt er die Versteinerungen zusammen mit den Gesteinen, eben als Gesteine auf, beschreibt dieselben auch nach ganz unwesentlichen Merkmalen, nach Farbe, Härte und Grösse, wie die anderen Gesteine. AGRICOLA spricht sich hierüber selbst in folvenden Worten aus:

Cochleas vero in sawis repertas calor ex materia pingui et lenta efficere videtur et ex eadem gignere musculos, murices, conchylia. Sed terra quanto est crassior, quam mare, tanto ea magis imperfecta gignuntur (Lib. IV de ortu et causis subterraneorum).

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Redeo ad eos, quos multos in uno loco vel in pluribus eadem natura gignit, quales sunt, qui nascuntur in terra glutinosa, quae est in venis, Jfebris, commissuris saworum testis aquatilium similes, quod genus lapides reperiunt in Germania in LHildesheimio Sawoniae tractu et in sawum inchusi in multis regionibus -(Lib. V de natura

‚Fossilium).

6 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. Davon wird aber von AGRICOLA unterschieden :

Succus lapidescens, tam is, qui extra terram quam qui intra terram latet res omnes, quibus foramina sunt, ejus capacia vertit in

lapides (Lib. VII de natura fossılium).

Wenn ich nun die Beschreibung der von AGRICOLA aus dem Gebiete der Stadt Hildesheim aufgeführten Versteinerungen dessen berühmtem Werke »De natura Jossilium« wörtlich entnehme, so kann das allerdings vorzugsweise nur für alle diejenigen von Interesse sein, welche sich mit den geologischen Verhältnissen Hildesheims eingehender beschäftigen; es wird damit aber doch auch für viele Leser der Standpunkt, auf welchem sich die Kenntniss von dem Bau der Erde, von der Bedeutung der Ver- steinerungen und von den die Erdrinde zusammensetzenden Mine- ralien zu AGRICOLAs Zeit befand, erst recht verständlich, oder doch wieder in Erinnerung gebracht.

AGRICOLA führt nun in dem Lib. V de natura fossilium fol- gende Arten aus dem Gebiete der Stadt Hildesheim auf:

Trochites et Entrochos, cum lapide jJudaico cognationem habet, a rota (Tooxog) appellatus. Etenim cum ei natura dederit tympani figuram ejus pars rotunda laevis est utraque vero lata habet quendam quasi modulum, « quo undique radi ad extimam orbis partem, quae ıpsıs loco est canthorum procedunt ita eminentes, ut striae fiant. Multum variat quantitate sed minimus adeo parvus est, ut maximus decuplo major sit. Maximus vero est latus digitum trans- versum, crassus tertiam ejus partem aut amplius. Difert colore, nam aut cinereus est, aut nigricat aut luteus est. Sed is magıs propter contagionem terrae talis esse sole. Imtus enim caeteris candıdior. Omnis fractus lapidis jJudarci instar laevis est et nitet. Frangitur autem simihter ut le in longum, latum, obliguum, in acetum impo- situs ut astroites bullas agit atque etiam reperitur interdum qui se tamquam astroites moveat de loco. At ex trochitis nondum separatıs constat Entrochos, modo ex binis, modo ex ternis, modo ex quaternis, nune vero ex plurtbus. Hos autem lapides gignit Sawonia ad Hü-

desheimum ultra Montem Maurieü in commissuris marmoris in cimereo

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. Ü

candidi et in terra glutinosa (Stielglieder und Stiele des Knerinus hluformis).

Cornu Ammonis et Lapis novae lunae figura (Ammo- niten). toto Hrldesheimio tractu, qui longissimi collis speciem prae se ferens a Marienburgo arce per injeriorem wrbis partem per- tinet ad Hasdam pagum invenitur lapis novae lunae speciem habens curvatae in cornua, aurei colorıs, armatura vestitus modo parvus, medioeriter autem durus et interdum striatus. Sed eundem aliguando Ferrei coloris armatura tegit aut adamanti similis. Etenim ubi in terra aluminosa reperitur aut atramentosa aureo colore splendet, ubi in alterius generis terra ferreo aut consimili. Nam alumen et atra- mentum sutorium permutant ferrum in orichalei colorem, qui assimilis auro. Ibidem ejjoditur lapis eyusdem jigurae sed omni vacuus arma- tura et cinerei coloris, qui est Tephritis apud Plinium (Ceratites nodosus).

Hephaestites in Corcyro natus speculi naturam habet in red- dendis imaginibus quamguam rutilus. Nomen ex eo invenit, quod in solem addıtus aridam materiam accendat, non aliter ac speculum concavum sulphurata, stramina sarmenta. Id genus lapides in rubro nigri coloris reperiuntur Hildesheimi in fossa moeniorum quae spectat septentriones. In modum vero patinae excavatae sunt et aurea arma- tura rutilant, quare et reddunt imaginem et ob solis radios obversi arıdam materiam accendunt. (Alveolen des Belemnites giganteus, die sich an der bezeichneten Stelle von 7,5°% Durchmesser finden.)

Hieracites, quem Plinius in gemmis numerat. Is inquit idem alternat totus milvinis nigricans veluti plumis. Invenitur in tractu Hildesheimio, qua itur versus occasum a Jam dicta moeniorum fossa in colla ultra flumen et eitra. Estque similis specie et colore acci- pitrum molhioribus pennis, quae ipsis sunt in pectore. Alter ibidem reperitur lapıs, qui ewprimit strüs et colore perdicum pennas, quas item habent in pectore.

Strombites assimilis est cochleae aquatili ex amplo enim in tenue turbinis instar, defieit in spiram a dextra tortus. Is interdum est brevis, interdum longus dodrantem, intus candidus, extrinsecus terrae in qua nascitur colorem assumit. HBeperitur autem Sawonia

8 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

ad Hildesheimum Galgenbergü lapidieinis et in novae urbis parte, cum fodiuntur cellae in quwibus vinum zythumve recondi solet (Pha- sianella striata u. a.).

Ütenites vero striatus est, omminoque pectinis effigiem reprae- sentat. Color ipsi plerumque cinereus. Reperitur Hildesheimi in lapidieinis ejus tractus qui est ultra montem Maurieii (nicht Pecten, sondern Lima striata des Muschelkalks).

Myites quwia striatus non est, musculi speciem prae se fert, is duplex oblongus et pectinis modo rotundus. Hie colore cinereus re- peritur in Sawonia ad Hildesheimium in lapidieinis tractus jam dieti (Avicula socialis): ille modo subfuscus, modo subjlavus efoditur ex ‚Fossa moeniorum Hildesheimiae urbis quae ad septentriones spectat (Gresslya sp.).

Onychites, ungwibus. odoratis, quos Graeci nominant Onychas fere simihs tam colore, guam jigura, nascitur in üsdem Hildesheimiüi lapidieinns.

Ostracis lapis ex ostreis, qwibus similis est, nomen invenit nec a veris ostreis difjert. Duplex est. Major qui lapidis specularis modo jissilis efjoditur etiam ex fossa Hildesheimiae urbis, quae ut diei ad septentriones spectat. Minor non longe ab Hannobera prope Lindam pagum reperitur. Major reperitur etiam in lapidieina Galgenbergi.

Porphyroides, Purpurae instar aculeis clavatus et colore cinereus invenitur in eadem fossa Hildesheimiae urbis, sed ut pur- pura turbinatus non est. Ibidem alias reperitur, huic non multum dissimihs verumtamen caret aculeis, strias vero habet transversas.

Conchites eruitur ex eadem fossa qui in curvis liris ad scapul as redeuntibus et aurei coloris armatura decoratur. Longus esse solet palmos duos, latus palmum.

Belemnites est aut cinereus aut candıdus aut in rubro niger, qui ommes inveniuntur Hildesheimi. Ustus vel candidus fit, vel in condido cinereus. ÜUterque reperitur inter urbem et arcem Marien- burgum in marmore antri, quod a nanis appellant ad sinistram (Belemnites irregularis), nam locum ülum quondam arsisse alia multa

praeter hujus lapidis odorem indicant, quwin aurea armatura non

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 9

modo belemnitem Hildesheimi fossa moeniorum generatum ortuw, sed ejus etiam radıcem comvestit extrinsecus, quae armatura sine arte mirifice nitet, atque imaginem instar speculi reddit (Belemnites gigan- teus). Belemnitae autem si confricentur, ex eis quidam olent cornu bovis limatum, aut ustum, ut Hildesheimi in marmoris ejusdem odoris commissuris nati; alique sine odore sunt ut reliqwi. Diversa vero ipsis est magnitudo. Cum enim maswimis esse soleat digitı longitudo et crassitudo Hildesheim ut in fossa moeniorum quae spectat ad septentriones repertis est interdum sesqwipedis longitudo, brachü cras- situdo.

Trabes lapideae. In Hildesheimio quoque in terra alumi- nosa inventum est lignum quernum in lapidem conversum. In eadem regione arcis Marienburgi collis est plenus lapıideis trabibus, quarum capita interdum eminent. Sunt vero perlongae, acervatim posıtae, inque medio earum terra est colore nigra, ferro aut altero lapide percussae non aliter ac marmor Hildesheimium de quo supra dia cornu usti virus olent, omminoque ex eadem materia sunt. (Juare cum natura lapides arborum similes procreet diligenter videndum est, an corticem et medullam aliaque habeant. Quae si absunt non sti- pites in lapides conversi sunt, sed natura fecit lapides stipitum simil- limos, quales sunt trabes istae Hildesheimiae (Bänke faserig zer- bröckelnden Posidonienschiefers).

Ebenum fossile. Hildesheimü intra terram aluminosam adest lignum in lapidem mutatum et in ejus commissuris reperitur ebenum Jossile. Stirps est nigra, folis et fructu carens, cornu politi modo splendida solida sed levis omninoque adspectu similis gagatae lapıdıs sed natura ad modum diversa. Nam ebenum ignem non sentit!).

) Die Gesteine, welche Ackrcora aus der nächsten Umgebung Hildesheims beschreibt, mögen hier ebenfalls in Kürze aufgeführt werden. Es sind folgende: Mergel, dessen man sich in Niedersachsen zum Düngen der Felder bediene und der sich taubenfarbig (bunter Keupermergel) in radice collis Columbina (Steinberg) finde. Walkererde, terra fullonum, habe man im Hildesheimischen in zwei Arten, weisse tuffartige und graue. Solche Erde mit reinigenden Kräften finde sich auch bei Hasda, Hasede, im Hildesheimischen. Schwarze Kreide, creta nigra, werde im nördlichen Stadtgraben, Röthel, rubrica, und Ocher, ochra, zwischen der Stadt und den Zwerglöchern gefunden. Alaun, alumen, komme im nörd- lichen Stadtgraben in Stücken von der Grösse einer Wallnuss vor, alaunartige

10 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

ÜONRAD GESSNER führt in der Schrift »De omni rerum fossi- lium genere Tiguri 1565« und zwar in der Abhandlung de jiguris lapidum nur neun bei Hildesheim vorkommende Arten von Ver- steinerungen auf, die ohnehin sämmtlich dem AGRICOLA entnommen sind. Ebenso erwähnt der Zeitgenosse GESSNER's, der berühmte Arzt und Naturforscher KEnNTMAnN in Torgau, in seiner » Nomen- clatura rerum fossilum, quae in Missnia etc. inveniuntur« des Milch- steins vom Galgenberge bei Hildesheim, sowie des Vorkommens von Vitriol, der aus einem grauen Kupferstein fliesst, und unter- scheidet nach Grösse und Farbe sieben Arten daselbst vorkom- mender Belemniten.

KIRCHER in seiner » Mundus subterraneus« nimmt nur auf die in der Nähe befindlichen Salzquellen von Heiersum, Salzdetfurth und Salzlibenhall Bezug.

Von ungleich grösserem Interesse ist aber ein Werk, welches ein hiesiger Arzt, FRIEDRICH LACHMUND, unter dem Titel » Oryecto- graphia Hildesheimensis« ın der hiesigen Druckerei von JACOB MÜLLER's Wittwe 1669 auf eigene Kosten erscheinen liess. Es ist dieses Werk eben das erste, welches eine fest abgegrenzte

Erde auch bei den Zwerglöchern. Blutstein, Haematites, und schaliger Eisen- stein, Schistus, finde sich jenseits des Moritzberges (?) und bei den Zwerglöchern. Milchstein, Galactit, eine weisse Erde, die einen Milchsaft von sich gebe, in den Steinbrüchen am Galgenberge. Gyps, weiss wie Elfenbein oder zuckerartig (Hildesheimer Wald, Himmelsthür pp.) und Marienglas werde bei Hildesheim, Samius lapis (2) bei Hasede neben der Mühle gefunden. Ammonites (ist bei Acrıcora und Lacnuusp der Rogenstein des bunten Sandsteins) finde sich in den Kiesgruben bei Hildesheim, Kalkspath, Rhombit, am Galgenberge. Lepidot (nach der Beschreibung Nagelkalk), Geodes, Aetites und Enchydros von meist kugliger Gestalt, der innere Kern oft lose und klappernd. Ostracites (hartgebrannte Posidonienschiefer) werde bei den Zwerglöchern gefunden und diene zum Glätten der Haut. Coticula, Probirstein der Goldarbeiter, finde man in den Bächen bei Hildesheim. Weisser Marmor in°den Steinbrüchen jenseits des Moritzberges (Muschelkalk), Schwarzer Marmor bei den Zwerglöchern (Monotiskalk des Posidonienschiefers), derselbe rieche gerieben wie gebranntes Horn, Korallenstein, elfenbeinartiger Marmor, den man früher zu Säbelgriffen verwandt (2). Pyrites, Schwefelkies (nicht Feuerstein, wie Lacumusp annimmt). Cadmia metalla, Kobold, als Anflug in den Steinbrüchen bei Hildesheim, Schwefel als Niederschlag der Schwefelquellen bei Hildesheim. Pharmaeites, eine feinspaltige schwarze Erde, wie Fichtenkohle, in den Steinbrüchen des Gralgenberges (?).

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 11

Gegend, Hildesheim und seine nächste Umgebung, in ihren geo- logischen Beziehungen erörtert, die in derselben vorkommenden Versteinerungen und Mineralien beschreibt und durch zahlreiche Abbildungen in Holzschnitt erläutert. Behauptet somit dieses Werk in der Literatur der Geologie mit Recht einen ehrenvollen Platz und muss auch anerkannt werden, dass dasselbe lange Zeit in weiten Kreisen höchst anregend gewirkt hat, so wird doch das Verdienst des Verfassers in so fern nicht unerheblich gemindert, als das Werk eigene Beobachtungen des Verfassers nur in sehr geringer Zahl enthält. Er erklärt ausdrücklich, dass der Umstand, dass die von VALERIUS CoRDUS im hildesheimischen Gebiete ge- fundenen Fossilien in dem Werke des AGRICOLA so sehr mit anderen vermischt aufgeführt seien, es ihm der Mühe werth er- scheinen liess, dieselben in einer Abhandlung zusammenzustellen. Dem entsprechend sind dann alle auf hildesheimische Fossilien bezügliche Stellen des AGRICOLA, nur in einer etwas veränderten Reihenfolge, wörtlich abgedruckt und nur hie und da mit einigen Zusätzen versehen. Es muss das um so mehr auffallen, als seit dem Erscheinen des AGRIcoLA’schen Werkes doch mehr als hundert Jahre verflossen und der Verfasser ausdrücklich versichert, dass er selbst, um besser urtheilen zu können, die Berge, Thäler, Stein- brüche und Sandgruben zwischen der Stadt und Steuerwald (?) in der Länge und Breite oft durchforscht habe. Ich darf mich des- halb auch darauf beschränken, aus dem im Uebrigen mit grosser Wärme geschriebenen interessanten Werke nur das anzuführen, was als eine weitere Bereicherung der Kenntniss unserer Gegend anzusehen, oder uns über die Auffassung der damaligen Zeit, insbesondere des Verfassers hinsichtlich der Bedeutung der in den Gebirgsschichten enthaltenen organischen Einschlüsse Aus- kunft giebt. .

LacHmunD hat das lateinisch geschriebene Werk seinem Bischof MAXIMILIAN HEINRICH mit dem Zusatze gewidmet: » Wenige Fürsten, Grosse und Gelehrte haben sich mit der Naturwissenschaft beschäf- tigt und doch ist, die Theologie ausgenommen, keine Wissenschaft göttlicher als diese.<c An den Leser wendet er sich mit der Be- trachtung, dass wir die Natur auch im Mineralreich niemals müssig

12 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

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sehen, dass sie fast täglich neue Wunder schafft, indem sie Nach- bildungen der Schöpfungen im Pflanzen- und Thierreich macht, doch scheint es, dass sie diesen Nachbildungen kein Leben zu verleihen vermag, aber sie schafft sie wie die Maler- und Bild- hauerkunst in Metall und anderem Gestein nach dem Ideal. Das Bild Christi wird, in Metallen und in Steinen von der Natur ge- malt, aus dem Innersten der Erde zu Tage gefördert. Thiere, Vierfüssler, Vögel und Wasserthiere bringt die Natur nicht nur ganz, sondern auch einzelne Theile derselben, Zähne, Wirbel, Blätter, in gleicher Weise hervor. Ebenso Sonne, Mond und Sterne. Kurz, denselben wissenschaftlichen Standpunkt wie AGRI- COLA nimmt auch noch LACHMUND ein.

Von den eigenen Beobachtungen LACHMUnD’s führen wir nur an, dass er bei den Ammoniten die Loben »guae quasi Juncturis cohaerent«, jedoch nicht deren Bedeutung erkannte und davon die Schale »armatura« unterschied. Aus dem Muschelkalke beschreibt er auch die dem AgrıcoLA unbekannte Krone des Enerinus lilü- Formis. Der Werth des LacHmunD’schen Werks wird aber durch die demselben beigefüsten, wenn auch in grobem Holzschnitt aus- geführten, doch der Mehrzahl nach sofort erkennbaren Abbildungen noch sehr erhöht, da die Beschreibung, welche sich, wie bei AGRICOLA, häufig nur auf die Angabe der Farbe und Härte be- schränkt, den Gegenstand oft gar nicht erkennen lässt. Aus den Abbildungen, welche eine grössere Artenzahl wiedergeben, als AGRICOLA und LACHMUND beschreiben, erkennen wir aber leicht Enerinus hiliüformis, Kelch, Becken und Stielglieder, Lima striata, Gervillia soclalis, Terebratula vulgaris, Turritella obsoleta, Ceratites nodosus, sämmtlich dem Muschelkalk angehörig, und aus der Juraformation Cercomya ewcentrica, Pecten varians (2), Rhynchonella pinguis, verschiedene Natica - Arten, Chemnitzia Heddingtonensis (Steinkern), Nerinaea visurgis, Ammonites Parkinsoni, Ammonites capricornus (aus Kiesgruben), Belemnites irregularis und Belemmites giganteus. Aus der Kreide werden unter dem Namen Brontia Feuersteinkerne von Echiniten aus dem hiesigen Diluvium abge- bildet. Ebenso zeigt eine Tafel den auch von AGRICOLA ange- führten Ammonites seu Hamites » Rögenstein«, qui ova salmonis

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Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 13

refert, em m den hiesigen Kiesgruben gefundenes Stück Rogen- stein des Buntensandsteins. Die grösste Leistung der Phantasie bekunden aber zwei Abbildungen sehr kleiner glatter Cidariten- stacheln mit den Köpfen (pag. 55 Nr. I, 10), von denen es heisst: Sunt Jigura penis absque praeputio. LACHMUND erwähnt auch den hier gefundenen dentem molarem giganteum (Bleph. primigenius), auch gehört wohl die Abbildung » Dalenae vertebra« ebenfalls dem Eleph. primig. an. Als Ceraunia, Ceraunius lapis, Donnerkeil, ist auch eine prähistorische Steinaxt unter den Gesteinen aufgeführt und abgebildet. Jetzt bezeichnet man mit dem Namen »Donner- keile« die Belemniten, obschon ich kürzlich auch noch eine solche Steinaxt aus hiesiger Gegend erhielt, die als Donnerkeil bezeichnet wurde und bei einem Gewitter niedergefallen sein sollte.

In recht origineller Weise schliesst LACHMUNnD sein Werk. Nachdem er die intermittirenden Gewässer, den ÖOrtschlump am Fusse des Galgenberges und den Hungerbrunnen in Himmels- thür erwähnt, auch hervorgehoben, dass, als 1649 die Schwefel- quelle bei Hasede hervorgebrochen, die ganze Gegend mit Schwe- felgeruch erfüllt sei und 1666 beim Ausschöpfen des Schlammes aus dem Brunnen des Senators BRANDIS auf der Osterstrasse vier Arbeiter von den giftigen Dünsten getödtet seien, diese Dünste aber auch von dem jungen Broihan nachgeahmt würden, so dass daran vor einigen Jahren m den Bierkellern Menschen getödtet seien, schliesst er mit den Worten: »Sed nolo in his esse longior qwia potius velicto fonte mortis, me converto ad fontem vitae Jesum Christum, cwi sit gloria et laus«.

Es muss ın der That auffallen, dass, nachdem einmal die in den Gebirgsschichten eingeschlossenen Organısmen die Aufmerksam- keit der Naturforscher erregt hatten, man doch ein und ein halbes Jahrhundert an der Vorstellung festhielt, dass diese Einschlüsse lediglich Naturspiele seien, dass man insbesondere nicht einmal dahin gelangte, einen Unterschied zu machen zwischen solchen zufälligen Gebilden, welche man auch jetzt noch als Naturspiele bezeichnet, deren Form nur beim ersten oberflächlichen Anblick und mit Hülfe der Phantasie die Vorstellung von einem Gegen- stande hervorrufen, als beispielsweise Steine, die einer Hand, einem

14 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

Fusse, einem Herzen pp. ähneln, Vorstellungen, die durch eine ernste Vergleichung sofort wieder zerstört werden, und solchen Gebilden, die auch bei eingehendster Untersuchung volle Ueber- einstimmung mit lebenden Organismen zeigen. So wenig AGRICOLA als LACHMUND machen einen Unterschied zwischen einem in einem Gestein eingeschlossenen Gebilde, welches an die Form eines Kreuzes, einer Hand oder eines Eies erinnert, und der einem lebenden Conchyl in allen Theilen vollständig gleichenden Ver- steinerung.

Als der Erste, welcher durch Anwendung einer richtigen Untersuchungsweise dahin gelangte, festzustellen, dass die Ver- steinerungen im der That organische Gebilde und nicht blos Nachbildungen derselben seien, ist der grosse Philosoph LEIBNITZ (1646 —1716) zu nennen. Seine im Jahre 1691 geschriebene » Protogaea« sive de prima facie telluris et antiquissimae historiae vestigüs in ipsis naturae monumentis dissertatio ıst freilich erst im dem literarischen Nachlass des Verfassers aufgefunden und erst im Jahre 1749 durch CHR. Lup. SCHEID in Göttingen veröffentlicht.

LEIBNITZ weist darauf hin, wie oft die kleinste Beobachtung für die Erklärung wichtiger Fragen von Bedeutung ist. Es solle daher ein jeder auf seinem Boden das Merkwürdige beobachten, dann würden die gemeinsamen Entstehungsgründe leichter gefunden werden. Die Erklärung eines Gegenstandes als Naturspiel sei lediglich em Deckmantel für die Unwissenheit. Naturspiele seien Schlüsse der Einbildung, nicht der Augen. Der zufälligen Bildung werde dabei ohnehin meistens durch die Kunst nachgeholfen und die Leichtgläubigkeit ersetze, was der zufälligen Bildung fehle. Seine Ansichten über die Bildung der Erde spricht LEIBNITZ in wenigen Sätzen schon dahin aus, dass die Sonne und die übrigen Fixsterne durch sich selbst leuchten, die von ihren Sonnen aus- gestossenen dunklen Weltkörper (Planeten) seien durch Festwerden der erkaltenden Hülle entstanden, so auch unsere Erde, deren Rinde eine Glaskruste und deren Inneres nach Ansicht der meisten Gelehrten noch feurig sei, wie das auch durch die Beschaffenheit der Gesteine, durch die Vulcane und Erdbeben erwiesen werde.

Die Erde habe ursprünglich eine regelmässige Form, welche sich

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aus dem anfänglich flüssigen Zustande erkläre. Die unebene Be- schaffenheit ihrer Oberfläche sei erst später hervorgetreten, durch Auswaschungen, Erdbeben und Vulcane. Die Erde sei wiederholt überfluthet durch Gewässer, welche in tiefen Höhlen eingeschlossen, diesen entströmten und später dahin zurückkehrten. Die in Wasser löslich gewordenen Stoffe seien fortgeschwemmt und hätten sich dann allmählich übereinander niedergeschlagen (Bildung der Flötz- gebirge). Die jetzt im festen Gestein eingeschlossenen Organismen seien aber nicht durch ein plastisches Vermögen der Natur ent- standen, vielmehr werde durch diese eingeschlossenen Reste von Thieren und Pflanzen bewiesen, dass die jetzt festen Gesteine einst von flüssiger Beschaffenheit gewesen. Manche Gelehrte wunderten sich zwar, dass man ın den Gesteinen Arten finde, welche anderswo (lebend) noch nicht gefunden, z. B. Ammoniten, aber wer kenne die abgelegenen Meerestiefen und wie viel Neues werde noch immer entdeckt. Die Ueberzeugung, dass alle geschichteten Gebirge aus Niederschlägen des Meeres im Laufe unermesslicher Zeiträume gebildet und dass die in denselben eingeschlossenen Organismen Zeugniss geben von der in diesen langen Zeiträumen stattgehabten stetigen Umwandlung der Thier- und Pflanzenwelt, lag freilich auch noch LEIBNITZ fern, und ausdrücklich verwahrt sich derselbe gegen die Annahme, dass Gebirge wie die Alpen durch die Kräfte der Natur aufgerichtet sein könnten.

Nach diesen allgemeinen Ausführungen wendet sich die merk- würdige Abhandlung zu den Versteinerungen (lapides conchilns Jactos) und hier sind es dann ebenfalls vorzugsweise die bei Hil- desheim sich findenden Versteinerungen, welche unter Hervor- hebung der Arbeiten des AGRICOLA und LACHMUND eingehend besprochen werden. Neuere Funde hiesiger Gegend werden aber nicht erwähnt und nur die Folgerungen, welche an die in den genannten Werken aufgeführten Versteinerungen und Mineralien seknüpft werden, sind von Interesse. Die der Abandlung beige- fügten Abbildungen sind zum grössten Theil Nachbildungen der Holzschnitte des LacHmunD’schen Werkes. Erwägt man aber, dass diese Abhandlung nur zweiundzwanzig Jahre nach dem Er- scheinen des LacHmunp’schen Werkes geschrieben ist, so kann

16 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

nicht verkannt werden, dass die darin ausgesprochenen Ideen einen gewaltigen Fortschritt auf dem_ Gebiete der Geologie bekunden und dass mit diesen Ergebnissen ernster Forschung die Wissenschaft der Geologie erst ihren Anfang nimmt, doch darf allerdings nicht übersehen werden, dass, wenn des Engländers WoODWARD An- schauungen auch einige Jahre später als die damit übereinstimmenden des Leısnitz zum Abschluss gelangten, dieselben doch schon im Jahre 1695, also ungleich früher als »Essay towards the natural history of the earth« in London veröffentlicht sind 1).

In dem letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts entwickelten aber auch mehrere tüchtige Gelehrte m Hildesheim eine anerken- nenswerthe Thätigkeit auf den verschiedenen Gebieten der Natur- wissenschaft, durch welche auch die Kenntniss der geologischen Verhältnisse unserer Gegend in erfreulicher Weise gefördert wurde. Der Hofkammerrath und Landbaumeister HöFER schrieb ein » Spe- cimen historiae naturalis praepositurae cathedralis hildesiensis. Hil- desii, typis Schlegelianis 17702).« Der Dr. SCHNECKER, ein gebo- rener Hildesheimer, der, anfänglich Arzt, sich bald ausschliesslich den Naturwissenschaften zuwandte, aber leider früh verstarb, schrieb eine »Topographie von Hildesheim«, in welcher bereits Ur- gebirge, Uebergangsgebirge und Flötzgebirge unterschieden werden

1) Früher als im nördlichen Europa sind italienische Gelehrte zu einer rich- tigeren Beurtheilung des Wesens der Versteinerungen gelangt, wie sich das aus der ungleich besseren Erhaltung der in den sandigen und thonigen Tertiärschichten Italiens enthaltenen Versteinerungen und aus der leichten Vergleichung derselben mit den im Mittelmeere lebenden, grösstentheils gleichen Arten auch leicht erkläit. In dem in diesem Jahre erschienenen zweiten Bande der »sSeritti litterarü di Leoxarvo Da Vıncı, cavati dagli autografı e publicati da P. P. Rıcnrer, Londra 1583« finden sich bisher noch nicht veröffentlichte Abhandlungen dieses grossen und vielseitigen Künstlers und Gelehrten über geologische Fragen, welche der Zeit von 1470 1480 und dem Jahre 1510 angehören. In denselben wird auch schon bestimmt die Ansicht ausgesprochen, dass die in dem Schlamm einge- schlossenen Muscheln gleichzeitig mit dem Schlamme zu Stein geworden, sowie auch, dass gewisse Erscheinungen nur durch die stattgehabte Bedeckung der Erde durch das Meer zu erklären seien.

?) Aus Hörer’s Sammlung stammt der bei Mehle (Elze) gefundene grosse Stosszahn von Klephas primigenius, welchen Professor Leunss dem Professor Gerwmar in Halle geschenkt und der noch heute eine Zierde des dortigen paläon- tologischen Museums ist.

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und das Nichtvorhandensem der beiden ersteren Gebirgsabtheilungen im Gebiete des Fürstenthums Hildesheim erwähnt wird. Im Uebrigen entspricht die auch nur kurze Schilderung der geognostischen Ver- hältnisse unserer Gegend dem damaligen, noch wenig vorgeschrittenen Stande der Wissenschaft, doch wird schon eine recht gute Beschrei- bung des Diluviums unserer Gegend gegeben. »Dasselbe ist durch gewaltige Fluthen, nicht durch unsere Flüsse in unserer Gegend »verbreitet, denn es liegt viel höher als die Flüsse. Es enthält »eine grosse Mannigfaltigkeit von Gesteinen, welche in diesem Lande »nicht zu Hause sind, als Granit, Porphyr, Breccie, Jaspis, Feld- »spath, zum Theil aber auch Gesteine des Harzes.«< Noch inter- essanter ist eine andere Abhandlung desselben Gelehrten, »Ver- steinerungen bei Dieckholzen« überschrieben. In derselben wird bereits eine grössere Anzahl der in den oberoligocänen Ter- tiärablagerungen von Dieckholzen vorkommenden Versteinerungen aufgeführt und schon das seltene Vorkommen des schönen Krebses Ranina speciosa vw. Münst. erwähnt, indem es am Schluss heisst »die merkwürdigste Versteinerung ist aber eime Art Seekrebs, Cancer raninus L., nicht von den Tropen, sondern Bewohner der Tiefen unseres Meeres<. Ueber das Alter und die Lagerungsver- hältnisse dieser Bildung herrscht natürlich noch vollständige Un- kenntniss. Beide genannten Aufsätze sind übrigens in dem »Hil- desheimischen Wochenblatt«, einer gemeinnützigen Zeitschrift, im Jahre 1780 erschienen.

In dieser selben Zeitschrift veröffentlichte 1786 auch JoseErH ANTON ÜRAMER, Professor an dem fürstlichen Gymnasium in Hil- desheim, eine »physische Beschreibung der Stadt und Gegend um Hildesheim«e. Diese Abhandlung erschien einige Jahre später er- weitert unter dem Titel »Physische Briefe über Hildesheim und dessen Gegend von J. A. CRAMER, Hildesheim bei Schlegel 1792«. Dieses Werk ist zwar in keinem Zweige der Naturwissenschaften als ein bahnbrechendes zu bezeichnen, es be- urtheilt aber die hiesige Gegend in mineralogischer, geologischer, botanischer und zoologischer Beziehung in einer dem damaligen Stande dieser Wissenschaften entsprechenden Weise so richtig und ist dabei mit, so grosser Wärme geschrieben, dass wohl nur

2

18 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim,

wenige Städte aus dieser Zeit eine dieser Arbeit gleichkommende Schilderung der physischen Beschaffenheit ihrer Umgebung be- sitzen. Die Absicht, die Bewohner der geschilderten Gegend aufzuklären und den Fortschritt in geistiger und in materieller Beziehung zu fördern, macht sich auf jeder Seite des vortrefflichen Buches geltend, und die innige Liebe des Verfassers zur Natur, die Würdigung der hohen landschaftlichen Reize unserer nächsten Umgebung tritt bei jeder Schilderung der physischen Beschaffenheit derselben hervor. Das Buch hat mich in der Jugend angeregt und belehrt und auch im Alter durch seine Schilderungen noch oft auf das wohlthuendste berührt. ÜRAMER führt den Leser von den Thoren der Stadt nach allen Richtungen m die Umgegend, beschreibt die emzelnen Höhenzüge nach ihrer geognostischen Be- schaffenheit, führt auch eine grössere Zahl von Versteinerungen auf, als alle seine Vorgänger, wobei freilich die wissenschaftliche Be- zeichnung und Beschreibung derselben noch eine sehr mangelhafte ist, auch die Bedeutung der Versteinerungen für die Bestimmung des relativen Alters der verschiedenen Gebirgsschichten noch nicht er- kannt ist. So erscheint es dem Verfasser als etwas Wunderbhares, dass von Enerinus lilüformis, der doch auf den Bergen westlich von der Innerste (Muschelkalk) so häufig sei, in den Schichten des Galgenberges (Jura) nicht ein Bruchstück gefunden werde. Recht werthvoll ıst auch das Anführen mancher Aufschlüsse, welche jetzt nicht mehr vorhanden sind. Aus dem Vorberichte mag hier auch noch erwähnt werden, dass die Bearbeitung des botanischen Inhalts des Buches durch den später so berühmt gewordenen Botaniker HEINR. Fr. Lınk, dessen Vater an der hiesigen Annen-Kirche Pastor war und der auf dem hiesigen Gymnasium Andreanum seine Schulbildung erhalten, in so weit unterstützt wurde, als derselbe dem Verfasser ein in dessen Werk aufgenommenes Verzeichniss derjenigen Pflanzen zusandte, welche er in seiner Jugend unter Anleitung seines Vaters und seines Lehrers, des Dr. SCHNECKER, bei Hildesheim gesammelt hatte 1).

') Der in dem hiesigen städtischen Museum aufgestellte Abguss der in der Academie in Berlin befindlichen Marmor -Büste Lixx’s (f 1851 in Berlin) ist ein werthvolles Geschenk Leoroup’s von Buch in Veranlassung der demselben von mir

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Der Domcapitular Freiherr FRANZ VON BEROLDINGEN in Hil- desheim, der meistens im nahen Walshausen wohnte, schrieb ein in Hannover und Osnabrück 1780 und 1792 in 2. Auflage er- schienenes, zweibändiges Werk: » Beobachtungen, Zweifel und Fragen, die Mineralogie überhaupt und insbesondere ein natür- liches Mineralsystem betreffend«. Die geologischen Verhältnisse des Fürstenthums Hildesheim werden in demselben aber nur wenig berührt, doch geschieht des Vorkommens des Erdöls bei Peine und des Glaubersalzes bei den Zwerglöchern Erwähnung. Endlich müssen wir aus dieser Zeit auch noch die » Beiträge zu einer mineralogischen Geschichte der Hochstifte Paderborn und Hildes- heim vom Hüttenverwalter HEINRICH LANGER, herausgegeben von E. L. ZinTt6RAF, Leipzig 1789« nennen, obschon die das hildes- heimische Gebiet betreffenden oberflächlichen Reiseeindrücke die Kenntniss der geologischen Verhältnisse unseres Gebiets in keiner Weise bereichern.

Jedenfalls wird durch die zuletzt besprochenen fünf Arbeiten dargethan, dass die geologischen Verhältnisse Hildesheims in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts in den wissenschaft- lichen Kreisen der damals kaum 12000 Einwohner zählenden Stadt in erfreulichster Weise Berücksichtigung gefunden haben.

Erst nachdem auf Grund der von LA PLACE aufgestellten Theorie von der Entstehung unseres Sonnensystems die Grundlage für die Entwickelungsgeschichte der festen Erdrinde gegeben war und namentlich durch WERNER’s berühmte Schüler ALEXANDER von HUMBOLDT und LEOPOLD von Buch mit der Erkenntniss, dass die in den verschiedenen Gebirgsschichten eingeschlossenen organischen Reste zur Feststellung des relativen Alters dieser Schichten geeignet seien, die Geologie sich als neue Wissenschaft den älteren anreihte, fanden auch die so mannigfaltigen geolo- gischen Verhältnisse der Umgebung. Hildesheims neue Bear- beiter. Zuerst muss hier FRIEDRICH HOFFMANN, Professor der Geologie in Berlin, genannt werden, dem wir die erste geologische

mitgetheilten, zum Nekrolog benutzten Nachrichten über Link’s Jugendjahre. Die »Link-Strasse« in Berlin.

IF

20 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

Karte des nordwestlichen Deutschlands zu danken haben, die ja bis in die neueste Zeit als Grundlage für alle gleichartigen Arbeiten gedient und zu eingehender Erforschung der einzelnen von ihr umfassten Gebiete so vielfach Anregung gegeben hat. Diese Karte umfasst auch das Hildesheimische und zeugt auch hier von dem Scharfsinn und Fleisse dieses leider zu früh verstorbenen Forschers.. Sodann war es mein ältester Bruder, der 1869 in Clausthal als Bergrath und Director der Bergacademie verstorbene FRIEDRICH ADOLPH ROEMER, welcher, als Amtsassessor in seiner Vaterstadt Hildesheim angestellt, hier zunächst durch die von mir und meinem jüngeren Bruder in unserer nächsten Umgebung gemeinschaftlich gesammelten Versteinerungen sich angeregt fand, diesem Zweige der Naturwissenschaft ebenfalls sein Augenmerk zuzuwenden. Derselbe war bereits ein tüchtiger Botaniker und wusste somit auch dieses ıhm neue Gebiet sofort mit wissen- schaftlichem Auge anzugreifen. Die Schwierigkeit, welche ihm die Beschaffung der literarischen Hülfsmittel verursachte, über- wand er bezüglich der kostbarsten, aber unentbehrlichen Werke von SOWERBEY, ZIETEN und GOLDFUSS durch schriftliche Auszüge und miühevolle Copirung der sämmtlichen Abbildungen dieser Werke. Unermüdlich in der Erforschung der hiesigen Gegend, stellte er sich doch bald die Aufgabe, den gesammten Jura des nordwestlichen Deutschlands zu bearbeiten. Seinem rasch das Wesen jeder Sache erkennenden Scharfsinn, den ein scharfes Auge unterstützte, gelang es denn auch schon in wenigen Jahren, nicht nur die Folge der Schichten der hier bei Hildesheim so vollständig entwickelten Juraformation nach ihrem relativen Alter zu begrenzen und die für die einzelnen Glieder charakteristischen Versteinerungen zu ermitteln, sondern auch die sämmtlichen, sonst in Norddeutschland auftretenden Glieder dieser Formation zu un- tersuchen und mit den hiesigen in Parallele zu stellen. Im Jahre 1835 erschien in der Hahn’schen Verlagsbuchhandlung im Hannover sein »Oolithengebirge«, zu welchem 1838 noch ein »Nachtrag« er- folgte. In diesem Werke sind etwa 560 Arten Versteinerungen aus dem norddeutschen Jura aufgeführt und davon etwa 250 Arten als neu beschrieben. Sämmtliche dem Werke beigefügten, zahl-

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reichen Abbildungen sind von dem Verfasser selbst gezeichnet. An. RoEMER’s »Oolithengebirge« ist dasjenige seiner Werke, welches für die Kenntniss der geologischen Verhältnisse des Hildeshei- mischen Gebiets von höchster Bedeutung ist, ein Werk, welches aber auch für das Studium des norddeutschen Jura allezeit als ein grundlegendes wird angesehen werden').

Endlich mag denn auch in dem Erschemen meiner, den süd- lichen Theil des vormaligen Königreichs Hannover umfassenden geologischen Karte eine, wenn auch weniger in’s Gewicht fallende Erweiterung der Kenntniss der geologischen Verhältnisse Hildes- heim’s und seiner Umgebung gefunden werden. Das Hannoversche Finanzministerium glaubte schon in den vierziger Jahren auf die

1) Mit demselben Erfolge wandte sich Av. Rormer der Untersuchung der Kreideformation im nordwestlichen Deutschland zu. Er erkannte zuerst das Vor- handensein des ältesten Gliedes dieser Formation in Norddeutschland, das von ihm als »Hils« bezeichnete Neocom, und gelangte zu einer, im wesentlichen noch heute anerkannten Gliederung der mannigfaltigen Schichtenfolge dieser in Nord- deutschland so weit verbreiteten Formation. Im Jahre 1841 erschien sein Werk »die Versteinerungen des norddeutschen Kreidegebirges«, welches dem oben ge- nannten an Bedeutung kaum nachsteht. Während semer vierundzwanzigjährigen Lehrthätigkeit an der Bergschule in Clausthal nahm ihn die Erforschung der schwierigen geologischen Verhältnisse des Harzgebirges fast ausschliesslich in Anspruch und publicirte er die Ergebnisse dieser Untersuchungen als »Beiträge zur geologischen Kenntniss des nordwestlichen Harzgebirges«, welche in 5 Abthei- lungen von 1850 —1866 in Cassel erschienen. Unter den zahlreichen sonstigen wissenschaftlichen Arbeiten, zu denen auch ein Werk »die Algen Deutschlands« zu zählen, ist besonders der die Mineralogie und Geognosie umfassende III. Band der »Synopsis der drei Naturreiche« hervorzuheben, welche unser gelehrter Lands- mann Professor Leuxıs, mit dem wir drei Brüder viele Jahrzehnte in engster Freundschaft verbunden gewesen, im Jahre 1853 bei Hahn im Hannover er- scheinen liess.

Erwähnt mag hier aber auch noch werden, dass Fr. An. Rormer die An- hänglichkeit an seine Vaterstadt auch dadurch bewährt hat, dass er dem, auf meine Anregung, aber unter kräftigster Mitwirkung des Justizraths Lüntzer, meines Oheims, und des Professors Leunıs, im Jahre 1544 gegründeten städtischen Museum schon bei Lebzeiten nicht nur seine Petrefacten- und Mineraliensammlung und sein Herbarium, sondern auch den grössten Theil seines Vermögens überwies. Die, wenn auch nicht sehr umfangreiche Petrefactensammlung wird wegen der darin enthaltenen Original- Exemplare getrennt von der Petrefactensammlung des Museums aufbewahrt.

22 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

Beschaffung einer geologischen Karte des Landes Bedacht nehmen zu müssen und liess zu diesem Zwecke ihren Berg- und Salınen- beamten die ihre Gegend betreffenden Blätter der PaPrr’schen Karte mit dem Auftrage zugehen, auf dieselben die geologischen Verhältnisse der Gegend aufzutragen. Diesem Auftrage wurde aber von keiner Seite entsprochen. In derselben Zeit hatte ich mir die geologische Aufnahme des ehemaligen Fürstenthums Hil- desheim zur Aufgabe gestellt und führte dieselbe daun auch so weit aus, dass im Jahre 1850 die beiden ersten Blätter, im Maass- stabe von 1:100000, welche das Gebiet der Stadt Hildesheim, den Osterwald und das Leinethal bis Eimbeck umfassten, bei Simon Schropp in Berlin erscheinen konnten. Seitens der Re- gierung wurde diese nicht erwartete Arbeit sehr wohlwollend auf- genommen und nicht blos deren Veröffentlichung, sondern vor allem auch deren Fortsetzung mit grosser Bereitwilligkeit unter- stützt. An der weiteren Bearbeitung betheiligten sich dann auch meine Brüder so weit, dass ADOLPH ROEMER den hannoverschen Harz und Dr. FERD. RoEMER zwei Blätter des Osnabrückschen ausführten, während von mir noch 6 andere Blätter bearbeitet sind. Das Gebiet der Stadt Hildesheim und ihre nächste Umgebung ist auch durch das dieser Karte beigefügte Blatt von Profilen und die von mir im 4. Bande der Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft gegebenen Erläuterungen dieser beiden Kartenblätter in seinen geologischen Beziehungen eingehend erörtert.

Die erste, im Jahre 1868 in Hildesheim tagende Versammlung der deutschen Geologen veranlasste mich zu der Aufstellung einer die Stadt und deren nächste Umgebung betreffenden geologischen Karte im Maassstabe von 1:25000, auf welcher auch das Dilu- vium und das Alluvium aufgetragen ist. Dieses Blatt ist aber nur in wenigen Exemplaren vervielfältigt und nicht publicirt, weil die als Unterlage benutzte alte Karte des hannoverschen General- stabes sich doch als ungenügend erwies. Möchte sich deshalb das Central-Directorium der Vermessungen im Preussischen Staate nun doch auch recht bald für die Kartirung unserer so dicht bevölkerten Provinz entscheiden, wo gute Karten den vielseitigsten Nutzen ge- währen und zur Herstellung einer auch für diesen Landestheil

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 23

ganz besonders wünschenswerthen, neuen geologischen Aufnahme Veranlassung geben würden.

In neuerer Zeit ist auf das Vorkommen interessanter Ver- steinerungen in den verschiedenen Schichten der Juraformation unseres Gebiets von vielen Schriftstellern Bezug genommen und hat die Kenntniss derselben besonders durch von SEEBACH’s »hannoverschen Jura« und ungleich mehr noch durch die Arbeiten BrAUuNS', der sich hier längere Zeit niedergelassen und hier seinen »oberen Jura« ausarbeitete, erhebliche Bereicherungen erfahren.

24 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

I.

Nach diesen geschichtlichen Mittheiluüngen wende ich mich nun zu der Hauptaufgabe, die ich mir gestellt, zu der Schilderung der geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim und ihrer nächsten Umgebung. Das Gebiet, welches ich hier in seinen geologischen Beziehungen besprechen werde, ist allerdings nur ein beschränktes, da es kaum mehr als eine halbe Quadratmeile umfasst. Die geologischen Verhältnisse desselben sind aber sehr mannigfaltige und es kommt hinzu, dass eine richtige Beurtheilung derselben auch einen sicheren Anhalt für die Beurtheilung der geologischen Beschaffenheit der sich nach Norden und mehr noch der sich nach Süden in weiter Erstreckung anschliessenden Ge- biete gewährt. Das Gesammtergebniss meiner Beobachtungen ist auch auf der diesen Ausführungen angeschlossenen, im Maassstabe von 1:15000 aufgenommenen Karte dargestellt, zu deren Erklärung eben die folgenden Mittheilungen dienen werden. Der Umstand, dass die neue Kartirung der Provinz Hannover das Hildesheimische Gebiet noch nicht umfasst, hat die Herstellung einer für diesen Zweck genügenden Karte zwar sehr erschwert, doch wird die Ge- nauigkeit der gewonnenen Unterlage nicht zu bezweifeln sein, ob- schon auf die Ausführung unwesentlicher Einzelheiten, wie die Angabe mancher Strassen und Strassennamen innerhalb der Stadt, verzichtet werden musste, auch die Schraffirung der Höhenzüge dem wirklichen Höhenverhältniss nicht überall genau entsprechen wird. Auf dieser Karte könnte die Begrenzung der einzelnen Zonen durch vollkommen gerade Linien auffallend erscheinen. Dieselbe erscheint aber ganz gerechtfertigt, wenn man berück-

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 25

sichtigt, dass bei dem Bau des auf der Nordseite der Stadt be- findlichen Eisenbahnkanals, dem wir die neuesten und wichtigsten Aufschlüsse verdanken und auf den wir eingehend zurückkommen werden, der Punkt des ersten Auftretens jeder neuen Schichten- folge mit grösster Bestimmtheit festgestellt werden konnte und die im Süden der Stadt befindlichen Aufschlusspunkte derselben Zonen in den meisten Fällen eine eben so genaue Feststellung der Be- grenzungspunkte derselben zuliessen, wie es in dem Kanale der Fall war. Eine Verbindung dieser Punkte durch gerade Linien erschien besonders bei der Kürze der Entfernung am wenigsten willkürlich und wurde ohnedem durch zahlreiche Aufschlüsse einiger Schichten (Hils, Florigemmaschichten) auf den Zwischenpunkten noch besonders gerechtfertigt.

Was nun die in unserem Gebiete auftretenden Gebirgsforma- tionen betrifft, so habe ich, unter Hinweisung auf die Erläuterungen zu den, einen grossen Theil des Fürstenthums Hildesheim um- fassenden beiden ersten Blättern meiner geologischen Karte des südlichen Theils der Provinz Hannover, welche der 4. Band der Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft S. 478 enthält, zunächst hervorzuheben, dass die ältesten Gebirgsschichten in diesem Grebiete der

Trias - Formation

angehören und zwar den beiden oberen Abtheilungen dieser For- mation. Etwa eine Stunde von der Stadt entfernt läuft in der Richtung von Südost nach Nordwest ein gegen 300 Meter hoher, bewaldeter Bergzug, der Hildesheimer Wald genannt, der aus »Buntensandstein«, dem ältesten Gliede der Trias-Formation, besteht und dessen Schichten nach Nordost zu einfallen. Alle die jüngeren Gebirgsschichten, die wir hier eingehend besprechen werden, liegen diesen Schichten des Buntensandsteins auf und zeigen, weil sie mit denselben gleichzeitig gehoben sind, auch das gleiche Einfallen nach Nordosten. Auf diesen mächtigen Schichten des Buntensandsteins liegen aber zunächst, selbständige Bergzüge bildend, die ebenfalls sehr mächtigen Schichten des

26 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

Muschelkalks,

dessen sämmtliche Glieder, mit Ausnahme des Schaumkalks, in der Gegend von Hildesheim entwickelt sind. In dem Gebiete unserer Karte tritt aber als ältestes Glied nur die oberste Abtheilung des Muschelkalks auf, da die nordöstlichen Hänge des Rottsberges diesen Schichten angehören. Die hellgrauen Kalke des Muschel- kalks sind für die hiesige Gegend von grosser Bedeutung. Die- selben liefern uns nicht nur einen vorzüglichen Baustein, sondern es wird aus demselben auch ein sehr guter Mörtel bereitet. Vor Anlage der Eisenbahnen wurde dieser Stein auch in ausgedehn- tester Weise zum Strassenpflaster und zum Chausseebau benutzt, wozu derselbe sich jedoch seiner ungenügenden Härte wegen nur wenig eignet, wenigstens nicht da, wo schweres Fuhrwerk in Frage kommt. Für Hochbauten würde ich dem Muschelkalk aber in unserem Klima selbst vor dem kararischen Marmor den Vorzug geben, da derselbe bei grösserer Härte und geringerer Porosität dem Wetter ungleich besser widersteht, die Feuchtigkeit nicht anzieht und für alle Zeit seine schöne Farbe bewahrt. Die neuen, aus diesem Material hier aufgeführten Villen, besonders die des Generalconsul DYESs lassen hierüber keinen Zweifel. Von Verstei- nerungen sind bisher nur die aus diesen Schichten allgemein be- kannten aufzuführen, da der Muschelkalk unserer Gegend leider noch nicht so gründlich untersucht ist, wie er es seiner Bedeutung nach verdient und die möglichst vollständige Kenntniss der Gegend erfordert. Wir nennen:

Myaeites elongatus v. Schloth. Myophoria vulgaris v. Schloth. > curvirostris v. Schloth.

Gervillia socialis v. Schloth. Corbula gregaria v. Münst. Muytilus eduliformis v. Schloth. Peeten laevigatus v. Schloth.

» diseites v. Schloth.

» Albertü Goldf.

Gervillia costata.

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 27T

Lima striata v. Schloth. Ostrea spondyloides v. Schloth. Hinnites Schlotheimii Merian. Waldheimia vulgaris v. Schloth. Turritella obsoleta v. Schloth. Turbonilla scalata v. Schloth. Dentalium laeve v. Schloth. Natica Gaillardoti Lefroy. Ceratites nodosus de Haan. Nautilus bidorsatus Bronn. Enerinus lilüformis Lam. Notosaurus mirabilis v. Münst. Placodus Andriani v. Münst. Hybodus plicatilis Ag.

In jüngster Zeit wurde in geringer Entfernung von der Stadt, am östlichen Hange des Osterberges in den oberen T'honplatten des Muschelkalkes auch die ın Norddeutschland bisher nur in Thüringen beobachtete Halobia Bergeri v. Seeb. gefunden.

Der Muschelkalk des Rottsberges wird hier aber von der obersten Abtheilung der Trias-Formation, dem

Keuper

und zwar von allen drei Gliedern desselben überlagert. Das untere Glied, die

Lettenkohle,

bedeckt fast den ganzen nordöstlichen Hang des Rottsberges. In einem jetzt verschütteten Hohlwege, der neben dem, von der Trillke auf die Höhe des Rottsberges führenden Fahrwege lag, traten die dunklen, feinschieferigen Thone der Lettenkohle deutlich zu Tage, und nördlich von diesem Hohlwege, in halber Höhe des Berges, sind durch Wasserrisse und Wege, auch durch die Gräben des von Moritzberg auf den Rottsberg führenden Fahrweges gelb- liche Kalksteine dieser Bildung aufgeschlossen. Die Sandsteine derselben, graugelblich mit Glimmerschüppchen gemengt, sind aber

28 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

erst weiter südlich, an den Teichen von Röderhof und in einem jetzt nicht mehr benutzten Steinbruche vor Wesseln, dicht an der Chaussee aufgeschlossen.

Ungleich mächtiger sind aber die im Hangenden der Letten- kohle auftretenden

Bunten Keupermergel

entwickelt. In diesen Mergeln ist das Thal ausgewaschen, welches der Katz- und Steinberg auf der Nordostseite begrenzt, und dehnen sich dieselben noch weit über das linke Ufer des Trillkebaches am Fusse des Rottsberges aus. Diese Mergel bilden aber auch gewissermaassen den Sockel für den sich weit nach Norden und Süden erstreckenden Höhenzug des Krählas, des Katz- und Stein- berges und schon von dem Punkte, an welchem der nach Neuhof führende Fahrweg, den Trillkebach überschreitend, eine westliche Richtung nimmt, beginnen die Keupermergel einen, durch die Gewässer in zahlreiche Kuppen getheilten eigenen Höhenzug zu bilden. An der nach Himmelsthür führenden Chaussee ist unweit des Wärterhauses der Eisenbahn durch die ausgedehnte Kies- sewinnung der Keupermergel ebenfalls blosgelest und eine sehr erhebliche Entwicklung zeigt derselbe auch noch am Mastberge und in der Feldmark von Gross- und Klein - Giessen. Wie schon vorhin erwähnt, ist es der

Keupersandstein,

welcher auf dem bunten Keupermergel liest und den sich weiter nördlich und südlich erstreckenden Höhenzug bildet, der in unserem Gebiete unter dem Namen Krähla, Katz- und Steinberg auftritt. Diese Auflagerung auf dem Keupermergel, das unmittelbare Auf- liegen der Sandsteinschichten auf dem Mergel ist recht schön am Fahrwege, der von der Trillke auf den KRottsberg führt, sowie auch am nördlichen Ende des Krählas neben der nach Himmels- thür führenden Chaussee zu sehen. Der Keupersandstein ist ein feinkörniger, gelblicher Sandstein, von einer bis zu 15 Meter an- steigenden Mächtigkeit. Die mittleren, starken Bänke desselben

liefern einen vorzüglichen Baustein, aus dem alle Kirchen unserer

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 29

Stadt aufgeführt sind. Leider ist derselbe im Gebiete unserer Karte bereits vollständig abgebaut. In nördlicher Richtung wird das Ge- stein immer loser und schon beim Bau der grossen gothischen Villa neben der Moritzkirche, vor dessen Beginn zunächst die mächtigen Bänke dieses Sandsteins, dessen Schichten hier sehr eigenthümliche Zusammendrückungen und Verwerfungen erfahren, abgebaut wurden, zeigte dieser Stein eine so geringe Festigkeit, dass die gewonnenen Quader sich nur theilweise verwendbar erwiesen und manche Lagen aus losem Sande bestanden. Beim Dorfe Klein -Giessen fehlt den Quarzkörnern aber alles Bindemittel und werden die- selben hier als Stubensand gewonnen. Die grösste Mächtiekeit erreicht dieser Sandstein bei Hotteln und Derneburg, wo derselbe auch jetzt noch als Baustein gewonnen wird. Die unteren und die oberen Lagen desselben sind in dünne Schichten gesondert und finden kaum eine Verwendung. Von Versteinerungen erkennt man nur Abdrücke von Kalamiten und einem kleinen unbestimm- baren Zweischaler, doch ist die bisherige Untersuchung dieser Schichten keine genügende. Manche haben diese Sandsteinbildung dem Lias zuweisen wollen, aber abgesehen davon, dass sich im Hangenden desselben noch Schichten mit Hstheria minuta finden, wird dieser Sandstein, wie sich neuerlich ergeben, von dem Lias auch durch die mächtigen Schichten des »Rhät« getrennt, den man doch auch noch als ein Glied der Trias ansieht, so dass man diesen Sandstein, wenn man es vorzieht, auch als das unterste Glied des Rhät ansehen kann.

Der Rhät.

In den ersten Monaten des Jahres 1872 wurde am nördlichen Ende des Krählas, nur wenige Schritte südlich von der nach Nord- stemmen führenden Eisenbahn, durch den Bau eines Bierkellers der »Rhät«, der hier bisher unbekannt, in einer die Untersuchung sehr begünstigenden Weise aufgeschlossen. Helle, grünliche Mergel, dunkle Schieferthone, dünngeschichtete Sandsteine, in festen Bänken oder lose und dünnschichtig, setzen diese Bildung in buntem Wechsel auch hier zusammen. Die Folge der Schichten und deren Mäch-

30 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

tiokeit ist Seite 33 auf dem Profile dargestellt, welches ich meinem, im 26. Bande der Zeitschr. d. d. geolog. Gesellsch. S. 349 ent- haltenen Aufsatze über dieses Vorkommen entnommen habe.

Die untersten, nach unten nicht vollständig aufgeschlossenen Schichten (m) bestehen aus eigenthümlichen, graugrünen, mit feinen Glimmerschüppchen gemengten Mergeln. A. SCHLOENBACH hielt diese auch bei Seinstedt auftretenden Mergel für ein Aequi- ralent des Keupermergels, was aber hier nicht der Fall sein kann, da dieselben von den Keupermergeln durch mehrere Meter mäch- tige, gelblich graue Thone mit Estheria minuta und die unter diesen liegenden, hier bis 7 Meter mächtigen Bänke des Keuper- sandsteins getrennt sind.

Im Hangenden dieser graugrünen Mergel liegt, wie bei Sein- stedt, die als »Unteres Bonebed« bezeichnete Breccienbildung, welche hier aus einer nur 7 Uentimeter mächtigen Schicht fein- körnigen Sandsteins besteht, dessen Quarzkörner mit zahllosen Zähnen, Schuppen und Knochenresten kleiner Fische ein buntes Gemenge bilden.

Hierüber liegen ] Meter mächtige, dunkelgraue Schieferthone (1), deren einzelne, oft nur eine Linie starken Schichten mit ebenso dünnschichtigem, feinkörnigen und thonhaltigen Sandstein eigen- thümlich wechsellagern.

Es folgen dann 4 Meter mächtige, dunkelgraue, fast violette Schieferthone (k, ı, h), welche ın 2 bis 6 Centimeter starke Schichten gesondert, an der Luft bald mergelartig zerfallen. Nur diese Schichten des Rhät sind reich an Versteinerungen und in keiner anderen Schicht habe ich Conchiferen oder Gasteropoden angetroffen. Nach unten ist eine 0,36 Meter starke Schicht eines hellgrauen, feinkörnigen und feinschiefrigen Sandsteims eingelagert und nach oben eine andere, aus zusammengedrückten, grossen thonigen Sphärosideriten bestehende, 7 Centimeter starke Schicht, auf deren beiden Seiten sich 3—7 Centimeter starke Nagelkalke angesetzt haben.

Im Hangenden folgt nun wieder eine schwache Sandstein- schicht (2), deren dünne Lagen mit ebenso dünnen Schieferthon- lagen wechsellagern. Bedeckt wird dieselbe von einer 0,1 Meter

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 31

" mächtigen Breccienschicht, die aus einem graugrünen, sandig- thonigen, auf der Oberfläche eigenthümliche Knauern zeigenden Gestein besteht und mit Bruchstücken von Knochen und mit Zähnen von Fischen ganz erfüllt ist. Es ist dies das »Obere Bonebed«e. Die Knochenstücke dieser Breccie sind erheblich grösser, als die des »Unteren Bonebeds«, aber sehr zerstört und undeutlich, doch sind zwei Arten Flossenstacheln auch in dieser Schicht gefunden und beschrieben worden.

Die nach oben folgende, 3 Meter mächtige Ablagerung eines ockrigen, von dünnen Thonlagen durchsetzten Sandsteins (f) ist reich an Pflanzenabdrücken, unter denen aber nur ein gut erhal- tenes Farnblatt erkennkar war.

Was nun die organischen Einschlüsse dieser Bildung anlangt, so sind besonders die in den erwähnten Schichten der Schiefer- thone (k, 1, h) vorgekommenen Seesterne, Käfer und Fische von hervorragendem Interesse. OPPEL hat in dem württemberg. natur- wissenschaftl. Jahrb. XX. Jahrg. 1864 nachgewiesen, dass CAr- LENOT schon 1862 dargethan, dass die von dem Geologen BONNARD aus den Psammiten von Macigny-sous-Thil (Cöte d’or) aufgeführten Versteinerungen den Schichten der Avicula contorta angehören und darunter sich auch Asteriadeen befinden, und hat dann ferner nachgewiesen, dass ebenso im Bonebedsandstein von Nördlingen in Württemberg mit Avicula contorta auch Ophiuren vorkommen. In Norddeutschland ist das Vorkommen dieser Ophiuren zuerst bei diesem Aufschlusse beobachtet und konnte ich feststellen, dass 7 Centimeter unter der erwähnten Schicht thoniger Sphärosideriten und Nagelkalks und ebenso 7 Centimeter über dieser Schicht sich auf der Spaltungsfläche des Schiefers je eine Lage solcher Ophiuren ausgebreitet findet und zwar so massenhaft, dass man auf einem handgrossen Stück über fünfzig Individuen zählte, die jedoch der grössten Zahl nach nur in Abdrücken erkennbar waren, so dass vollständig erhaltene Exemplare, die dann noch oft den weissen, kalkigen Körper zeigten, nur in geringer Zahl gefunden sind. Da diese Ophiuren weder in tieferen, noch in höheren Niveaus dieser Schiefer gefunden wurden, so scheinen sie bald nach ihrem Auf- treten wieder ausgestorben zu sein. Durch den Herrn Professor

32 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

Dames veranlasst, hat Dr. WrıGnT diese neue Art als Ophvolepis Damesii beschrieben. 8. Zeitschr. d. d. geolog. Gesellsch. Bd. 26, S. 821. Die Käfer hat mein Bruder, Professor Dr. FERD. ROEMER in derselben Zeitschrift Bd. 28 S. 350 als Klateropsis infraliassica und Helopides Hildesiensis beschrieben und eine dritte Flügeldecke als unbestimmbar bezeichnet.

Die in diesem Schieferthone gefundenen beiden wohlerhaltenen Exemplare eines neuen kleinen Fisches hat Herr K. MARTIN als Pholidophorus Roemeri beschrieben und von zwei Arten Flossen- stacheln, welche im oberen Bonebed gefunden sind, den einen als Hybodus furcatostriatus beschrieben und den andern als Nema- canthus monilifer Ag. erkannt. S. Zeitschrift d. d. geolog. Gesellsch. Bd. 26, S. 816.

Wir dürfen aber nicht unerwähnt lassen, dass der Rhät bei Hildesheim auch schon früher an zwei anderen Stellen aufge- schlossen ist, ohne dass derselbe damals mit Sicherheit als solcher zu erkennen war, da keine Versteinerungen aufzufinden waren. Südlich von dem eben besprochenen Aufschlusse wurde auf der Nordseite. von Moritzberg am Fusse des Krählas im Jahre 1868 ebenfalls ein Bierkeller angelegt und ein nahezu 30 Meter langer Stollen in den Berg getrieben. Nachdem man schwache Schichten eines schulfrigen Thons, der den untersten Schichten des Lias angehört und sich auch bei dem eben besprochenen Aufschlusse im Hangenden des Rhät findet, beseitigt, wurde der Stollenbau zunächst in deutlich geschichteten Mergeln begonnen, welche eme Mächtigkeit von 9 Metern zeigten. Dann traf man auf die im Liegenden befindlichen, glimmerhaltigen Sandstemschichten, die in den oberen, sowie auch im den unteren Lagen bei Zunahme der Glimmerschüppchen und des Thongehalts eine mergelige Be- schaffenheit zeigten. Diese Schichten hatten eine Mächtigkeit von kaum 2 Metern, und es folgten dann wieder deutliche Schichtung zeisende Mergel wie zu Anfang und ebenfalls von einer Mäch- tigkeit von 9 Metern. Alle diese Schichten lagen im Hangenden des Keupersandsteins, welchen der Stollen zuletzt erreichte und ın dem er noch auf eine Länge von 7 Metern fortgeführt wurde. Obschon nun die hier beobachtete Schichtenfolge mit der des

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 33

zuerst beschriebenen Aufschlusses nicht genau stimmt, so folgt doch aus den Lagerungsverhältnissen mit Nothwendiskeit, dass auch diese Schichten dem Rhät angehören, worüber auch die petrographische Beschaffenheit derselben keinen Zweifel lässt.

Profil des Rhäts am Krählah beı Hildesheim.

au 3 Meter Sandiger Lehm.

b. 0,3 Meter Sandstein.

c. 1,2 Meter Dunkler schulfriger Thon.

d. 1,2 Meter Ockriger Sandstein in Bänken.

e. 0,3 Meter Dunkler schulfriger Thon.

iu 3,3 Meter Ockriger Sandstein in schwachen, durch dünne

Thonlagen getrennten Schichten mit undeut- lichen Pflanzenabdrücken. Obere Bonebed - Breccie.

8. 1,5 Meter Sandstein mit dünnen Lagen dunkelgrauen Schieferthons unregelmässig wechsellagernd. Thonige Sphärosiderite mit Nagelkalken.

h. 3,5 Meter Dunkelgrauer, violetter Schieferthon, in 1—3" starke, vielspaltige Schichten gesondert. Zahl- reiches Vorkommen organischer Einschlüsse.

ne 0,26 Meter Hellgrauer, femkörniger Sandsteinschiefer.

k. 0,6 Meter Dunkelgrauer, violetter Schieferthon (wie h).

l: 1 Meter Dunkelgrauer, violetter Schieferthon (wie h) mit dünnen, sandigen Niederschlägen band- artig wechsellagernd.

Untere Bonebed- Breccie. m. 1,5 Meter Graugrüne Mergel ohne Schichtung.

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34 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

Ebenso ergab sich bei Ausgrabung der Keller des neuen Wirthschafts

stein hier zunächst von einer zwei Meter starken Schicht mergeligen

gebäudes auf dem Bergholze, dass der Keupersand- Thons mit Estheria minuta bedeckt war, worauf eine 20 Centimeter starke Lage Quarzits und dann, ebenfalls im Hangenden, 3 Meter mächtige, dünnschiefrige Sandsteine und Thone folgten. Auch diese drei oberen Gebirgsschichten wird man nur dem Rhät zu- zählen können. Endlich sei auch noch bemerkt, dass ich an dem- selben Höhenzuge, aber weiter südlich als sich die angeschlossene Karte erstreckt, bei Egenstedt, Schichten mit Avicula contorta ge- funden habe.

Im Rhät sind nun aber beı Hildesheim ın dem zuerst er- wähnten Aufschlusse folgende Versteinerungen von mir gesammelt worden:

Pflanzen. Calamites Sp. Pterophyllum sp.

Echinodermen.

Ophiolepis Damesii Wricht.

Bivalven.

Estheria minuta Goldf. Taeniodon praecursor Schloenb.

» Ewaldi Born. Anodonta postera Deffn. Cardium cloacinum Qu.

(©. rhaeticum Mer.) Leda Defineri Schübl. Mytilus minutus Qu. Modiola sp. Gervillia praecursor Qu.

» inflata Schafh. Avicula contorta Portlock. Pecten acuteauritus Schafh. Lingula Suessü Stopp.

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 35

Gasteropoden.

Oylindrites (Tornatella) fragilıs Dkr.

Käfer.

Klateropsis infraliassica Ferd. Roem. Helopides Hildesiensis Ferd. Roem.

Fische.

Pholidophorus Roemeri Martin. Hybodus furcatostriatus v. Münst. Nemacanthus monilifer Ag. Zähne von Gyrolepis (2) Schuppen del.

Die Jura - Formation.

Der Umstand, dass sämmtliche Glieder dieser so mannigfach entwickelten Formation in dem kleinen Gebiete, welches ich hier bespreche, nicht blos nachzuweisen sind, sondern in ihrer Mehrzahl auch zu ansehnlicher Entwicklung gelangt und durch den Reich- thum ihrer organischen Einschlüsse ausgezeichnet sind, verleiht dem geologischen Bilde, welches ich hier von Hildesheim zu ent- werfen versuche, sein Hauptinteresse. Wie schon in dem ersten Abschnitte dieser Abhandlung hervorgehoben, ist es das Verdienst Fr. Av. Rormer’s, das Vorhandensein zahlreicher Glieder der Jura-Formation bei Hildesheim zuerst erkannt und festgestellt, auch die ihm bekannt gewordenen Versteinerungen derselben, etwa 70 Arten, beschrieben zu haben. In neuerer Zeit ıst es besonders Dr. BrAauns, welcher die hiesigen Jurabildungen längere Zeit eifrig untersucht und dann unter Mitbenutzung der Sammlung meines genannten Bruders und meiner Sammlung in seinem, in den Jahren 1871—74 erschienenen » Unteren Lias«, »Mittleren Lias« und »Oberer Jura« nicht weniger als 127 Arten Versteinerungen aus dem Gebiete, welches uns hier beschäftigt, aufführt. Die hier von Dr. BrAauns gesammelten Jura-Versteinerungen sind mit

3

36 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

dessen Sammlung in den Besitz der Bergakademie ın Berlin über- gegangen. Eine andere sehr werthvolle Sammlung von Versteine- rungen des Hildesheimischen Jura, aus der ich manche Belehrung und für unser Museum manche Bereicherung erhalten, befindet sich im Besitze des Herrn Pastors DENCKMANN in Salzgitter, dessen um- fangreiche Sammlung aber auch durch die aus dem »Hils« und aus den Schichten der oberen Kreide gesammelten Versteinerungen von ganz besonderem Interesse ist. In dem hiesigen städtischen Museum, welchem ich schon im Jahre 1874 meine, über zweihundert Auszüge umfassende Petrefactensammlung überwiesen, sind die in dieser Abhandlung aufgeführten Verstemerungen, mit seltenen Ausnahmen, zu jedermanns Ansicht ausgelegt und ist hier auch die Sammlung An. ROEMER’s für das Studium zugänglich.

Nach diesen, für künftige Bearbeiter des norddeutschen Jura gemachten Bemerkungen wende ich mich nun der Schilderung der einzelnen, in unserem Greebiete auftretenden Glieder der Jura- Formation zu, beginnend mit der untersten Abtheilung, dem

Lias.

Am nordöstlichen Fusse des Katzberges und des Krählas treten, die oben geschilderten Schichten des Rhät überlagernd, Thone zu Tage, deren untere Lagen, wie ich schon erwähnt, eine schulfrige, fast schiefrige Beschaffenheit zeigen, während die Haupt- masse aus zähem, plastischem Thone besteht. In dieser letzteren sind sehr feste eisen- und kalkhaltige plattenartige Gesteinsstücke eingebettet, in welchen sich die für die Schichten des

Ammonites planorbis

charakteristischen Verstemerungen finden. Als Aufschlusspunkt und Fundort von Versteinerungen wird von Ap. ROEMER der Oeconomiehof Trillke angegeben, doch ist derselbe genauer als die auf der linken Seite des von dem Trillkehofe nach Moritzberg führenden Fahrweges befindliche Böschung zu bezeichnen und zwar auf der Strecke, wo dieser Weg, von der Neuhofer Strasse ab- zweisend, beginnt, bis da wo derselbe zwischen die Acker tritt.

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 37

Diese Böschung, der zu dem Wege gehörende Graben und der untere Theil des von hier auf die Höhe des Katzberges führenden Fussweges machen die sehr beschränkte und ungenügend aufge- schlossene Fundstelle aus. Das Llerausschlagen der seltenen und meistens nur mangelhaft erhaltenen Verstemerungen erfordert viel Geduld. Die hier beobachteten wenigen Arten sind aber folgende:

Eehinodermen.

Cidaris psilonoti Qu.

Bivalven. Gresslya hasina Schübl. (Venus liasina Roem.) Cardinia Listeri Sow. (Thalassites depressus Zuet.) Cyrena Menkei Dkr. » Germari Dkr. Astarte psilonoti Qu. Modiola Hillana Sow. (M. psilonoti Qu.) Macrodon pullus Tqm. (Cucullaea psilonoti Qu.) Lima gigantea Sow. » succincta Schübl. » pectinoides Zaet. Pecten textorius v. Schloth. Östrea ungula v. Münst. (0. semicircularis Roem.) (O0. irregularis Goldf.) Cephalopoden. Ammonites planorbis Sow.

(A. psilonotus Qu.)

Diese Schichten sind auch etwa eine Stunde weiter südlich bei Marienburg, an dem in Westen belegenen, nach Söhre führenden

Fahrwege aufgeschlossen.

38 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

Von dem Oeconomiehofe Trillke liegt in südlicher Richtung, etwa ein Kilometer entfernt, am nordöstlichen Hange des Stein- berges die Gercke’sche Ziegelei. Die Gebäude und Gärten der- selben stehen auf Thonschichten, welche den Schichten des

Ammonites angulatus

angehören. Beim Graben des Brunnens fanden sich in den hier anstehenden Schiefern zahlreiche, meistens sehr verdrückte Exem- plare von

Ammonites angulatus v. Schloth. und seltener

Terebratula sp. Modiola Hillana Sow.

Cardinia concinna Sow.

Zur Zeit sind diese Schichten aber nicht mehr aufgeschlossen, da der Ziegeleibetrieb eingestellt ist.

In nordöstlicher Richtung von dieser Ziegelei und kaum ein paar hundert Schritte von derselben entfernt erhebt sich das Terrain ein wenig und trat hier neben dem zur Landstrasse führenden, jetzt eingegangenen Wege ein braunes, eisenhaltiges, leicht zerbröckelndes Gestein zu Tage, welches den Schichten des

Ammonites Bucklandi

angehört. Der ganz unbedeutende Aufschluss hat mir leider nur zur Auffindung von

Gryphaea arcuata Lmk. Rhmchonella variabilis v. Schloth. Spirifer Waleotti Sow.,

die beiden ersteren in zahlreichen Exemplaren, Gelegenheit geboten. Weiter südlich im Innerstethale habe ich östlich von der Zehnt- scheuer von Derneburg, an der Böschung eines Fahrwegs aus den- selben, hier zu Tage tretenden Schichten Cardinia concinna und

C. Listeri, Pecten textorius und P. subulatus, Lima gigantea und

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 39

L. pectinoides, Gryphaea arcuata und Ammonites angulatus ge- sammelt.

Die Schichten des mittleren Lias, welche man als Schichten des Ammonites ziphus, des Am. Jamesoni, des Am. centaurus und des Am. Davoei gegliedert hat, nehmen in Hildesheim das Gebiet ein, welches als Fluss- und Inundationsgebiet der Innerste zu bezeichnen ist. Leider sind diese Schichten aber bisher nicht auf- geschlossen. Der Innerstefluss, der beim raschen Aufgehen des Schnees auf dem Oberharze, aber auch bei lange dauerndem Regen erhebliche Wassermengen mit grosser Gewalt durch das Stadt- gebiet führt, hat hier schon vor dem Auftreten des Menschen- geschlechts die mächtige Geschiebeablagerung durchschnitten und dann das Ausgehende der genannten Schichten des mittleren Lias noch tief mit fortgerissen und so ein breites Flussthal geschaffen. In einer späteren Zeit hat dann der von Clausthal durch die Innerste herbeigeführte Pochsand, gemischt mit dem Lehm und Humusmassen, welche die Nebenflüsse bei jedem stärkeren Regen- gusse mit sich führen, sich in dem Fluss- und Inundationsgebiete der Innerste in der Art allmählich abgelagert, dass davon die Schichtenköpfe der genannten Liasglieder wieder an drei Meter hoch bedeckt sind. Kann nun aber bei den Lagerungsverhältnissen und bei der an 400 Meter betragenden Breite dieses Inundations- gebiets nicht anders geschlossen werden, als dass diese Aus- waschungen nur in den genannten Schichten des mittleren Lias stattgefunden haben können, so ist doch ein bestimmter Nachweis des Vorhandensens und der Mächtigkeit aller dieser Schichten durch die Bodenverhältnisse sehr erschwert, weil man durch das stark herandrängende Grundwasser gehindert wird, durch Fort- nahme des Flussalluviums zu den darunter anstehenden Thon- schichten zu gelangen und dieselben zu untersuchen. Erst vor wenisen Wochen hat die Anlage eines Wasserbassins, welches die hiesige Zuckerraffinerie auf dem linken Ufer des Lademühlen- stranges am Fusse des Eisenbahndammes ausführen liess, nach geschehener Beseitigung des drei Meter mächtigen Alluviums zur Aufschliessung der unteren Lagen der Schichten des

40 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

Ammonites spinatus

geführt. Trotz des sehr beschränkten und kurzen Aufschlusses sind doch 42 Arten Versteinerungen beobachtet, welche wir hierunter mit aufführen werden. j

In südlicher Richtung von diesem Aufschlusse, aber auf der rechten Seite des Lademühlenstranges habe ich im Jahre 1856 an dem steilen Hange, welcher hier das Innerstethal begrenzt, und zwar auf der Strecke vom Risenbahndamme bis zur Schützenallee einen Garten angelegt. Sowohl bei der Herrichtung des Plateaus, auf welchem jetzt das Wohnhaus steht, als auch bei der Anlage einer Nische neben dem Teiche wurden die Schichten dieses Hanges vollständig blosgelegt. Es zeigten sich dunkle Thone mit deut- licher Schichtung, die aber an der Luft bald wie Mergel zerfielen. In diesen Schichten lagen in regelmässigen 0,6 0,8 Meter von einander entfernten Reihen grosse platte Sphärosiderite, deren äussere, leicht abspringende Schale von ockerartiger Beschaffenheit einen sehr eisenhaltigen festen Kern umgab. Im den höheren Schichten neben dem Wohnhause wurden mächtige Stücke schön ausgebildeten Nagelkalks (Tutenmergels), aber keine Versteinerungen angetroffen. Bei der Anlage der erwähnten Nische wurden da- gegen Gresslya Seebachü, Limaea acuticosta, Pecten aeguwiwalvis, Ammonites spinatus und Belemnites pawillosus in zahlreichen Exem- plaren gefunden. Das Fehlen des Ammonites margaritatus liess erkennen, dass, was auch der Augenschein ergab, diese Thone über denen des vorhin erwähnten Wasserbassins liegen und die obere Abtheilung dieser Schichten bilden. Es sind nun von beiden Aufschlusspunkten folgende Arten aufzuführen:

Echinodermen.

Mespiloerinus amalthei Qu. Pentacrinus basaltiformis Qu. > subteroides Qu.

Bivalven. Gressiya Seebachi Brauns

Goniomya rhombijera Ag.

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

Myoconcha decorata Goldf. Lueina pumila Goldf. (Astarte arealis Roem.) Isocardia bombax Qu. Astarte striatosulcata Roem. (A. amalthei Qu.) Inoceramus substriatus Goldf. > ventricosus SoW. Pinna folium Jung u. Rey. (P. amalthei Qu.) Macrodon Buckmanni Rich. Nucula cordata Goldf. Cucullaea Münsteri Zuet. Leda complanata Goldf. » subovals Goldf. » Zieteni Brauns. (acuminata Oppel.) Limaea acuticosta Goldf. Pecten aeqwivalvis Sow. » pumilus Lmk. (amalthei Qu.) Avicula inaeqwivalvis Sow.

Plicatula spinosa Sow.

Brachiopoden.

Rhynchonella scalpellum Qu. Discina papyracea oem.

Gasteropoden.

Dentalium giganteum Phill. Turritella undulata Benz. Turbo paludinaeformis Schübl. Trochus imbricatus Sow. Plewrotomaria Quenstedtii Op. Cerithium Blainwillii v. Münst.

Aectaeonina variabilıs Brauns.

41

42 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

Cephalopoden.

Ammonites spinatus Brug.

» margaritatus Montf.

> Normannianus Op. (2) Belemnites pawillosus v. Schloth.

umbrlicatus Blainv. Onychites amalthei Qu.

Käfer.

Genus u. spec. noch nicht bestimmt.

Anneliden.

Serpula sp.

Foraminiferen. Ammodisceus infimus Strkl.

Dentalina acuticosta Brauns.

Fische. Flossenstachel.

Wir wenden uns nun zu den Schichten des oberen Lias, (QUENSTEDT'S & und {, und zwar zunächst zu den Schichten mit

Posidonia Bronnti,

den sogenannten Posidonienschiefern, welche wir in den, die eben beschriebenen Schichten des Ammonites spinatus zunächst über- lagernden Schichten erkennen. Der eben geschilderte, durch die

Auswaschung des Innerstethals entstandene Hang, welcher dieses

0)

Thal auf dessen nordöstlicher Seite begrenzt, zeigt da, wo er den südlichsten Punkt unserer Karte erreicht, den bekanntesten Auf- schluss der Posidonienschiefer im nordwestlichen Deutschland. Es ist das ein klassischer Punkt, die »Zwerglöcher« genannt, und als »antra pwmilorum« schon von VALERIUS ÜORDUS, AGRICOLA und LacnmunD erwähnt. Beim Bau der von Hildesheim nach Vienen- burg führenden Eisenbahn ist der Innerstefluss gerade da, wo die Eisenbahn in den steilen Thalrand einschneidet und in das Inner- stethal eintritt, etwas westlicher gelegt, denn früher trat die Win-

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 43

dung des Flusses unmittelbar unter den Zwerglöchern dicht an den Fuss des Thalrandes und bespülte der Fluss feste Bänke eines schwarzen Stinckschiefers, welchen AGRICOLA als schwarzen Marmor beschreibt. Dieser Stinckschiefer gehört den unteren Schichten des Posidonienschiefers an, da aus demselben folgende Versteinerungen bekannt sind: Solemya Voltzii, Monotis substriata, Turritella quadrilineata, Euomphalus minutus, Ammonites anguinus, Am. heterophyllus.

Auf diesem Stinckschiefer lagern schiefrige Thone, welche aber an dieser Stelle, sei es durch Entzündung ihres Oelgehalts, sei es in Folge Zersetzung des in denselben häufig vorkommenden Schwefelkieses, zu dünnen harten Schiefern gebrannt sind, die losgelöst bei trockenem Wetter bei jeder Berührung wie Topf- scherben tönen. Früher traten diese Bänke fester Schiefer aus dem steilen Thalrande als lothrechte Felsen hervor und die röth- liche, durch den Brand hervorgebrachte Farbe hatte denselben den Namen der »Rothe Stein« gegeben, so dass man die daneben be- legenen Wiesen als die Wiesen am »Rothen Stein« bezeichnet. Das durch die Entzündung dieser Schiefer bewirkte Zusammen- ziehen derselben hat lothrechte Spalten in dieser Schieferwand entstehen lassen, deren weiteste der Volksmund schon früh als »Zwwerglöcher« bezeichnet hat.

Die grösste derselben ist aber zweifelsohne durch Menschen- hand und zwar beim Suchen nach Alaun zu einer wohl 10 Meter ım Durchmesser und an ihrem höchsten Punkt 6 Meter an Höhe messenden Höhle erweitert. Leider ist nun bei Anlage der Eisen- bahn in diese Thalwand nicht nur tief eingeschnitten, sondern sind auch die felsenartig hervortretenden Schieferwände abgeschrägt und ist der Eingang zu der grösseren Höhle fast vollständig ver- schüttet. Hierdurch, so wie auch schon durch das Vorhandensein der Eisenbahn und besonders auch durch die Verlegung des Innerstebetts hat dieser einst so romantische und von der Jugend mit grosser Vorliebe aufgesuchte Ort seine Eigenthümlichkeit leider so gut wie ganz eingebüsst.

In diesen gebrannten Schiefern finden sich Znoceramus amygda- loides, Ammonites Lythensis und Belemnites irregularis (B. digitalis) besonders häufig. Letzterer bildet in den höchsten Lagen eine 5 bis

44 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

6 Öentimeter starke Schicht, in welcher die einzelnen Individuen zu weissem Kalk verbrannt sind. Thalaufwärts sind diese gebrannten Schiefer etwa im der Mitte zwischen dieser Stelle und Marien- burg in einem, durch das Wasser eingeschnittenen Querthale und dann auch da, wo die von Marienburg nach Hildesheim führenden Chausseen in die Thalwand einschneiden, aufgeschlossen. An diesem letzteren Punkte sind diese Schiefer aber weniger dünn- schiefrig und weniger fest, bilden stärkere Bänke und sondern sich auf den Schichtenköpfen faserig wie Asbest ab, weshalb AGRICOLA dieselben als trabes, aufeinander gelagerte Balken be- schreibt. Thalabwärts von den Zwerglöchern erleidet der steile Thalrand auf der Strecke, auf welcher jetzt die Stadt bis an den Innerstefluss herantritt, eine Unterbrechung und zieht sich im einem nach Westen geöffneten Bogen nach Osten zurück. Die auf dem Gebiete, welches jetzt die Stadt einnimmt, niederfallende Regenmenge, so wie auch der am östlichen Fusse des Galgenberges entspringende »Ortschlumpbach« und die mächtige »Sültequelle«, deren vereinigte Wassermengen (Treibe) sich einen Abfluss zur Innerste bahnten, haben hier nicht blos das obere diluviale Ge- schiebe, sondern auch die den steilen Thalrand bildenden Posi- donienschiefer bis zur Sohle des Innerstethals fortgewaschen. Erst am sogenannten Hohen-Rondel, auf welchem das Kriegerdenkmal steht, tritt der steile Uferrand des Innerstethals in den Schichten- köpfen des Posidonienschiefers (Inoceramus amygdaloides, Ammo- nites Jimbriatus, Leptolepis Bronnü) wieder hervor und zieht sich nun dem Thale entlang bis Steuerwald und Hasede fort. Nördlich von dem Fahrwege, welcher von Steuerwald zur Hannoverschen Land- strasse führt, sind auch die dünnschiefrigen Bänke der Posidonien- schichten wieder gut aufgeschlossen und sollen die Schiefer von dieser Stelle früher zum Düngen der Felder benutzt sein. Ein viel grossartigerer Aufschluss dieser Schichten wurde durch den Bau der von Hildesheim nach Nordstemmen führenden Eisenbahn herbeigeführt und zwar gerade da, wo diese Bahn vom Innersten- thale aus in die steile Thalwand einschneidet. Die Schiefer zeigten sich hier in starke Bänke gesondert, von einer Mächtigkeit von annähernd 40 Meter, aber nicht sehr reich an organischen Ein- schlüssen. Nur Posidonia Bronni und Inoceramus amygdaloides

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 45

zeigten sich in grösster Menge. Von Ammonites jimbriatus wurde ein prächtiges Exemplar von 25 Uentimeter Durchmesser gefunden, ein grosses Exemplar von Dapedius Jugleri Roem. kam ebenfalls vor. Leider ist dieser Aufschluss, bei dem auch die untersten Schichten, die festen, kalkhaltigen Lagen mit Avicula decussata angetroffen wurden, bei der kürzlich eingetretenen Verlegung und Erhöhung des Eisenbahnkörpers wieder vollständig verschüttet. Bemerkt mag hier aber noch werden, dass die unweit Hildesheim bei Itzum und Hasede zu Tage tretenden Schwefelquellen, von denen die letztere die bedeutendere ıst, den Posidonienschiefern zu entspringen scheinen. Ebenso ist auch noch das häufige Vor- kommen von sogenanntem Tutenmergel oder Nagelkalk in diesen Schichten zu erwähnen.

Aus den hier beschriebenen Aufschlüssen der Posidonien- schiefer sind nun aber folgende Versteinerungen aufzuführen:

Eehinodermen.

Pentacrinus Briareus Mill.

Bivalven.

Solemya Voltzii oem.

Posidonomya Bronniü \ oltz. Inoceramus amygdaloides Goldf. Avcicula (Monotis) substriata v. Münst. Pecten virguliferus Phill.

Gasteropoden.

Discina papyracea Roem. Cerithtum quadrilineatum Roem. Euomphalus minutus Zaet. Pleurotomaria Sp.

Cephalopoden.

Ammonites Iythensis v. Buch. » borealis v. Seeb. » Jimbriatus Sow. > heterophyllus Sow. > communis Sow.

46 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

Belemnites irregularis v. Schloth. (digitalis Qu.)

Belemnites tripartitus v. Schloth.

Aptychus Lythensis Qu.

» Elasma v. Meyer. » bullatus v. Meyer.

Onychites Sp.

Crustaceen.

Eryon Hartmanni v. Münst.

Fische. Leptolepis: Bronmü As. Dapedius Jugleri Ag. Pholidophorus Bechei Ag.

Saurier.

Ichthyosaurus longirostris Jäg. (?) (Stück einer Kinnlade, Zahn, Wirbel.)

Im Hangenden dieser Posidonienschiefer finden sich auch hier die Schichten mit

Ammonites jJurensis.

Bei den Zwerglöchern sind es schiefrige Thone, welche an dem oberen Rande des steilen Hanges zu Tage treten, deren Mächtigkeit aber nicht geschätzt werden kann, weil die Schichten- köpfe auf der Höhe des Plateaus durch diluviale Massen verdeckt sind. Am häufigsten hat sich hier in diesen Schichten Ammonites radians und Am. Aalensis gefunden, sodann Am. Germaini, Am. insignis und ein zweifelsohne von dieser Stelle herrührendes grosses. im Innern mit Kalkspath ausgefülltes Stück der Windung von Am. Jurensis, 160 Millimeter lang, 100 Millimeter hoch und 55 Milli- meter breit mit schön erhaltenen Loben wurde von FERD. ROEMER nach einer Ueberschwemmung weit unterhalb auf der sogenannten Schützenwiese im Jahre 1830 gefunden. Rhynchonella jurensis habe ich hier nur einmal gefunden.

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 47

Thalabwärts sind diese Schichten erst an der nach Nord- stemmen führenden Eisenbahn wieder aufgeschlossen gewesen. Es erfolgte dieser Aufschluss bei Anlage der Bahn gleichzeitig mit der vorhin erwähnten Bloslegung der Schichtenköpfe der Posidonien- schiefer und zeigten die Schichten des Ammonites jurensis die gleiche schiefrige Beschaffenheit, wie die der Posidonienschiefer, so dass sie von denselben nur durch die darin vorkommenden organischen Eimschlüsse zu trennen waren. Ich schätze ihre Mächtigkeit auf reichlich 20 Meter. Am. jurensis ist auch hier wiederholt gefunden, ebenso auch Am. Germaini, Am. insignis, Am. heterophyllus und Astarte subtetragona. Die Zahl der hier aus diesen Schichten bekannt gewordenen Arten ist somit gering und beschränkt sich auf folgende, der Mehrzahl nach allerdings sehr charakteristische Arten:

Korallen.

Theocyathus mactra Goldf.

Echinodermen.

Pentacrinus Sp.

Bivalven.

Isocardia Sp. Macrodon liasinus Roem. Nucula Hammeri Df£r. Lima Galathea d’Orb. cf. Oppel. (‚peetinoides Roem.) » Punctata Sow. » duplicata oem.

Brachiopoden.

Rhynchonella tetraedra Sow. Discina papyracea Roem.

Gasteropoden.

Pleurotomaria Sp. Rostellaria sp. cf. R. bispinosa v. Münst.

48 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

Cephalopoden.

Ammonites Germaini d’Orb.

» Jurensis Zuet.

> Aalensis Zaet.

> heterophyllus Qu.

> insignis Schübl.

» radians Rein (striatulus) Sow. Belemnites irregularis v. Schloth. (digitalis).

> tripartitus v. Schloth.

> subclavatus \V oltz.

Es folgen nun im unmittelbarem Anschluss an diese Schichten die Schichten des mittleren Jura, des

Braunen Jura.

Dieselben überlagern hier in ungestörter Folge die eben be- sprochenen Schichten des Lias. Während aber die Posidonien- schiefer und die Schichten des Ammonites jurensis petrographisch als mehr oder weniger feste, dünnschiefrige Bänke bezeichnet wurden, zeigen die nun folgenden Schichten des Braunen Jura zwar bei frischem Aufschlusse auch noch eine deutliche Absonde- rung der Schichten und eine gewisse schiefrige Beschaffenheit, doch zerfallen dieselben an der Luft bald zu einer bläulich grauen Thonmasse. Auf der Nordseite der Stadt wurden diese Schichten durch den Bau eines Kanals aufgeschlossen, welcher im Jahre 1879 der nach Nordstemmen führenden Eisenbahn entlang angelegt wurde, um das bei der Unterführung der Hannoverschen Strasse unweit des neuen Bahnhofes sich sammelnde Regenwasser dem Lademühlenstrange zuzuführen. Leider wurde das Erdreich bei diesem Bau nur in einer Breite von 1,5 Meter ausgehoben und dasselbe auch nach erfolgter Ausmauerung kleiner Strecken sofort wieder zur Ausfüllung benutzt. Dabei waren die kurzen Tage der Wintermonate und mehr noch das anhaltend nasse Wetter der Beobachtung und dem Sammeln der vorkommenden Ver- steimnerungen im hohen Grade ungünstig. Dennoch ist es bei der Mächtigkeit der durchfahrenen Schichten dem Sammeleifer Vieler

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 49

gelungen, ein ausserordentlich reiches Material zusammenzubringen, welches nicht nur zur Feststellung des Alters und der Grenzen der einzelnen Schichten vollständig ausreicht, sondern auch die bisher bekannten Arten der durchfahrenen Schichten zum Theil nahezu vollständig enthält und ausserdem auch noch eimige neue Arten aufzuweisen hat. Dabei ist der Erhaltungszustand der meisten Funde ein ganz vorzüglicher. Die folgende Darlegung wird aber auch erkennen lassen, dass meine Beobachtungen mit denen, welche Dr. Brauns bei dem Bau der Eisenbahn von Kreiensen nach Holzminden, bei allerdings viel grossartigeren und lange andauernden Aufschlüssen gemacht, fast in allen Punkten genau übereinstimmen, wenn ich auch zur Bezeichnung der ein- zelnen Schichten hie und da andere Leitmuscheln gewählt habe, wie es von BRAUNS geschehen.

Nachdem der an dem Ausmündungspunkte zuerst in Angriff genommene Bau dieses Kanals die Schichten des Posidonien- schiefers und des Ammonites jurensis durchschnitten, traf derselbe auf die, die Jurensisschichten überlagernden blauen Thone, welche sich alsbald als die Schichten des

Ammonites torulosus und der Trigonia navis

zu erkennen gaben. Ammonites opalinus zeigte sich sofort in grosser Anzahl. Sparsam trat dann auch der charakteristische Ammonites torulosus aber nur ın der Form als Ammonites toru- losus var. lineatus auf und zwar gerade so, wie in Schwaben, nur in der unteren Hälfte dieser Schichten und ebenso erscheint auch hier die schöne Trigonia navis erst nach dem Aussterben des Am. torulosus in der oberen Hälfte dieser Schichten, während andere diese Schichten charakterisirende Versteinerungen in allen Niveaus derselben auftreten. Fast das ganze obere Drittel dieser Schichten, deren Mächtigkeit ich im Ganzen zu 58 Meter schätze, erwies sich so arm an charakteristischen organischen Einschlüssen, dass es zweifelhaft blieb, ob dasselbe diesen oder den folgenden Schichten zuzurechnen sei. Es sind diese Schichten aber auch südlich von der Stadt aufgeschlossen, und zwar da, wo ein von der Neustädter Ziegelei kommender Bach den steilen Thalrand

4

50 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

des Innerstethals durchbrochen und ein Nebenthal ausgewaschen hat, am sogenannten »Kuhlager«. Hier finden sich in dem an- stehenden Schieferthone thonige Sphärosiderite, in denen auffallend grosse Exemplare von /noceramus fuscus und Ammonites opalinus mit schwarzen, eisenglänzenden Schalen in grosser Menge zu- sammengehäuft sind und zur Bildung dieser Sphärosiderite offenbar den Anlass gegeben haben. Auch von Trigonia navis wurde ein Abdruck gefunden. Wenige Schritte in nordwestlicher Richtung führen von hier zu der Stelle des Thalrandes, an welcher der Thon zum Bau des Innerstedammes gewonnen und der in diesem Jahre mit Tannen bepflanzt ist. Hier wurden Astarte subtetragona mit schön erhaltener weisser Schale und Nucula Hammeri, die A. ROEMER wegen ihrer etwas kleineren Form als N. Hausmanni unterschieden, ziemlich häufig gefunden. Auch Ammonites opalinus, von A. ROEMER und v. SEEBACH als Am. Murchissonae aufgeführt, ist hier nicht selten vorgekommen.

Die mir aus diesen Schichten bekannt gewordenen Verstei- nerungen sind die nachstehenden:

Crinoideen.

Pentaerinus SP.

Conchiferen.

Gressiya unioides Roem. (Pleuromya v. Seeb.) » abducta Phill. > striata BKoem. » SP- Posidonomya Bronnü \V oltz. (opalina Qu.) Goniomya subcarinata Goldf. (V.-sceripta opalini Qu.) Thracia Roemeri Dkr. u. K. | Cyprina trigonellaris v. Schloth. (C. ovata v. Seeb.) Astarte subtetragona v. Münst. » complanata Roem.

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

Lucina plana Zuet.

> tenuis Dkr. u. K. Taneredia dubia v. Seeb. Trigonia navis Lmk.

Leda aequwilatera Dkr. u. K.

(striata Roem.) Nucula Hammeri Dfr. (ucullaea inaequivalvis Goldf. (Arca liasina Roem.)

> elegans oem.

Modiola gregaria Goldf.

Inoceramus fuscus Qu.

Pseudomonotis (?) sp.

Avicula inaequivalvis Sow.

» substriata v. Münst. Gervillia tortuosa Sow. (?) Hinnites sp.

Pecten pumilus Lmk. » virguliferus Phill.

Anomia opalina Qu.

Brachiopoden.

Rhynchonella acuta Sow.

» triplicosa Qu. Terebratula Lycettü Dav. Discina papyracea Roem.

Gasteropoden.

Dentalium jilicauda Qu.

Actaeonina. variabılis Bronn. (Tornatella torulosi Qu.)

Pleurotomaria (Quenstedti Goldf.

Trochus duplicatus Goldf.

Turritella opalina Qu.

4*

52 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

Cerithium armatum Goldf. » cariniferum Brauns. Chenopus subpunctatus v. Münst.

Cephalopoden.

Ammonites Jurensis Ziet. > insignis Schübl.

> opalinus Rein. » torulosus Ziet. var. hineatus Qu. > hireinus v. Schloth.

(scutatus v. Buch.) Nautilus opalini Qu. Belemnites tripartitus v. Schloth.

» opalinus Qu. (Rhenanus Op.)

> subelavatus \V oltz.

> brevis Blainv.

Rhyncholites sp.

Crustaceen. Glyphaea sp.

Fische.

Grosser Flossenstachel. Kleine Gehörknochen.

Saurier.

Wirbel, Zahn.

Beim Graben eines Brunnens neben dem neuen Postgebäude ist aus diesen Schichten auch ein kleiner Zahn von einem Saurier gefunden.

Der Kanalbau trat dann kurz bevor sich derselbe unter einem nahezu rechten Winkel nach Norden wandte, in die Schichten des

Inoceramus polyplocus. Der Weg, welcher ungefähr von der Mitte der Schützenallee in gerader Richtung in den Bischofskamp führt, läuft auf diesen Schichten. Auffallend bei dem Kanalaufschlusse war hier das

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 53

häufige Auftreten von Schwefelkies und fester thoniger Sphäro- siderite, zu deren Bildung nicht selten die an Austernbänken er- innernde Anhäufung des /noceramus polyplocus Veranlassung ge- geben. Die Mächtigkeit dieser Schichten nehme ich zu 40 Meter an.

Die in diesen Schichten gefundenen Versteinerungen sind die folgenden:

Crinoideen.

Pentacrinus pentagonalis v. Schloth.

Bivalven.

Posidonomya Bronnü \Voltz. » Buchü BRoem. Pholadomya transversa v. Seeb. Greenensis Brauns. Gresslya unioides Roem. » abducta Phill. > exarata Brauns. (donaciformis Goldf.) Lucina plana Zuet. Cardium concinnum Phill. (ucullaea inflata oem. Nucula Hammeri Df£r. » subglobosa Koem. Leda aequwiatera Dkr. u. K. » acuminata Zaet. . » lacryma Sow. Modiola cuneata Sow. Avicula inaeqwivalvis Sow. » elegans v. Münst. Pecten lens Sow. » demissus Phill. Gervillia acuta Sow. Inoceramus polyplocus Ferd. Roem.

Brachyopoden.

Discina papyracea Roem.

54 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

Gasteropoden. Actaeonina pulla Dkr. u. K. Dentalium elongatum v. Münst.

Cephalopoden. Ammonites Murchissonae Sow. » Sowerbyi Mill. » SP- Nautilus lineatus Zuet. Belemnites spinatus Qu. (= B. giganteus?)

Die Karte zeigt es an, wie der Kanalbau bald wieder eine östliche Richtung einschlug und dann sehr bald in die Schichten mit

Ammonites Humphresianus

(Coronaten-Schichten) eintrat. Die Mächtigkeit dieser Schichten ist nur ganz ohngefähr zu schätzen, weil die oberen Schichten sich arm an Versteinerungen erwiesen und die Arbeiten einige Zeit nur ungenügend beobachtet werden konnten. Jedenfalls wird man dieselben aber zu 24 Meter zu schätzen haben. Es sind aus diesen Schichten nur folgende Arten anzuführen:

Bryozoen.

Diastopora compressa Goldf.

Echinodermen. Oidaris spinulosa Roem.

(Anglosuevicus Op.) Pentacrinus erystagalli Qu.

Conchiferen. Gressiya abdueta Phill. Thracia lata Mestr. Tanceredia oblita Phill. (ardium concinnum vw. Buch. Leda lacryma Sow.

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 55)

Leda aeqwiatera Dkr. u. K.

Nucula subglobosa Roem.

(ucullaea injlata Roem.

Modiola cuneata Sow.

Perna isognomonoides Stahl (ef. Brauns S. 248)

Avicula Münsteri Goldf.

Pecten demissus Phill.

Lima pectiniformis v. Schloth. (proboscideas Sow.)

Ostrea explanata Goldf.

» Marshü Sow.

Gasteropoden.

Pleurotomaria Aonis d’Orb.

Cephalopoden.

Ammonites Murchissonae Sow.

» Blagdeni Sow.

Humphresianus Sow.

> Blaikenridgü Mill.

» Gervillii Sow.

» Sowerbyi Sow.

> pinguis Roem. Belemnites giganteus v. Schloth.

» canaliculatus v. Schloth.

Anneliden.

Serpula lumbricalis v. Schloth.

Von den diesen Schichten angehörenden zahlreichen Arten ist also nur eine beschränkte Zahl hier aufgefunden, doch zeigten sich die angeführten in sehr zahlreichen Individuen. Von Belemnites giganteus wurden grosse Exemplare, das grösste 56 Uentimeter lang, aufgefunden. In der Fortsetzung des auf der Karte ersichtlichen Streichens der Schichten waren dieselben früher auch in einer Thon-

56 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

grube am westlichen Fusse des Spitzhutes aufgeschlossen, und zwar wenige Schritte östlich von dem rechten Winkel, welchen die von Hildesheim nach Marienburg führende Landstrasse macht, wenn dieselbe von der südlichen in die westliche Richtung über- seht. Ap. ROEMER führt aus den in dieser Thongrube gesammelten Arten folgende an: Pentacrinus subsulcatus (2?) Roem. Cidaris spi- nulosa Roem. Ostrea scapha R., rect. explanata Golf. Ostrea san- dalina Golf. (= acuminata Sow.). Modiola cuneata Sow. Nucula subovalis Goldf., rect. Leda aequwilatera Dk. u. K. (uculaea inflata R., Lutraria gregaria R., rect. Gresslya abducta Phill. Ammonites crenatus. R., rect. Am. Blagdeni Sow. Am. tumidus R., rect. A. Gervillü Sow. und Am. pinguwis R.

Bei der Fortführung des Kanalbaues traf man nun auf die

Schichten des

Ammonites Parkinsont.

Auch diese Schichten werden zu einer Mächtigkeit von 40 Meter geschätzt werden müssen. In denselben sind ebenfalls nur sehr wenige Arten von Versteinerungen beobachtet worden, Ammonites Parkinsoni und Belemnites giganteus jedoch in zahlreichen Exem- plaren, und es beruht auf einer irrthümlichen Annahme, wenn v. SEEBACH behauptet, dass dieser Belemnit in diesen Schichten nicht mehr anzutreffen sei. In der südlichen Forterstreckung dieser Schichten waren dieselben schon vor fünfzig Jahren beim Neu- städter Ziegelhofe in einer Thongrube aufgeschlossen, welche sich in dem Winkel befand, welchen die nach Marienburg führende Landstrasse mit dem zur Temme’schen Ziegelei führenden Fahr- wege bildet. Im vorigen Jahre ist dieselbe aber verschüttet. In dieser Thongrube wurde Ammonites Parkinsoni allezeit häufig an- getroffen und Belemnites giganteus allerdings nicht beobachtet. Auf der Karte ist dieser Aufschluss durch ein Zeichen festgelest.

Es sind aus diesen Schichten nur folgende Arten aufzuführen:

Pholadomya Marchissoni Sow. Gressiya (Pleuromya) recurva Phill. (Lutraria donacina oem.) > abducta Phill.

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. Di

Nueula variabilıs Sow.

Pecten lens Sow.

Ostrea Marshii Sow. Rhynchonella triplicosa Qu. Dentalium elongatum v. Münst. Ammonites Parkinsoni Sow. Nautilus subtruncatus Morr. Belemnites giganteus v. Schloth. Serpula sp.

Von Ammonites Parkinsoni fanden sich Windungsstücke von 24 Uentimeter Länge und 10 Centimeter Breite. Es folgen nun die Schichten mit

Ostrea Knorrii und das Cornbrash.

Auch diese Schichten sind ja sonst reich an organischen Ein- schlüssen, doch wurden davon bei dem Kanalbau nur eine mässige Zahl aufgefunden, woran aber auch die Witterung die Schuld tragen mochte und selbst die sonst so häufige und charakteristische Ostrea Knorrü ist hier nicht gefunden. Diese Schichten sind hier jedoch durch die übrigen gefundenen Arten genügend charakterisirt und durch die Lagerungsverhältnisse hinreichend festgestellt. Vor längeren Jahren wurden diese Schichten auch bei der Anlage des städtischen Gasometers aufgeschlossen und habe ich bei dieser Gelegenheit ein grosses Stück der Windung von Ammonites arbustigerus gefunden. Am südlichen Ende des hier besprochenen Gebietes sind diese Schichten etwa hundert Meter südlich von der Mitte des oben erwähnten Fahrweges, der von der Landstrasse nach der Temme- schen Ziegelei führt, mitten im Felde durch einen Steimbruch aufgeschlossen. Es sind keine plastischen Thone oder Schiefer, sondern eigenthümliche, von dünnen spathigen Wänden durchsetzte, feste Thonmergel, welche hier zu Tage treten. Es sind in diesem Bruche Ostrea explanata in grosser Menge, wie Austernbänke zusammengewachsen, Trigonia interlaevigata in grossen schön erhaltenen Exemplaren gefunden. Beide Aufschlusspunkte sind

58 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

auf der Karte bezeichnet, doch ist der zuletzt erwähnte Steinbruch in diesem Jahre grösstentheils wieder verschüttet.

Aus diesen, etwa 42 Meter mächtigen Schichten vermag ich aber im Ganzen nur folgende Arten zu nennen:

Crinoideen.

Pentacrinus Sp.

Conchiferen.

Fistulana sp. Corbula cuculaeformis Dkr. u. K. Posidonomya: Buchü oem. Pholadomya Murchissoni Sow. Gresslya abducta Phill.

» recurva Phill. Lucina birata Phill. Astarte pulla Roem. Isocardia leporina Kloed. - Trigonia costata Sow.

» costata Sow. var. interlaevigata Qu.

» imbricata Dow. Leda lacryma Sow.

» aeguwilatera Dkr. u. K. Nucula variabilhis Sow. Cucullaea concinna Phill.

> subdecussata v. Münst. Inoceramus F'ttoni Morr. u. Lye. Modiola cuneata Sow. Perna isognomonoides Stahl. Pinna Buchü Dkr. u. RK. Gervillia acuta Sow. Pecten lens Sow. Ostrea Marshü Sow.

> explanata Goldf.

» acuminata Sow.

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 59

Brachiopoden.

Rhynchonella varians v. Schloth.

Gasteropoden.

Trochus moniliteetus Morr. Actaeonina pulla Dkr. u. K.

Cephalopoden.

Ammonites arbustigerus d’Orb. (A. procerus v. Seeb.) Ammonites curvicosta Op. » Parkinsoni Sow. > Fuscus Qu. Belemnites subhastatus Zuiet.

» Beyrichii Op.

Anneliden.

Serpula lumbricalis Goldf. > tetragona Qu.

Die Schichten des

Ammonites macrocephalus

sind bei dem Kanalbau, auf der Strecke, welche die Karte angiebt, aufgeschlossen gewesen, aber abgesehen von den Lagerungsver- hältnissen nur durch mehrfaches Vorkommen des Ammonites macro- cephalus und des Belemnites subhastatus nachgewiesen. Sonstige organische Einschlüsse wurden aber auf dieser Strecke überall nicht wahrgenommen. Der Bau des Kanals auf dieser 30 Meter langen Strecke wurde bei sehr ungünstiger Witterung ausgeführt, auch durch den heftigen Wasserandrang jede Untersuchung sehr erschwert. Da ich während dieser Zeit von Hildesheim abwesend war, so verdanke ich alle Mittheilungen über diese Strecke dem den Bau leitenden Herrn Regierungsbaumeister HERZOG, welcher auch dem städtischen Museum mit dankenswerther Bereitwilligkeit

60 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

alle bei diesem Bau gefundenen Versteinerungen überlassen hat, deren Erwerbung mir nicht gelungen war.

Diese Schichten sind aber auch auf der Südseite der Stadt aufgeschlossen und zwar auf der Westseite der Gebäude der Temme’schen Ziegelei in emer Thongrube Auch hier sind nur wenige Arten der diesen Schichten eigenen Versteinerungen auf- gefunden, weil der Wasserzudrang sich den Arbeiten sehr hinder- lich erwies und dieselben dieserhalb auch wieder ganz eingestellt sind. Vom Ammonites macrocephalus wurden grosse und vorzüg- lich erhaltene Exemplare und Belemnites subhastatus in grösster Menge angetroffen. Von beiden genannten Aufschlusspunkten können folgende Arten aufgeführt werden:

Crinoideen.

Pentacrinus Sp.

Conchiferen.

Fistulana sp.

Pholadomya Murchissoni Sow.

Gressiya recurva Phill.

Astarte depressa v. Münst.

Trigonia costata Sow.

Leda lacryma Sow.

Nucula variabılıs Sow. (Pollux d’Orb.)

Cueullaea coneinna Phill.

Brachiopoden.

Rhynchonella varians v. Schloth. Terebratula sp.

Gasteropoden.

Trochus monilitectus Morr. u. Lye. Pleurotomaria Aonis d’Orb.

» granulata Sow. Rostellaria sp.

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 61

Cephalopoden. Ammonites macrocephalus v. Schloth. > Gowerianus Sow. » curvicosta Op.

» Funatus Op.

» psüodiseus Schlönb.

» Jason Rein. Belemnites subhastatus Zaet.

Es darf hier aber nicht unerwähnt bleiben, dass auch der für diese Schichten classische Aufschlusspunkt unserer Gegend, die Ziegelei von Lechstedt, in der südlichen Fortsetzung der Schichten der hier eben besprochenen Aufschlusspunkte, und zwar etwa eine Stunde von dem Aufschlusse bei der Temme’schen Ziegelei ent- fernt liest und dass daher die bei Lechstedt vorkommenden zahl- reichen Arten zweifelsohne auch in dem Gebiete, welches uns hier beschäftigt, zu finden sein werden. Von Lechstedt sind aber folgende Arten bekannt und im städtischen Museum ausgelegt: Posidonomya Buchü, Pholadomya Murchissoni, Gresslya recurva, Cucullaea subdecussata u. concinna, Trigonia costata, Avicula in- aequivalvis u. echinata, Nucula variabilis u. arcuata, Leda aequi- latera u. lacryma, Rhynchonella varians u. triplicosa, Plewrotomaria Aonis u. marginata, Ammonites subradiatus, Am. discus, Am. curvi- costa, Am. funatus, Am. modiolaris Luid. (sublaevis Sow.), Am. macrocephalus, Am. Gowerianus, Am. Parkinsoni, Belemnites sub- hastatus u. Pentacrinus sp. Dr. BRAUNS nennt auch noch Teere- bratula ornithocephala u. emarginata, Pecten vimineus, Astarte depressa, Goniomya angulifera u. Pleurotomaria fasciata.

Die Schichten des

Ammonites anceps

sind bei dem Kanalbau nur durch das Auffinden einiger Exem- plare des Ammonites Jason und des Am. Duncani festgestellt. Glücklicher Weise sind dieselben aber durch die schon vor etlichen Jahren erfolgte Anlage und den Betrieb der Temme’schen Ziegelei am westlichen Fusse des Galgenberges neben dem Militärschiess-

62 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

stande in so ausgedehnter Weise aufgeschlossen, dass dieser Auf- schluss jetzt wohl der bedeutendste dieser Schichten in Nord- deutschland ist. Hier haben die Schichtenköpfe dieser wenig schiefrigen Thone ein fast weisses Ansehen, weil der Eisengehalt dieser Thone zur Bildung der zahlreichen, meist kleinen thonigen Sphärosiderite verwandt ist. Der für diese Schichten charakte- ristische Ammonites anceps wurde in den höheren Lagen bei Regulirung des über den Kugelfängen der Schiessstände und ober- halb der Temme’schen Thongrube herführenden öftentlichen Weges in grossen, 31 Uentimeter im Durchmesser haltenden Exemplaren angetroffen. Der zierliche Krebs Macrochirus socialis hat zur Bil- dung der kleinen, runden, thonigen Sphärosiderite, in deren Mitte er sich findet, nicht selten Veranlassung gegeben. Häufig tritt auch der schöne Ammonites Jason und, wenn auch selten, mit vollständig erhaltener Wohnkammer auf. Die letzten Umgänge der grösseren Exemplare dieses Ammoniten zeigen oft zu Zweifeln anlassgebende Formen. Von Interesse ist aber auch, dass der in kleineren Exemplaren so häufige Ammonites lunala Rein. auch in der in Schwaben und Frankreich häufigen, in Norddeutschland

aber bisher nicht beobachteten Form, welche kräftige Knoten auf den Umgängen zeigt, (Am. lunula nodosus Qu.), in einem, die ge- wöhnlichen an Grösse weit übertreffenden Exemplare gefunden ist. Auch Trigonia clavellata, die in diesen Schichten bisher nur an der Porta beobachtet ist, wurde in einem kleinen Exemplare angetroffen.

Die hier aus diesen Schichten bisher bekannt gewordenen, durch gute Erhaltung ausgezeichneten Arten sind aber folgende:

Crinoideen.

Pentacrinus pentagonalis Goldf.

Echinoideen.

Cidaris sp. Stachel.

Conchiferen. Fistulana sp. Pholadomya Murchisson? Sow.

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 63

Posidonomya Buchüi Roem. N Bronnü \ oltz.

Lueina lirata Phill. Astarte undata v. Münst. Leda lacryma Sow.

» aegquwlatera Dkr. u. K. Nucula Caecilia d’Orb.

> variabilis Sow. (ueullaea coneinna Phill. Trigonia clavellata Parkin. Avteula echinata Sow. Modiola ceuneata Sow. Gryphaea dilatata Sow.

OÖstrea acuminata Sow.

Gasteropoden. Dentalium sp. sp. Turbo aedilis v. Münst. Trochus sp. Pleurotomaria Aonis d’Orb.

Cephalopoden. Ammonites anceps Rein. » Jason Rein. > Lamberti Sow. » lunula Rein. » » var. nodosus Qu. » Duncani Sow.

> Junatus Op.

» curvicosta Op.

» Nautilus sinuatus Sow.

» Belemnites subhastatus Zaet. Anneliden.

Serpula tetragona Qu.

64 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

1 F Crustaceen.

Maecrochirus socialis v. Münst.

Glyphaea (?) sp.

Saurier. Coprolten.

Ausdrücklich hervorheben wollen wir aber noch, dass Ammo- nites cordatus und Am. athleta in diesen Schichten bisher nicht

angetroffen sind.

Die Schichten des

Ammonites perarmatus,

den Geologen auch als Heersumer Schichten bekannt, welche in der südlichen Forterstreckung des hiesigen Jura zu so mächtiger Entwickelung gelangt, auch in der ganzen Ausdehnung des Langen- berges, durch zahlreiche, den Gemeinden Heersum, Ottbergen und Wöhlde gehörige Steinbrüche aufgeschlossen und durch den Reich- thum der darin eingeschlossenen organischen Ueberreste so be- kannt geworden sind, zeigen in dem Gebiete, auf welches sich meine Untersuchung und die Karte erstreckt, nur eine sehr be- schränkte Entwickelung und leider auch keinen genügenden Auf- schluss. Nur am Fusse des Spitzhuts sind dicht neben dem Itzumer Holze durch tiefe Wasserrisse und Wege Schichten eines hellgelblichen, thonhaltigen, hie und da mergelartigen Kalksteins aufgeschlossen, welche die oolithischen Kalke des Spitzhuts unter- teufen. In denselben habe ich wegen des unzureichenden Auf- schlusses bisher nur G@oniomya literata, Pholadomya decemcostata und Ammonites plicatilis gesammelt, die PRoladomya in zahlreichen Exemplaren, welche von hier in viele Sammlungen unter der irrigen Annahme übergegangen, dass dieselben den Florigemma-Schichten des Galgenberges und Spitzhuts entnommen seien. Im nördlicher Richtung werden am westlichen Fusse des Galgenberges . nicht selten Bruckstücke der Gryphaea dilatata, welche diesen Schichten angehört, angetroffen. Ich kann somit aus diesen Schichten nur

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 65

Goniomya literata Phill. Pholadomya decemcostata Roem. » hemicardia Roem. Gryphaea dilatata Sow. Ammonites plicatilis Sow. anführen.

Nachdem hiermit sämmtliche Glieder des »Braunen Jura< in dem engbegrenzten Gebiete der Karte nachgewiesen sind, haben wir uns nun mit der auch in diesem Gebiete ansehnlich ent- wickelten oberen Abtheilung des Jura zu beschäftigen, mit dem

Weissen Jura.

Es sind mächtige Ablagerungen meistens hellgelber und weiss- licher Kalke, welche die oberste Abtheilung der Juraformation bilden. Man hat dieselben ebenfalls wieder in mehrere Glieder geschieden, von denen in dem Gebiete, welches uns hier beschäf- tigt, nur zwei auftreten, die Schichten mit Cidaris florigemma und die Kimmeridge-Schichten. Da die unteren Korallenbänke hier fehlen, so werden die Perarmaten- Schichten hier gleich von den Schichten mit

Cidaris florigemma bedeckt. Es sind das hellgelbe oolithische Kalke, die eine Mäch- tigkeit von 40—-70 Meter zeigen und sich zu einem ganz ansehn- lichen Höhenzuge, dem Galgenberge und Spitzhute erheben. In südlicher Richtung setzt sich dieser Höhenzug als Knebel bis zum Vorholze und Langenberge fort, wo er sich dann allmählich ın die Ebene verliert. Nach Norden zu senkt sich auch der Galgen- berg rasch unter das Niveau des Plateaus, auf welchem der obere Theil der Stadt Hildesheim erbaut ist. Unmittelbar unter der Oberfläche des als Steingrube bezeichneten grossen Platzes stösst man auf die Schichtenköpfe dieser Schichten, und die Häuser- reihe, welche die westliche Seite dieses Platzes begrenzt, ruht noch auf diesen Schichten, welche bei den Kelleranlagen deutlich zu Tage traten und hier, wie auch am oberen Ende der Marien- B)

66 Die oeoloeischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 0) to) fo

Strasse, so wie auch beim Bau der Versuchsstation Bänke dünn- schichtiger, fast plattenartiger Kalke erkennen liessen, in welchen die weissen oolithischen Bildungen eigenthümlich hervortraten. Die Gebäude der an der Bahnhofs-Allee belegenen Irrenanstalt stehen in ihren Fundamenten auf den Schichten dieses Kalksteins, und aus den Schichtenköpfen desselben entspringt hier die mächtige Sültequelle, welche die auf dem Galgenberge und Knebel nieder- fallenden und auf den, die Jurakalke unterteufenden Thonschichten der Perarmaten- und Anceps-Schichten sich sammelnden W asser- massen hier zu Tage treten lässt und nun den grössten Theil der Stadt mit vortrefflichem Wasser versorgt. Die Florigemma- Schichten erweisen sich auch hier überaus reich an organischen Einschlüssen, und obschon die grosse Mehrzahl der darin vor- kommenden Versteinerungen die Schale eingebüsst, sind die Stein- kerne doch meistens sehr charakteristisch und bestimmbar. Ich habe aus diesen Schichten, die am Spitzhut ein noch etwas höheres Niveau einzunehmen scheinen, als am Galgenberge '), folgende

Arten anzuführen:

Korallen. Goniocora socialis Roem. Thamastraea concinna Goldf.

Isastraea sp.

Echinodermen.

Millerierinus incrassatus Roem. Pentaerinus alternans Roem. (idaris Horigemma Phill. ! g » intermedia Fleming. (crenularis Roem.) Pseudodiadema mamnllanım Roem.

') An. Rornmer führt 20 Arten, als nur auf dem Spitzhut gefunden, an. Nach Dr. Brauss, wie zum Theil auch die Sammlung des Museums ergiebt, sind die- selben aber bis auf Pentacrinus alternans, Pecten subimbricatus, Astarte supraju- rensis und Bulla Hildesiensis auch auf dem Galgenberge gefunden. Brauns führt vom Spitzhut aber noch Pholadomya hemicardia (?), Lima rigida, Terebratula in- signis und Chemnitzia Heddingtonensis an.

Glyptieus hieroglyphicus v. Münst. Pedina aspera Ag. Hemipedina Struckmanni Dames. Acrosalenia decorata Heime (Cid. subangularis Goldf.)

Pygaster umbrella Ag. Holectypus corallinus d’Orb. Pygurus Blumenbachü Dunck. Echinobrissus dimidiatus Phill.

> planatus Roem.

Conchiferen.

Pholas sp. Pholadomya concentrica Roem.

» complanata Roem. > paueicosta Roem.

> hortulana Ag.

» decemcostata Roem. > canaliculata Roem.

(’eromya excentrica Roem. Pleuromya Alduini Brent. » elongata Roem. Mactromya Koeneni Strekm. » Helvetica Thurm. Lucina aliena Phill. (rotundata Roem.) Credneri P. de Lor. Corbis scobinella Bue. > sp: Opis suprajurensis Ütj. Astarte sulcata Roem. » rotundata Roem. » suprajurensis Roem. >. Sp Anisocardia Legayi Sauvage. » parvula Roem.

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

5*

67

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

Trigonia papillata Ag. » hybrida Roem. (clavellata Park. pars Roem.) Arca lineolata Roem.

» quadrisulcata Sow.

> Ilao Din. RK:

» rotundata Roem. (weullaea Goldfussii Roem. Nucula sp.

Modiola aequiplicata Strmb. (Fornicata Roem.) (M. imbricata Roem.) » abbreviata Thurm. > longaevis Contj. (compressa Dk. u. K.) Mytilus pernoides Koem. » pectinatus Sow. Pinna conica Roem. » granulata Sow. » lineata Roem. Gervillia ventriosa Dkr. u. K. > aviculoides Sow. (angustata oem.) Avicula plana Th. Pecten vimineus Sow. » varians Roem. » subtextorius v. Münst. » subfibrosus d’Orb. » lens Roem. (pars). » Buch Roem. » clathratus Roem. » subimbricatus Roem. » strictus v. Münst. Lima tumida Roem. » semilunaris Goldf. (alata Roem.) » proboscidea Roem.

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

Lima subantiquata Koem.

» /ragilis Roem.

» rigida Sow.

» Monsbeliardensis Uont). Hinnites Thurmanni Brauns. Plicatula longispina Roem.

(Ostrea spinosa oem.) Östrea multiformis Dkr. u. K.

» Roemeri Qu.

» deltoidea Sow.

> solttaria Sow.

> gregaria Sow.

» rugosa v. Münst. Exogyra lobata oem. » Bruntrutana Thurm.

(spiralis Roem.)

> reniformis Goldf.

(spiralis Roem.) Spondylus aculeiformis Ziet.

Brachiopoden. Rhynchonella pingwis Roem. Terebratula insignis Schübl.

(orbiculata Roem.)

» bicaniculata vw. Schloth. > humeralis Roem. > tetragona Roem.

Gasteropoden.

Dentalium ceinctum v. Münst. Patella ovata Roem. Bulla Hildesiensis Roem.

» subquadrata Roem.

» olivaeformis Dkr. u. K.

(spirata oem.)

Actaeonina Sp. Phasianella striata Sow.

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Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

('hemnitzia Heddingtonensis Sow. (Melania lineata Roem.) > Bronnii Roem. (subulata Roem.) » pseudolinobata Bl. u. Hndt. » abbreviata Roem. Natica Clio d’Orb. » suprajurensis Buv. » turbiniformis Roem. (erithium limaeformis Roem. Fusus Zitteli Strekm. Rostellaria Sp. Turbo princeps hoem. » granulatus Roem. (Eggelsensis Brauns.) Pleurotomaria grandis Ioem. (Trochus tuberculosus Roem.) » Münsteri Roem. Ditremaria discoidea Roem. Nerinaea visurgis Roem. » Fasciata \V oltz. » Bruntrutana Thom. > Erato d’Orb. Ammonites plicatilis Sow. (biplex Roem.) Nautilus giganteus d’Orh.

Annulaten.

Serpula triearinata Sow. » Hlaccida Goldf. » nodulosa v. Münst. > canalıfera Et. » gordialis v. Schloth.

X Crustaceen.

Glyphaea sp.

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. zul

Fische.

Strophodus reticulatus Ag. Hybodus sp. Zähne. Schuppe, Wirbel.

Von den in diesen Schichten so häufig sich findenden Cida- riten-Stacheln gehören die glatten zu (idaris intermedia, die übrigen der (idaris florigemma an. Das von Brauns als Unicum aufgeführte Cardium corallinum Leym. meiner Sammlung ist aber nicht hier, sondern am Hils oberhalb Holzen gefunden. Bemerkt mag auch noch werden, dass kürzlich in den tiefsten Lagen dieser Schichten am Langenberge auch Gryphaea dilatata gefunden ist, und zwar in einem oolithischen Gestein, welches hier das Han- sende der Perarmatenschichten bildet.

STRUCKMANN in seinem »Oberen Jura der Umgegend von Hannover« rechnet von den hier aus den Florigemma -Schichten aufgeführten 127 Arten 23 Arten zum Astartien, den ältesten Schichten des Kimmeridge. Ich habe Bedenken getragen, hierin von der Ansicht der älteren Schriftsteller abzuweichen, und die oberen Schichten am Galgenberge und Spitzhute wegen des Vor- kommens dieser 23 Arten dem Kimmeridge zuzuweisen, denn ganz abgesehen davon, dass die von STRUCKMANN aus dem Astartien anderweit aufgeführten 37 Arten hier fehlen und nichts der An- nahme entgegensteht, dass, wenn jene 23 Arten auch im Astartien sich finden, dieselben doch auch schon zur Zeit der Bildung der oberen Florigemma-Schichten gelebt haben, so ist doch auch der Umstand in Betracht zu ziehen, dass hier mit diesen 23 Arten gleichzeitig auch andere, den Florigemma-Schichten unzweifelhaft angehörende Mollusken „gelebt haben, sowie auch die Thatsache, dass die petrographische Beschaffenheit der Schichten, in welchen hier diese 23 Arten gefunden werden, von der der älteren Flori- semma-Schichten nicht abweicht, indem dieselbe bei beiden eine oolithische ist. Die 23 Arten, um die es sich hier handelt, sind folgende: Acrosalenia decorata, Pseudodiadema mamillanum, Hemi- pedina Struckmanni, Pygurus Blumenbachü, Holectypus corallinus, Terebratula humeralis, Terebratula tetragona, Terebratula insignis,

22 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

Terebratula bicanieulata, Ostrea Roemeri, Ostrea reniformis, Ostrea solitaria, Pecten strietus, Modiola aequiplicata, Trigonia papillata, Anisocardia Legayi, Anisocardia parvula, Ditremaria discoidea, Pleurotomaria grandis, (hemnitzia abbreviata, Serpula gordialıs, Serpula canalıifera, Strophodus retieulatus.

Die Jura-Schichten bei Hannover und am Deister verhalten sich aber auch sonst in vielen Beziehungen abweichend von den hier auftretenden Schichten gleichen Alters. Schon die Schichten mit Ammonites anceps zeigen eine abweichende Entwickelung; die Perarmaten-Schichten sind ım Hildesheimischen, am Langenberge bei Heersum, nicht nur viel mächtiger entwickelt, sondern auch reicher an organischen Einschlüssen, wie bei Hannover, wogegen die bei Hannover so mächtige Korallenbank des oberen Jura hier ganz fehlt, und wiederum zeigen die Schichten mit Cidaris flori- gemma hier eine weit grössere Manmnigfaltigkeit der organischen Einschlüsse als bei Hannover, während die Schichten des Kimme- ridge, besonders die des Astartien und die Nerinänen-Schichten bei Hannover eine ungleich reichere Entwickelung der Fauna und eine ungleich bessere Erhaltung der organischen Einschlüsse, als in hiesiger Gegend zeigen. Auch der Umstand, dass hier der Portland, sowohl die Schichten mit Ammonites gigas, als auch die Eim- beckhäuser Plattenkalke und ebenso die Purbek- oder Münder- Mergel, sowie auch die übrigen Schichten der Wealdenbildung gänzlich fehlen, lassen auf eine grosse Verschiedenheit der da- maligen Meeresbeschaffenheit beider einander so nahe liegenden Gegenden schliessen. Eine thunlichst vollständige Feststellung der Faunen aller einzelnen Schichten der hier in Betracht kom- menden Gebiete kann allein zu einer richtigen Beurtheilung dieser Verhältnisse führen, und dazu ist unausgesetztes sorgfältiges Beob- achten und fleissiges Sammeln noch lange Zeit erforderlich.

Angedeutet muss hier aber auch noch werden, dass die organischen Einschlüsse der Florigemma-Schichten bei Hohen- eggelsen, welche bei einem südwestlichen Einfallen mit den nord- östlich einfallenden hiesigen Florigemma-Schichten eine weite Mulde bilden, grosse Uebereinstimmung mit den in den hiesigen Schichten vorkommenden Einschlüssen zeigen, indem von den bei Hohen-

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 73

eggelsen vorkommenden 110 Arten 62 Arten mit den in diesen Schichten hier vorkommenden Arten übereinstimmen und fast

sämmtliche übrigen 48 Arten sehr kleine Bivalven und Gaste- ropoden in höchst eigenthümlicher Weise auf eine kaum zwei

Meter starke Zwischenschicht beschränkt sind.

Die Steine zum Bau der alten Festungswerke der Stadt sind vorwiegend den Florisemma-Schichten entnommen. Da jedoch die Feuchtigkeit der Luft auf diesen Stein häufig einen zerstörenden Einfluss ausübt und ein Zerbröckeln desselben veranlasst, so wird dieser Stein jetzt nur noch zur Fundamentirung von Gebäuden benutzt, ist aber auch hierzu nicht so geeignet, wie der Muschelkalk.

Auf den Florigemma-Schichten liegen auch hier die Schich- ten des

Kimmeridge.

Diese Schichten treten weiter südlich im der Richtung nach Uppen und Wendhausen bis zum Vorholze in erheblicher Mäch- tigkeit auf, während dieselben nordwärts allmählich ganz ver- schwinden und im Gebiete der Karte nur noch am nordöstlichen Fusse des Spitzhutes südlich von der Goslarschen Landstrasse zu Tage treten, um dann bald in der Ebene ganz zu verschwinden, so dass diese, aus fast weissen, ziemlich festen Kalkbänken mit plattenartiger Absonderung bestehende Bildung am östlichen Fusse des Galgenberges in nördlicher Richtung nicht mehr zu verfolgen, wenigstens nicht mehr aufgeschlossen ist. Oberhalb des Chaussee- wärterhauses waren diese Schichten gut aufgeschlossen und wurden hier auf eimer kleinen Fläche folgende Versteinerungen gesammelt:

Conchiferen.

Ceromya (Tellina) rugosa oem.

(ucullaeca Goldfussii Roem. (longirostris oem.)

Mytilus pernoides Roem.

Pinna granulata Sow.

Modiola oblonga Roem.

Pecten comatus v. Münst.

» sublaevis Roem.

74 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

Gasteropoden.

Natica globosa Roem. (hemnitzia sublineata Roem. » abbreviata Roem.

Cerithium excavatum Sow.

Fische. Pyenodus minor Roem. » gigas Ag.

In der Sammlung des Gyimnasiallehrers BEHRENDSEN hierselbst befinden sich von dieser Fundstelle auch noch (yprina Saussuriv Brent., Protocardia eduliformis Roem. und Pr. nuculaeformis Roem., Ostrea multiformis, Exogyra Bruntrutana, Terebratula subsella, Ne- rinaea fasciata.

Plattenkalke und Münder Mergel fehlen hier aber wie auch die Wealdenbildung vollständig.

Aus der vorstehenden Schilderung der verschiedenen Glieder der Juraformation wird nun- aber leicht ersehen werden können, dass sich diese Formation bei Hildesheim in allen ihren Gliedern so vollständig entwickelt zeigt, wie sich das in keiner anderen Gegend Norddeutschlands, am wenigsten auf einem der Ausdeh- nung nach so beschränkten Gebiete wird nachweisen lassen, und eben so wenig wird die Gesammtmächtigkeit der sämmtlichen Schichten derselben, die wir hier auf 800—900 Meter veran- schlagen, von einem anderen Auftreten dieser Formation übertroffen werden.

Sehr wohl hätte man bei Hildesheim auch das Vorhandensein der Wealdenbildung erwarten dürfen, da dieselbe in so grosser Nähe, am Österwalde, Deister bei Hannover, Sehnde und Oberg zum Theil in so mächtiger Entwickelung die Juraformation be- gleitet. Bisher ist hier aber kein Glied derselben aufgefunden.

Es folgt in meiner Schilderung der geologischen Verhältnisse Hildesheims nunmehr die

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 75

Kreide -Formation,

von der aber in dem engbegrenzten Gebiete meiner Untersuchung nur die unterste Abtheilung derselben, der

Hils (Neocom)

in Betracht kommt. Die ganze weite Ebene, welche sich vom Galgenberge in östlicher und nördlicher Richtung erstreckt, ist, so weit die Karte reicht, vom » Hilsthon« eingenommen. Diese von diluvialem Geschiebe und Lehm bedeckte Bildung erreicht hier neben der grossen Ausdehnung auch eine ganz bedeutende Mächtigkeit, so dass ein von mir östlich von der nach Goslar führenden Landstrasse, unweit des Dorfes Achtum zur Aufsuchung der Wealdenbildung unternommener Bohrversuch die Schichten dieses Thones bei 90 Meter noch nicht durchstossen hat und ein anderer bei der Frankenberg’schen Ziegelei, unmittelbar neben der nach Lehrte führenden Eisenbahn, zu demselben Zwecke ange- stellter Bohrversuch diese Bildung selbst bei einer Tiefe von 150 Meter nicht durchsunken hat. In nordöstlicher Richtung wird der Hilsthon von ebenfalls sehr ausgedehnten und sehr mächtigen Schichten der mittleren Kreide, von dem »Gault« bedeckt. Der Hilsthon ist in dem bezeichneten Gebiete an vielen Punkten auf- geschlossen. In vier grossen Ziegeleien werden die dunkelgrauen Thone dieser Bildung zur Bereitung von Backsteinen, Ziegeln und Drains verarbeitet. In der Stadt selbst sind folgende Aufschlüsse hervorzuheben. In der die Nordseite der Kaserne begrenzenden Kasernenstrasse wurden diese Schichten bei der Anlage eines Brunnens, in einer Mächtigkeit von nur drei Metern, die Flori- gemma-Schichten bedeckend, aufgeschlossen. Die untersten Lagen dieses Thones zeigten sich hier sehr eisenhaltig, indem dieselben vorwiegend aus kleinen runden Körnern, s. g. Bohnerz bestanden. An Versteinerungen fand ich hier Pecten crassistesta, Exogyra Couloni, Rehynchonella multiformis, Terebratula perovalis, Plewroto- maria neocomensis, Turbo clathratus und Hoplites amblyonicus (Am- monites noricus Roem.).

76 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

Die Gebäude, welche die Steingrube auf der Ostseite begrenzen, stehen ebenfalls auf den untersten Schichten des Hilsthons, die auch hier die Jurakalke nur wenige Meter stark bedecken. Im Garten des Kunstgärtners Sperling, der östlichen Ausmündung der Marienstrasse gegenüber, wurden bei Anlage eines Brunnens Belemnites subquadratus und Avicula macroptera und daneben auf dem Stölter’schen Garten ebenfalls Belemnites subquadratus ge- funden. Bei dem Bau des Waschhauses auf der an der Bahnhofs- Allee belegenen Irrenanstalt wurden die Hilsthone ebenfalls auf- geschlossen, doch sind hier nur zahlreiche Exemplare des Belem- nites Brunswicensis gefunden. Sodann ist aber auch bei der Anlage eines Brunnens auf der Propfe’schen Eisengiesserei, west- lich vom Marienfriedhofe, der Hilsthon aufgeschlossen gewesen und habe ich hier Avicula macroptera, Pecten crassitesta, Terebratula perovalis, Nautilus pseudoelegans, Serpula quwinquecarinata und Gly- phaea ornata gesammelt.

Bei der Thongewinnung für alle vier auf der Karte bezeich- neten, im Gebiete des Hilsthons belegenen Ziegeleien ist Serpula Phillippsü in grosser Menge angetroffen. Bei den am weitesten nach Norden belegenen Ziegeleien sind zahlreiche Windungsstücke des grossen Urioceras Roemeri Neumayr gefunden, darunter einige fast vollständig erhaltene Exemplare mit den freiliegenden inneren Windungen. Nach dem Erscheinen von » NEUMAYR s Ammonitiden der Hilsbildung Norddeutschlands« sind hier noch einige andere neue Ancyloceras- Arten gefunden, welche noch der Bestimmung harren, die aber allerdings durch den Umstand, dass die aus- gewachsenen Exemplare den Jugendzuständen oft so wenig ent- sprechen, sehr erschwert wird. Die Ancyloceras - Arten haben häufig zur Bildung grosser Sphärosiderite, in deren Mitte sie angetroffen werden, die Veranlassung gegeben. Von diesen Fund- stellen sind noch ferner anzuführen und zwar von der Franken- berg’schen Ziegelei Astarte sp., Avicula macroptera, (uculaea Sp., Lingula truncata, Ostrea rectangularis, Belemnites Brunswicensis und BD. subquadratus, Crioceras Roemeri, Crioceras sp., Nautilus pseudoelegans, Serpula Phillippsü, grosse Wirbel und Kinnladen- stücke mit Zähnen von Ichthyosaurus campylodon var., von der

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. zit

Feustell’schen Ziegelei Pholadomya sp., Rhynchonella multiformis, Terebratula perovalis und T. longa, Rostellaria sp., Pleurotomaria sp., Turbo sp., ein fast vollständiger grosser Crioceras mit vier Reihen Buckeln mit dornigen Fortsätzen, Belemnites subquadratus und Serpula Phillippsü.

Aus der Zusammenstellung der an allen diesen Fundstellen gesammelten Arten ergiebt sich nun folgende Uebersicht:

Conchiferen.

Pholadomya sp.

Astarte sp.

Arca sp.

Avicula macroptera oem.

Pecten crassitesta Roem.

Exogyra Couloni Dfr.

Ostrea carinata Lmk. (rectangularis Roem.)

Brachyopoden.

Rhynchonella multiformis oem. Terebratula perovalis Roem.

> longa Roem. Lingula truncata Sow.

Gasteropoden. Pleurotomaria neocomensis d’Orb. > Sp. Turbo elathratus Roem. Rostellaria sp. SP-

Scalaria sp. Cephalopoden. Crioceras Roemeri Neumayr.

> Sp- > sp.

78 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

Hoplites amblyonicus Neumayr. ; (Am. noricus Roem.)

Nautilus pseudoelegans d’Orb.

Belemnites subquadratus Roem.

» Brunswicensis Strombh.

Annelıden.

Serpula Phillippsii oem.

> quinquecarinata Roem.

Crustaceen.

Glyphaea ornata Roem.

Saurier.

Ichthyosaurus campylodon Carter. var. (Kiefertheile mit Zähnen und Wirbel.)

Jüngere Glieder der Kreideformation, welche schon in ge- rınger Entfernung von Hildesheim zu grosser Bedeutung gelangen, treten in dem engbegrenzten Gebiete, welches wir hier schildern, nicht auf und ebenso wird auch die Tertiärformation erst weiter südlich, bei dem eine Stunde entfernten Dieckholzen durch an- sehnliche oberoligocäne Ablagerungen, die sich in nordwestlicher Richtung bis unter den Aussichtsthurm und weiter hinziehen, vertreten.

Wenn auch die Karte das geologische Bild unserer Gegend so giebt, wie dasselbe erscheint, wenn man sich die Ablagerungen des Diluviums und des Alluviums, welche die hier vorhandenen älteren Bildungen bedecken, fortgenommen denkt, so darf ich doch nicht darauf verzichten, hier auch die Beschaffenheit und die Be- deutung, welche diese beiden jüngsten Formationen für unser

städtisches Gebiet haben, hier kurz hervorzuheben.

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 79

Diluvium.

Während der Diluvialzeit gab es einen Zeitabschnitt, innerhalb dessen nicht nur das Harzgebirge, sondern auch schon die Berg- züge hiesiger Gegend, Galgenberg und Spitzhut, der Rottsberg und selbst die höchsten Rücken des Steinberges und Krählas aus dem Meere hervorragten. In dieser Zeit wird es geschehen sein, dass die Meereswogen und die aus dem Harzgebirge hervorbrechenden und sich ein Bett auswaschenden Gewässer (Innerste) grosse Massen der Gesteine dieses Gebirges, Grauwacke und Kieselschiefer, aber auch der am Fusse des Gebirges anstehenden jüngeren Gebirgs- schichten, des Buntensandsteins, des Muschelkalks und der Pläner- kalke, nebst den Versteimerungen der zerstörten Thonbildungen dem Meere zuführten, auf dessen Grunde sie sich dann mit den übrigen, zumeist dem höheren Norden entstammenden Geschieben des Diluviums vermengten. Als dann auch die niedriger gelegenen Theile unseres Gebietes dem Meere entstiegen waren, bildeten diese so zusammengesetzten Diluvialgeschiebe, über die sich auch noch Diluviallehme ausgebreitet, eine weite und mächtige Decke über den darunter liegenden älteren Gebirgsschichten. Die vom Harze heraneilende Innerste musste sich nun ın diesen Diluvial- massen ihr 400 Meter breites Bett und Inundationsgebiet aus- waschen und war genöthigt, dabei auch in die darunter liegenden Liasschichten miteinzuschneiden. So ist es gekommen, dass wir diese diluvialen Ablagerungen noch jetzt, durch den Fluss zerrissen, auf beiden Ufern der Innerste antrefien. Auf dem linken Ufer finden wir das Diluvium durch die Gewässer freilich auch an vielen Stellen vielfach ganz fortgewaschen beim Heiligenhäuschen bei Himmelsthür, aber auch südöstlich von Himmelsthür, ebenso auf der Nordwestseite des Moritzberges, von wo sich dasselbe bis zum Haidekruge erstreckt, und auf der Strecke von Luzienvörde bis Ochtersum. Grosse Auswaschungen des Diluviums und der darunter liegenden Schichten des Lias und Braunen Juras erfolgten aber auch auf dem rechten Ufer der Innerste. Schon vor dem Auftreten des Menschengeschlechts hatten gerade da, wo jetzt die Stadt Hildesheim steht, die Gewässer des Ortschlumpbaches und

80 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

der mächtigen Sültequelle, denen sich die bedeutenden Wasser- mengen zugesellten, welche sich auf dem jetzt von dem oberen Theile der Stadt eingenommenen Plateau bei jedem Regenfalle sammelten, in der Richtung vom Alms- und Hagenthore aus einen Abfluss zum Innerstethale gebahnt, indem sie sich in dieser Richtung im langen Lauf der Zeiten in den hier anstehenden mächtigen Geschiebemassen ein breites Bett ausgewaschen und dabei auch unter Mitwirkung der Wassermengen, welche von dem mehr nördlich gelegenen Gebiete, das jetzt von dem Michaeliskloster, dem Langenhagen, Altenmarkte, der Burgstrasse und dem Pfaffen- stiege eingenommen wird, ebenfalls der Innerste zueilten, den steilen Hang, welcher das Innerstethal auf dessen Ostseite be- grenzt, auf der ganzen Strecke, welchen jetzt der untere Theil der Stadt einnimmt, mit fortgerissen. Diesen Auswaschungen hatte nur der inselartig dastehende Hügel, den später der Dom und dessen nächste Umgebung einnahm, Widerstand geleistet.

Die Mächtigkeit der diluvialen Geschiebe ist nun, abgesehen von den später stattgehabten Auswaschungen, je nach der Be- schaftenheit der Oberfläche der Schichten, auf denen sie liegen, verschieden, doch erreichen dieselben im dem oberen Theile der Stadt und auf dem sich nordwärts erstreckenden Plateau eine Mächtigkeit bis zu acht Meter.

Von den organischen Einschlüssen des Diluviums sind hier bisher nur Hörner von Bos primigenius (Gercke’s Ziegelei am Stein- berge) und Knochen und Backenzähne des Zlephas primigenius be- obachtet, und noch in diesem Jahre sind bei der Kiesgewinnung unweit Nordstemmen Backenzähne und grosse Stücke der Stoss- zähne dieses Elephanten gefunden. Es mag hier aber erwähnt werden, dass zu Anfang dieses Jahres westlich von dem eine Stunde von Hildesheim entfernten Dorfe Gr.-Giessen in den Spal- ten eines Gypsbruches zahlreiche, in Lehm eingeschlossene Knochen und Zähne vom Rhinoceros tychorhinus gefunden sind. Dieselben waren anfänglich als alte Knochen verkauft und auf die Felder gefahren, bis dieselben die Aufmerksamkeit des Thierarztes KAL- LENBACH in Harsum erregten, der dann auch dem hiesigen städtischen Museum eine grosse Anzahl dieser Knochen nebst

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 81

Zähnen schenkte. Der Eigenthümer des Gypsbruches, Hofbe- sitzer SCHRADER in Gr.-Giessen, hat dann alle späteren Funde ebenfalls dem Museum überwiesen. Reste kleinerer Wirbelthiere sind hier aber bisher nicht angetroffen, obschon ich darauf wieder- holt mein Augenmerk gerichtet.

Dem Diluvium angehörige erratische Blöcke sind auch im hiesigen Stadtgebiete nicht selten, doch sind die meisten derselben zerschlagen oder sonst verbraucht. Ein recht ansehnlicher Granit- block dieser Art liest auf dem Platze vor dem städtischen Museum. Ein Riese hat denselben auch hier aus dem Schuh geschüttet, weil ihn derselbe gedrückt. Nach diesem erratischen Blocke ist aber schon in alter Zeit dieser Platz »Am Steine« und die Bäuer- schaft dieser Gegend die Lapidis-Bäuerschaft genannt.

Von den dem Diluvium als Bestandtheile beigemengten, aus den im oberen Innerstethale zerstörten Schichten des Lias und Braunen Juras herrührenden Versteinerungen, welche bei der Kies- gewinnung mehr oder weniger häufig gefunden werden, nenne ich Ammonites Conybieri, Am. margaritatus, Am. jimbriatus, Am. spi- natus, Am. capricornus, Am. Henleyi, Am. Parkinsoni und Oerithium undulatum.

Die auf diesen Kiesschichten niederfallenden atmosphärischen Niederschläge sammeln sich auf den darunter liegenden Thon- schichten und bilden hier ein Grundwasser, welches vor der Ka- nalisirung der Stadt den Kellern oft sehr nachtheilig wurde, aber auch alle die zahlreichen Brunnen mit Wasser versorgt, die kein zugeleitetes Wasser haben. Die in den höheren Theilen der Stadt gelegenen, jetzt verschütteten Festungsgräben füllten sich lediglich durch das aus der Kiesschicht hervortretende Grundwasser. Die sogenannten Quellen in Hohnsen, am Hagenthorwalle, in der Gruft der Michaeliskirche und an der Ecke der Kreuzstrasse und des Kläperhagens (welche den Muttergottesbrunnen speist), auf meinem Garten und auf der Lademühle sind nur das auf der Grenze der Thonschichten und des Kieses ablaufende Grundwasser.

Im übrigen findet dieser Kies zur Anlage trockener Fusswege in Gärten und auf den öffentlichen Promenaden, sowie auch, aus- gesiebt, zur Mörtelbereitung ausgedehnte Verwendung.

6

82 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

Von Bedeutung für unsere Gegend und auch von wissen-

schaftlichem Interesse ist aber auch das

Alluvium.

Die grösste Ausdehnung hat dasselbe im Innerstethale, wo es die ganze Breite des Thales einnimmt. Wie ich schon bei der Besprechung der Schichten des mittleren Lias erwähnt, ist es zweifellos, dass die Innerste das Thal anfänglich an drei Meter tiefer ausgewaschen, als dasselbe jetzt erscheint, und erst der ım 9. Jahrhundert bei Clausthal und Zellerfeld begonnene Bergbau hat zu der Erhöhung der Thalsohle und damit auch des Innerste- bettes Veranlassung gegeben. Es ist nämlich ganz ersichtlich, dass sich der schwere Pochsand in Folge des durch die Stauanlagen der Mühlen noch mehr verminderten Gefälles des Flusses in dessen unterem Laufe zu immer mehr anwachsenden Massen ab- gelagert hat. Die bei jeder Anschwellung der Nebengewässer, besonders des Netteflusses herbeigeführten grossen Lehm- und Humusmengen vermischten sich, wie es noch heute geschieht, mit dem Pochsande und schlugen sich bei jedem Austreten der Innerste ın dem Inundationsgebiete derselben nieder. Dasselbe hat sich auf diese eigenthümliche Weise wieder um drei Meter erhöht, und zugleich bedingt der Niederschlag dieses Bodenge- menges die grosse Ergiebigkeit und den hohen Werth der aus- sedehnten Wiesen dieser schönen Thalebene.e. Beim Bau der Eisenbahnbrücke neben den Zwerglöchern zeigte sich diese Be- schaffenheit der Thalsohle sehr deutlich, indem zuerst eine aus Humus und fenem Pochsande gemischte, zwei Meter starke Boden- schicht fortgenommen wurde, worauf eine über ein Meter starke Ablagerung eines unvermischten, sehr groben Pochsandes folgte, unter welchem dann die Thone des Lias anstanden. Genau die- selbe Beschaffenheit dieses Alluviums ist bei anderen, im Innerste- thale vorgenommenen Bauten, bei der Anlage von Brunnen und noch in diesem Jahre bei der Anlage eines Wasserbassins für die hiesige Zuckerraffinerie beobachtet.

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 83

Eine andere alluviale Bildung hat der Trillkebach veranlasst. Bevor derselbe den Steinberg und den mit demselben ursprünglich verbundenen Katzberg durchschnitten, waren dessen Gewässer auf der Westseite dieses Berges zu einem See aufgestaut, der bis in die Nähe des Dorfes Neuhof hinaufreichte und sicher von grosser landschaftlicher Schönheit war. Nachdem aber der Bach diesen Bergrücken allmählich durchbrochen und das Wasser des Sees abgelaufen war, trocknete der Humus und thonhaltige Grund des früheren Sees aus und wusch sich der Bach in der Mitte desselben ein schmales Bett aus. Wir erwähnen dieser, früher auch zur Ziegelbereitung benutzten Bildung besonders deshalb, weil sich ın derselben die Schalen einer, in hiesiger Gegend lebend überall nicht mehr vorkommenden Muschel Unio pietorum L. var. finden. Eine andere Art dieser selben Gattung, welche in unserer Gegend auch nicht mehr lebt, wurde in grosser Menge in den unteren Lagen des eben beschriebenen Innerste- Alluviums beim Bau der Eisenbahnbrücke neben den Zwerglöchern gefunden, es ist das Unio batavus Lmk., der hier also bis zum Beginn des Bergbaus am Öberharze gelebt haben muss, da sich dessen Schalen in höheren Schichten nicht mehr finden.

Bemerkt mag hier auch noch werden, dass die noch immer fortdauernden Anschwemmungen des für das obere Innerstethal so verderblich gewordenen Pochsandes für unsere Wiesen nur selten schädlich werden, dagegen uns einen zur Benutzung des Mörtels und zur Herstellung des Strassenpflasters ganz besonders geeig- neten Sand liefern, so dass Sachverständige den Werth dieses hier alljährlich gewonnenen Pochsandes zu 30— 40000 Mark schätzen.

Werfen wir nun noch einen Rückblick auf die im Vorstehenden besprochenen Gebirgsformationen, so muss zunächst die bedeutende Gesammtmächtigkeit derselben auffallen. Selbstverständlich können derartige Abschätzungen nur ein annähernd richtiges Ergebniss geben. Ich habe bei dieser Schätzung besonders die bei dem Bau des Eisenbahn-Kanals gemachten Beobachtungen zum Anhalts- punkte genommen. Das Einfallen dieser Schichten erfolgt unter einem Winkel von 20° und berechneten die Bauführer hiernach

6*

84 Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim.

die Stärke der Schichten auf drei Meter Breite der Schichtenköpfe zu einem Meter, und ergab sich dieselbe somit für die Torulosus- schicht bis zu den Macrocephalusschichten incl. zu 238 Meter, die man aber hei der grösseren Entwickelung der Schichten am Süd- rande des Gebiets der Karte zu mindestens 280 Meter annehmen muss. Dazu die Anceps- und Perarmatenschichten mit 70 Meter, würde für den »Braunen Jura« allen eine Mächtigkeit von 350 Meter ergeben. Der Lias, von dem Av. ROEMER die Posi- donienschiefer allen zu 150 Meter schätzt, würde dann zu 450 Meter und die Mächtigkeit des Weissen Juras zu 100 Meter angenommen werden können. Würde dann noch der Muschel- kalk, nur soweit als er hier in Betracht zu ziehen, zu 200 Meter, der Keuper zu 125 Meter und der Hils zu 130 Meter an- genommen, so ergähe sich hieraus eine Gesammtmächtigkeit von 1355 Meter.

Sehr bedeutend ist aber auch die Mannigfaltiskeit und der Reichthum an organischen Einschlüssen, welche in den allerdings sehr mannigfaltigen Gebirgsschichten dieses geographisch so eng begrenzten Gebiets angetroffen werden, zumal wenn erwogen wird, dass die Mehrzahl der Schichten des »Mittleren Lias« überall nicht aufgeschlossen und die des »Braunen Jura« nur während einer so kurzen Zeit zu beobachten waren. Die Gesammt- zahl der aus diesem Gebiete hier von mir aufgeführten Arten be- trägt aber 493. Hiervon fallen auf die Triasformation Muschel- kalk und Rhät 48 Arten, auf die verschiedenen Glieder der Jura- formation aus denen innerhalb des hier besprochenen Gebiets Ap. ROEMER nur 86 Arten, Dr. BrAuns 127 Arten aufgeführt 414 Arten, auf die Kreideformation (nur Hils) 27 Arten und auf das Diluvium und Alluvium je 2 Arten. Um aber eine Vor- stellung von der Mannigfaltiskeit der organischen Einschlüsse der Juraschichten in hiesiger Gegend zu gewinnen, wird man auch in Erwägung ziehen müssen, dass in der Forterstreckung der hier besprochenen Schichten, so namentlich aus den Perarmatenschichten des Langenberges bei Heersum noch an 60 Arten, aus den Flori- gemmaschichten am Knebel, Rathshagen und Langenberge noch etwa 20 Arten und aus den Schichten des unteren und mittleren

Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. 85

Kimmeridge bei Uppen und Wendhausen ebenfalls noch 60 Arten bekannt sind.

Am Schluss dieser allerdings nur skizzenartig gehaltenen Be- sprechung der in dem Gebiete der Stadt Hildesheim auftretenden Gebirgsschichten angelangt, darf ich noch einmal darauf hin- weisen, dass dieselbe zunächst nur als eine Erläuterung der Karte anzusehen ıst und dass sowohl die Karte als auch diese Erläuterungen vor allem den Nachweis . des Vorhandenseins und der Ausdehnung der aufgeführten Formationsglieder bezwecken, dass dieselben aber auch darauf berechnet sind, das Studium dieser Schichten an Ort und Stelle zu erleichtern und für die Beurtheilung etwaiger neuer Beobachtungen und Funde einen

Anhalt zu gewähren.

A.W.Schade’s Buchdruckerei (L. Schade) in Berlin, Stallschreiberstr. 45/46.

Abhandl.d.geol_Landes-Anstalt BAY Heft 1.

Geologische Karte

STADT HILDESHEIM

und ihrer nächsten Umgebung

von Senator a.D. DE H.ROEMER.

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Profil zu der Geolos. Karte der

Stadt Hildesheim

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von Senator a.D.Dr.H.Roemer.

Abhandl.d.6beol.Landes-Anst.Ba.V Heft 1.

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Preussen

und

den Thüringischen Staaten.

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BERLIN. In Commission bei der Simon Schropp’schen Hof-Landkartenhandlung. (J. H. Neumann.) 1884.

Beiträge zur fossilen Flora. II.

Steinkohlen-Calamarien.

9%

Von

Ch. E. Weiss,

Dr. ph., Prof., Königl. Landesgeologe und Docent an der Bergakademie zu Berlin.

Herausgegeben

von

der Königlich Preussischen geologischen Landesanstalt.

Mit 8 Holzschnitten im Text und einem Atlas mit Taf. I—-XXVIIl.

IIINANAINANIIAIIANANANIINInInnnnnnnnnnnRnDN

BERLIN.

In Commission bei der Simon Schropp’schen Hof- Landkartenhandlung. (J. H. Neumann.)

1884,

TURN. Kuhsinf -i0p

Inhalt.

Erster Theil.

Zur Organisation der Calamarien.

. Equisetaceen und Calamarien. S.1.

Vergleichung zwischen Zguisetum und Steinkohlen-Calamarien. Merkmale der Equiseten S. 1. Merkmale der fossilen Calamarien S. 3. Vergleich nach den Reproductionsorganen S. 5, nach der Stammstructur S. 8, nach den Nodialquirlen S. 12. Gattungen der fossilen Calamarien S. 15.

. Stellung der Calamiten. S. 17.

Aufstellung nach verschiedenen Autoren S. 17. Bedeutung der Knötchen S.18. Stellung der Blätter S. 21. Calamites varians von Wettin S. 21, von Radnitz S. 21, andere von Westphalen S. 22. Stellung nach der Verzweigung S. 23.

Beblätterung der Calamarien. S. 26. Blätter an Calamiten-Stämmen S.26, an Asterophylliten $. 29, an Zweigen von Calamites ramosus S.29, an anderen Calamarien S. 30.

Wurzeln der Calamiten. S. 32.

Verzweigung der Calamiten. S. 37.

Verzweigung am Rhizom S. 37, an den unteren Stammtheilen S. 38, an den oberirdischen Theilen S. 40. Astnarben und ihre Lage S.42. Auftreten der Astnarbenquirle S.44. Zahl der Astnarben an den Gliede- rungen S.46. Vergleich der Verzweigung bei Calamiten mit der bei anderen Calamarien S. 48.

VI

Zweiter Theil. Systematische Beschreibung.

A. Calamarien- Stämme.

I. Calamites. Provisorische Gattung. Gattungs- und Sippen-Charaktere S. 51. Arten $. 57.

1. Calamitina. S. 59.

1. ©. varians Sternb. S. 61. a) varians insignis S. 63. b) varians inversus 8. 68. c) varians inconstans 8. 69. d) varians abbre- viatus 8. 73. e) varians semieircularis 8. 75. f) varians Sachsei Stur sp. S.77. g) Anhang S.77: Beispiele von Essen, von Walden- burg, Krone bei Hörde, Langendreer, Hermsdorf, Schwalbach.

2. C. approximatus Brongn. $. 81. a) subaequalis 8.82. b) vul- garis 8. 82. c) accrescens 8. 85.

3. C. vertieillatus L. etH. S. 35.

4. C. extensüs n. sp. S. 81.

0. Wedekindi n. sp. S. 88. C. tripartitus Gutb. S. 89. dscajeonnssp Sl.

Ö©. pauciramis n. sp. 8.98. ©. macrodiscus n. sp. 8. 94.

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2. Eucalamites. S. 96.

10. ©. ramosus Artis mit Annularia ramosa, Calamostachys ramosa 8.98.

11—13. ©. eruciatus Sternb. S. 111. 11. C. eruciatus terna- rius 8.112. 12. ©. eruciatus quaternarius 8. 113. 13. ©. eruciatus senarius 8. 114.

14. C. multiramis n. sp. S. 114.

15—19. Anhang: 15. ©. ceueullatus n.sp. S. 117. 16. C. elongatus n. sp. S. 117. 17. ©. sp. 8. 118. 18. (©. decurtatus n. sp. S. 118. 19. ©. verticillatus- Ett. S. 118.

3. Stylocalamites. S. 119.

20. C. arborescens Sternb. sp. mit Palaeostachya arborescens S. 120. var. Schumanniana 8. 124.

©. Suckowi Brongn. S. 129. var. undulatus S. 134.

CO. acuticostatus Weiss S. 137.

©. ef. giganteus Lindl. S. 138.

CHE) SSaErz

4. Archaeocalamites. S. 141. C. transitionis var. abbreviatus S. 142. 24. C. Beyrichi n.sp. S. 144.

VII

II. Equisetites.

1. Equisetites lingulatus Germ. S. 148. 2. E. mirabilis Sternb. S. 149.

III. Gyrocalamus n. gen.

Gyrocalamus palatinus n. sp. S. 152. (Siehe Nachtrag S. 202.)

B. Calamarien-Fruchtstände.

Geschichtliches und Litteratur S. 154. Verhältniss der Fruchtgattungen zu Asterophyllites und Annularia S. 158. Aehrenstände S. 160. Ueber- sicht der Gattungen S. 161.

I. Calamostachys Schimp. S. 163.

Erste Reihe: Eucalamostachys. 1. €. Ludwigi Carr. 8.163. 2. C. Binneyana Scehimp. S. 169. 3. ©. longifolia Sternb. sp. S. 171. 4. C. paniculata Weiss S. 173. 5. ©. (2) nana n. sp. S. 175. 6. C. mira Weiss S. 176. 7. C. su- perba Weiss S. 176. 8. C. germanica Weiss S. 177. 9. ©. Solmsi Weiss S. 177.

Zweite Reihe: Stachannularia. 10. ©. tuberculata Sternb. sp. mit Annularia longifolia S. 178. 11. Cal.

cf. calathifera Weiss mit Annularia sphenophylloides Zenk. S. 178. 12. ©. ramosa Weiss mit Annularia ramosa, Calamites ramosus S. 180.

Il. Palaeostachya Weiss. S. 181.

Erste Reihe: Typus der P. elongata. 13. P. elongata Presl sp. S. 181. 14. P. pedunculata Williams. 5.182. 15. P. (2) gracillima n. sp. S. 184.

Zweite Reihe: Macrostachya-Typus.

16. P. ef. Schimperiana Weiss S. 185. 17. P. arborescens Sternb. sp. mit Calamites arborescens Sternb. S. 137.

III. Huttonia Sternb. S. 188. 18. H. spicata Sternb. S. 188.

IV. Paracalamostachys Weiss. S. 190. 19. P. polystachya Sternb. sp. S. 190. 20. P. rigida Sternb. sp. S. 191. 21. P. striata n. sp. und Asterophyllites striatus n. sp. 5. 192. 22. P. Williamsoniana n. sp. S. 193. 23. P. minor n. sp. S. 194.

VII.

V. Maerostachya Schimp. S. 196.

24. M. Hauchecornei n. sp. 5. 196. 25. M. infundibuliformis Brongn. S. 197. 26. M. carinata Andrä S. 197.

VI. Volkmannia Sternb. part. S. 199. 27. V. tenera Weiss S. 199.

VIl. Bowmanites Binney. S. 200. 28. B. germanicus n. sp. 8. 201.

Nachtrag zu 8. 152.

Gyrocalamus Fayolia Ren. et Zeill. S. 202.

Erster Theil.

Zur Organisation der Calamarien.

1. Equisetaceen und Calamarien.

Die heutigen Equisetaceen, der Typus für die fossilen Cala- marien, bilden bekanntlich nach Habitus und morphologischer Natur eine so scharf umschriebene Klasse von Pflanzen, dass sie nur eine einzige Gattung Equwisetum umfassen, deren wichtigsten Merkmale die folgenden sind.

Sämmtliche Axentheile, die oberirdischen sowohl als die unterirdischen, Stamm, Zweige, Rhizom, sind in den wesentlichsten Theilen übereinstimmend. Sie zerfallen nämlich durch Quertheilung in Glieder, welche hohl oder mit Mark ausgefüllt sind und mehr oder weniger Längsrippung besitzen. Die Glieder enthalten kreis- förmig gestellte Gefässstränge (Fibrovasalstränge) welche den Rillen folgen, sowie eingeschlossen von ihnen ebenfalls kreisförmig grup- pirte hohle Kanäle im Stamm (Lacunen) nebst einem zweiten weiter nach aussen gestellten Kreise von Lacunen und tragen an ihrer Spitze eine Blattscheide.

Alle Blätter sind kreisförmig gestellt, die sterilen in Scheiden verwachsen.

Sofern es sich nur um Kenntniss der sterilen Pflanze handelt, kann man mit MILDE sagen, dass das Zqwisetum sich in jedem Internodium von Neuem wiederholt und: »wer ein Internodium kennt, kennt auch die ganze Pflanze«.

Indessen ist dies cum grano salis zu verstehen, denn es sind mancherlei Verschiedenheiten in Bau und Ausbildung der Axen- theile von Zgwisetum dennoch nicht ausgeschlossen. Besonders aber tritt dies an den die Reproductionsorgane tragenden Axen, d. i. da, wo die stärker metamorphosirten Organe sich befinden, hervor.

1

I Equisetaceen und Calamarien. [88]

Die Aehre von Zgwisetum hat eine Axe ohne deutliche Gliede- rung, welche ausgefüllt, weich und zart im Vergleich mit den oft harten, hohlen Stengelgliedern ist. Sie trägt Kreise von umgewandel- ten, nämlich fertilen Blättern, die sich mit einziger Ausnahme des noch scheidenförmigen sogenannten Ringes an der Basis der Aehre in einzelne getrennte Receptacula auflösen, welche Sporen tragen, unter sich zwar ganz gleich gebaut sind, aber von den sterilen Blattkreisen beträchtlich abweichen. Jedes einzelne Receptaculum besteht aus einem stielförmigen Träger, der rechtwinklig absteht und an der Spitze sich im eine Scheibe verbreitert, an deren Rand ein Kreis von Sporangien taschenförmig eingesenkt ist. Diese öffnen sich nach Innen und lassen Sporen austreten, welche merk- würdig dadurch erscheinen, dass sie nicht dimorph sind, sondern nur einerlei Form und Grösse zeigen und mit je 4 elastischen Spiralfäden versehen sind, welche man ihrer plötzlichen Bewegungen halber, die sie beim Trocknen zeigen, Schleudern genannt hat.

Die Aehre ist blattlos, insofern zwischen den fertilen Kreisen keine sterilen Blätter vorkommen, und stets endständig.

Eine wichtige Rolle fällt der Gegend der Nodiallinie D) zu, da an ihr oder in ihrer Nähe die drei Nodialquirle ihren Ursprung nehmen: die Aeste, Blätter und auch die Wurzeln.

Die Verzweigung findet quirlförmig an den Knoten oder (Grelenken statt, und zwar bei Kguwisetum unterhalb der Blattscheide, am vollständigsten natürlich an den oberirdischen Stengeln, am Rhizom weit beschränkter.

Die Blätter befinden sich constant am oberen Ende jedes Gliedes, aber unterhalb der Nodiallinie)).

Die Wurzeln brechen, wie meist bei quergegliederten Pflan- zen, an den Knoten hervor, stets unterhalb der Blattscheide und wohl stets unterhalb der Astknospe. Dies geschieht nicht blos am unterirdischen Stamm, sondern auch an den unteren Theilen der aufsteigenden Stengel, und die Anlage zur Wurzelbildung ist an allen Gliedern gegeben. Manche khizome sind auf ihrer ganzen Oberfläche mit einem braunen Filz von Wurzelhaaren bedeckt.

') »Internodiallinie« anderer Autoren.

[89] Equisetaceen und Calamarien. 3

Sehr bemerkenswerth ist, dass ın den aufgeführten Punkten die Arten der lebenden Gattung Egwisetum so nahe übereinstimmen, dass kein Bedürfniss vorliegt, sie in mehrere Gattungen zu theilen. Eine augenfälligere Verschiedenheit findet hauptsächlich in den fruchtbaren Axen statt, welche entweder (E. arvense etc.) ‘auf anders gestalteten Stengeln erscheinen oder auf gleich gestalteten (E. palustre etc.) wıe- die unfruchtbaren. Die einen sterben nach der Sporenaussat ganz ab, die anderen werfen nur ihren fertilen Gipfel ab. Vorgebildet sind aber auch die Aehren bereits in der unterirdischen Knospe, die am Rhizom entsteht.

Wichtige und constante Unterscheidungsmerkmale bieten die lebenden Eguwisetum-Arten nicht so sehr ın der Organisation der Stengel, Blätter, Aehren, sondern mehr noch in den Spaltöffnungen.

Dieser Pflanzenkreis, wie er heute in seinen lebenden Ver- tretern erscheint, ist somit ausserordentlich scharf abgegrenzt. Keine andere Gruppe der Gefässkryptogamen ist von den übrigen so geschieden, wie die Equiseten von ihnen und erst durch Hinzu- ziehen der fossilen Verwandten erweitert sich ihr Kreis und ver- ringert sich auch diese Kluft.

Gegenüber den neuesten Bestrebungen, die fossilen Oalamarien allzu sehr in dem Halblichte der heutigen Equiseten zu beleuchten, möge auf einige wenige Punkte verwiesen werden, welche eine ungleich grössere Verschiedenheit der alten Vertreter dieser Gruppe ergeben, als sie die heutigen zeigen und welche beweisen, dass wirklich ehemals mehr und ganz andere Gattungen existirt haben als heute.

Jene gegliederten Pflanzenreste, welche wir zu den’ Oalama- rien stellen, welche aber schon während der Steinkohlenperiode lebten, zeigen nur selten scheidenförmige Verwachsung der Blätter, so dass wir nicht einmal behaupten dürfen, dass die Gattung Kgw- setum selbst schon zur Steinkohlenzeit gelebt habe. Nur Kgwisetites nennen wir daher solche sterile Reste mit Scheidenblättern, zu denen wir die Reproductionsorgane nicht kennen. Und gerade das Equwisetum-Aehnlichste von allen hierher gehörigen Objecten, das ehemalige Egwisetum mirabile Sternberg’s, soll nach Stur ganz andere Organisation der Reproductionsorgane besitzen.

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4 Equisetaceen und Calamarien. [90]

Weitaus in den meisten Fällen sind die Blätter frei, doch stets kreisförmig gestellt.

Schon SCHIMPER (traite de paleontol. veget. I, S. 255 u. 291) hat in Zusammenhang hiermit sehr klar auch die Astbildung ge- bracht. Die Aeste entspringen bei den Calamarien mit freien Blättern in den Blattachseln, die Blätter liegen dann unter dem Aste an der Spitze des nächst tieferen Internodiums.

Nur die Calamarien mit scheidenförmig verwachsenen Blättern, unsere heutigen Equiseten, tragen ihre Aeste unter dem Blattquirl an dessen Aussenseite, also ebenfalls an dem oberen Ende des Gliedes. Allein dies gilt nur von den entwickelten, bereits aus der Oberfläche des Stammes hervorgebrochenen Aesten. Es ist sehr bemerkenswerth, dass die neuesten Untersuchungen über den Ur- sprung der Astknospen bei Kgwisetum ihre bisher angenommene endogene Entstehung widerlegt und dargethan haben, dass sie in den Blattachseln aus einer der Rille gegenüberliegenden Zelle dicht oberhalb der ringförmigen Blattanlage sich entwickeln und erst später das Blatt durchbrechend an der Basis desselben zum Vorschein kommen, so dass ihr Insertionspunkt und dessen Spuren (Astnarben) nicht die eigentliche Ursprungsstelle bezeichnet.

Weit wichtiger ist die Verschiedenheit der Aehren. Alle, wenigstens alle besser bekannten Achren der Steinkohlencalamarien sind scharf gegliedert und es wechseln sterile mit fertilen Kreisen gesetzmässig ab.

Die Organisation der fertilen Kreise ist nicht überall voll- ständig bekannt, aber man weiss, dass in gewissen Fällen das Trägerstielchen der Receptacula gänzlich fehlt (weshalb Manche diese Pflanzen, wie Volkmannia, Sphenophyllum, zu den Lycopo- diaceen brachten) oder auch durch Scheiben ersetzt wird (wie bei (ingularia). In den übrig bleibenden Fällen mit Sporangiophoren (Calamostachys, Palaeostachya etc.), gleichgiltig wo der Träger be- festigt ist und abgesehen davon, dass man eine schildförmige Er- weiterung der Spitze des Trägers bisher nicht überall beobachten konnte, ergeben sich die grössten Verschiedenheiten dieser fossilen Calamarien von den Equiseten darin, dass man bereits bei meh-

[91] Equisetaceen und Calamarien. 5)

reren dimorphe Sporen und Sporangien aufgefunden hat, dass den Sporen stets die Schleudern fehlen und dass man dagegen öfter die 3 Riefchen der Sporen wie bei Lycopodiaceen, welche auf kuglig-tetraödrische Form deuten, erkannt hat. In den einzelnen Fällen kommen gerade in den Aehren der Steinkohlencalamarien noch mancherlei Abweichungen vor, welchen in der Kgwisetum- Aehre nichts entspricht.

Solche grosse Verschiedenheiten können nur in verschiedenen Gattungen ihren Ausdruck finden und begründen deren Existenz unzweifelhaft.

Bedeutungsvoll ist, dass die auffälligeren Abweichungen sich, wie schon früher betont worden ist, gerade in den Aehren der fossilen Calamarien einstellen, wo bei den lebenden grosse Gleich- förmigkeit herrscht, während in den sterilen Theilen so weit gehende Unterschiede nicht gefunden werden. Obschon auch für diese mehrere Gattungen aufgestellt worden sind, sind ihre Unterschiede doch geringer als sie sich in den Aehren ergeben und auch die Arten sind nicht so leicht zu begrenzen, weil ihre Formen sich in geringeren Variationen bewegen, so dass es gleichsam den An- schein gewinnt, als gäbe es weniger Arten unter den sterilen als unter den fertilen Theilen.

Es ist sicher, welche Ansicht man auch sonst haben möge, dass die Gattungsmerkmale bei den fossilen Calamarien nur zum Theil mit jenen bei Kguwisetum übereinstimmen. Die Abweichungen ‚sind verschieden gross und eben daher entsteht die Frage, welcher Umfang dem Begriffe der Calamarien zuzugestehen sei, so bald wir die fossilen Verwandten mit aufnehmen.

Für jeden Botaniker stehen ın dieser Frage die Keproductions- organe obenan und es knüpft sich an die Darlegung ihrer Organi- sation ein Haupttheil der Antwort. Den Sporen der Steinkohlen- calamarien fehlen soweit bekannt die Schleudern: werden sie also noch zu den Verwandten der Equiseten zählen? Man hat bisher hieraus noch keinen Zweifel abgeleitet. Die Steinkohlen- calamarien haben beblätterte Aehren; auch dies hat noch Niemand gehindert, sie zu dieser Gruppe zu stellen. Einige fossile Calama-

6 Equisetaceen und Calamarien. [92]

marienähren haben dimorphe Sporen ergeben !) und Sporen von tetraödrischer Form, ein Charakter, der als besonders bezeichnend sich bei den Lycopodiaceen findet: darf man jene also noch den Equiseten vergleichen? In diesem Punkte reihen sie sich den Ly- copodiaceen zwar durchaus an, aber alle übrigen Charaktere stimmen bei ihnen wieder mit denen anderer Calamarienähren, wo nur diese Merkmale nicht beabachtet werden. Man kann sie deshalb allein nicht abscheiden.

Solchen gewichtigen Abweichungen gegenüber erscheinen viele andere nur gering, wodurch die fossilen Calamarien sich vor den Equiseten auszeichnen. Dass an Stelle der stielförmigen Träger bei Dquisetum eine tellerförmige zertheilte Scheibe bei Cingularia treten könne, ist zwar auffallend, aber auch dies nicht zwingend, die betreffende Pflanze aus der Familie auszuschliessen: wird doch in anderen Fällen (bei Stachannularia z. Th.) die Scheibe oder der Trägerstiel durch einen rosendornförmigen Fuss ersetzt.

Mehrere Aehren aber lassen gar keinen besonderen Träger mehr erkennen, sondern die Sporangien befestigen sich unmittelbar in den Blattwinkeln oder sind gar schon ein wenig auf die Blätter selbst geschoben. Hier wäre wohl ein Grund gegeben, Pflanzen mit dieser Organisation eher zu den Lycopodiaceen als den Cala- marien zu rechnen und eine Grenze für letztere zu setzen. So

1) So ist es sogar bei Wiırvıamson’s neuester Entdeckung an Calamostachys Binneyana, wo dieselbe Aehre an der Spitze Sporangien mit Micro-, weiter unten solche mit Macrosproren trägt, wo aber beide an Eguwisetum-artigen Trägern an- geheftet und sonst überhaupt wie die übrigen Calamostachys organisirt sind. (On the organisation of the foss. plants of the coal-measures Part XI, 1881, S. 298, Taf. 54, Fig. 23—27. Vergl. auch N. Jahrb. f. Min., 1381, I, Ref. S. 316 und 1882, Ref. S. 464.)

Das Gleiche fand vor Kurzem auch RexaurLr an einer verkieselten Aehre von Autun, die zu Palaeostachya wit blattwinkelständigen Sporangiophoren gehört: polyedrische Microsporen an der Spitze und sphaerische, 16 mal grössere Macro- sporen am Grunde, während er schon viel früher die Existenz von Macro- und Mierosporen an getrennten Bruchstücken anderer Aehren nachgewiesen hatte (Comptes rendus No. 7, 8.463). Er leitet daraus die Nothwendigkeit der Er- weiterung der Equisetaceen in heterospore und isospore ab, ähnlich wie bei den Lycopodiaceen, und hat dies in seinem Cours de Botanique fossile Il, 1882 be- reits durchgeführt.

[93] Equisetaceen und Calamarien. AR

wurde es von SCHENK und dem Verfasser gethan, was Spheno- phyllum betrifft, während REnAULT sogar eine Vergleichung dieser Gattung mit den Rhizocarpeen, speciell mit Salvinia, vorzieht, andere Autoren aber sie dennoch bei den Calamarien belassen. Diese Letzteren können für ihre Ansicht geltend machen, dass nicht sowohl die in der Gliederung ausgedrückte Tracht und äussere Structur der Stengeltheile eine gleiche ist wie bei den Equiseten und anderen Calamarien, sondern auch die Aehrenstructur durch solche Beispiele wie bei Palaeostachya mit blattwinkelständigen Trägern mit jener von Calamostachys vermittelt wird. Calamarien mit einfachen, einnervigen Blättern (Astrophylliten -artig) scheinen mitunter dieselbe Organisation der Aehren zu besitzen wie Spheno- phyllum (Volkmannia) und unterscheiden sich dann von den übrigen nicht weiter wesentlich. Allein diese Meinung, dass auch Volk- mannia und Sphenophyllum Calamarien-Gattungen seien, schien durch grosse Lycopodiaceen- Aehnlichkeit wenigstens von Spheno- phyllum, besonders wegen dessen 3seitiger, mittlerer Gefässaxe, aufgehoben zu werden. Gegenwärtig können die Vertreter der Ansicht, dass der Kreis der Calamarien auch die genannten 2 Gattungen einbegreife, noch eine Entdeckung von WILLIAMSON für sich verwerthen, wonach Calamostachys Binneyana eine solche Skantige Gefässaxe besitzt wie Sphenophyllum, nur wie es scheint nicht so scharf ausgesprochen als dort. Und wir selbst werden bei Calamostachys Ludwigi diese Beobachtung zu bestätigen haben (vergl. Taf. 23 und 24). Viele andere Querschnitte von Calama- rienähren haben Aehnliches bisher nie ergeben. Dagegen lässt sich nicht läugnen, dass die Dreizahl bei Verzweigungen oder beim Entspringen anderer Organe, wie der Sporangienträger eines Kreises aus der Axe, auch dort öfters eine Rolle spielt, wo die centrale Gefässaxe eine Dreitheilung nicht zu erkennen giebt, wovon wir noch Beispiele selbst beibringen werden (vergl. Calamites ternarius, senarius etc.).

Es geht hieraus hervor, dass Volkmannia und Sphenophylhum sowohl als auch die Lycopodiaceen enger mit den echten Calama- rien durch vermittelnde Glieder verbunden sind, als man früher

glaubte.

S Equisetaceen und Calamarien. [94]

Leider nicht in allen Fällen ist man in der Lage, die Ver- wandtschaftsverhältnisse nach den Fructificationen beurtheilen zu können. Dann ist die innere Structur der Stammtheile das wich- tigste Merkmal. Gerade die Vergleichung derselben bei Kqwisetum und den fossilen Calamarien hat mehrere Botaniker auch in neuester Zeit zu recht abweichenden Schlüssen für gewisse Reste geführt.

Im Querschnitt des Internodiums eines Eguwisetum sind die Fibrovasalstränge von einander isolirt, aber kreisförmig gestellt; sie umschliessen auf der Innenseite die kleineren wesentlichen Lacunen oder Carinalhöhlen, welche aus den später zerstörten, zuerst gebildeten Gefässen nebst zartwandigen Zellen zwischen ihnen entstehen. Rechts und links von der Lacune liegen nach aussen zu einige weite, netzartige Gefässe und radial nach aussen vor der Lacune der Phloömtheil des Stranges. Umhüllende Strang- scheiden treten zuweilen hinzu, eine gemeinsame Scheide für den ganzen Kreis der Gefässstränge ist vorherrschend. In der Rinde kommt meistens ein zweiter, äusserer Kreis von grösseren, soge- nannten Valecularhöhlen oder unwesentlichen Lacunen hinzu.

Auch in dieser Beziehung finden sich grössere Verschieden- heiten bei den fossilen Vertretern. Selbst die krautartigen Glieder dieser Familie entsprechen nicht immer völlig dem ge- schilderten Baue von Zguwisetum, besonders wenn man Spheno- phyllum mit in den Kreis der Calamarien zieht. Am besten bekannt sind freilich in dieser Beziehung die Calamiten oder baum- artigen Vertreter. Denn nicht alle quergegliederten und längs- gerippten Stengel aus der Steinkohlenzeit waren halmartig ent- wickelt, mit weiter Höhlung und schwacher, fester Wandung wie Equisetum. _Calamodendron Brongn. (Calamitea Corda) ist fast massiv, mit höchster baumförmiger Entwickelung des Calamiten- stammes. Aber seine Structur, ebenso wie die von Arthropitys Göpp., wird seit BBRONGNIART (1849, tableau des genres de veget. foss.) von Manchen auf Gymnospermen bezogen.

In Fällen, wo nicht blos Steinkernbildung eintrat, welche für sich allein noch nicht einmal die Existenz einer Centralhöhle be- weisen würde, sondern wo Verkalkung oder Verkieselung stattfand und dadurch die anatomische Untersuchung ermöglicht ist, hat

[95] Equisetaceen und Calamarien. 9

man wiederholt die im Wesentlichsten gleiche Stammstructur ge- funden wie bei Kgwisetum: die Centralhöhle, die gesonderten .Gefäss- bündel mit Lacunen, den eigenthümlichen Verlauf der Bündel an der Gliederung. Aber in anderen Fällen zeigt sich, verschieden von Kquisetum, ein mehr und mehr entwickelter Holzeylinder, wie namentlich WILLIAMSON dies in vielen Präparaten nachgewiesen hat. Dieser Holzeylinder setzt sich gleichwohl noch aus getrennten Keilen zusammen, von denen jeder an seinem nach innen gelegenen Scheitel eine Lacune umschliesst, und welche durch primäre Mark- strahlen (Strahlenparenchym) getrennt und durch secundäre durch- zogen werden. Hierin kann man recht wohl den Calamarientypus auch im Sinne der heutigen Equiseten noch erkennen trotz Ver- wandtschaft mit Gymnospermenstructur. So betrachten es in der That WıLLıamson und SCHIMPER (Handb. d. Palaeont., II. Bd. 1880), indem sie die Holzkeile der Calamiten als weit entwickelteren Zu- stand der Fibrovasalstränge der Equiseten auffassen, sowie man es bei baumartiger Ausbildung erwarten könne. Auch Stur (Sitzungs- ber. d. Wiener Akad. d. Wiss., Mai 1881) ist dem beigetreten. Dem gegenüber würde auch das Zurücktreten oder Verschwinden der Luftkanäle oder Lacunen von geringem Gewicht sein. Man wird daher auch jetzt jene sächsischen Calamiten-Querschnitte, welche Geınıtz abbildete und die längere Zeit als Belege von solchen mit Luftkanälen versehenen Stämmen gegolten haben, wohl kaum mehr anders als nur zufällige Erhaltungszustände betrachten: der äussere Kreis von Lacunen fehlt den bekannt gewordenen Cala- miten mit erkennbarer Structur; freilich zeigt sich auch die Rinde nur selten erhalten.

Die Beobachtungen von WILLIAMSON kann ich an Stücken bestätigen, welche den englischen sehr ähnlich sind. Vor einigen Jahren hat Herr WEDEKIND in Witten auf den Halden der Zeche Vollmond bei Langendreer in Westphalen Spatheisenstein-Con- cretionen mit Pflanzenresten mit deutlicher Structur aufgefunden und seitdem auf meine Bitte diese Vorkommen eifrig gesammelt. Sie rühren aus dem Hangenden von Flötz Fritz her. Dünnschliffe, welche an dem Materiale ausgeführt wurden, das der geologischen Landesanstalt durch die verdienstvolle Thätigkeit des Herrn WEDE-

10 Equisetaceen und Calamarien. [96]

kInD zugekommen ist, haben an mehreren Calamiten die Resultate

ergeben, die ich in den Holzschnitten Fig. 1— 3 verdeutlicht habe.

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Bei vielen Calamiten zeigt der Querschliff die oben beschrie- bene Trennung in einzelne Holzkeile mit den primären Mark- strahlen dazwischen sehr vollkommen, wie dies auch in Fig. 1

[97] Equisetaceen und Calamarien. il

rechts und in Fig. 2 wiedergegeben ist. In anderen Fällen aber findet mehr oder weniger schnell eine Vereinigung der benach- barten Holzkeile zu einem streckenweise oder ringsum geschlossenen Holzringe statt.

In Fig. 1 ist dies nach einem Querschnitt eines dickwandigeren Calamiten (2,5"" dick ohne Rinde) dargestellt, an welchem sich die Keile (#) links schon sehr früh zusammenschliessen, rechts dagegen noch ganz getrennt bleiben, während das Markparenchym (5) links bald verschwindet, rechts bis zum äusseren Rande der Holzzone anhält.

Auch in Fig. 2, einem Ualamiten mit weniger dickwandigem Holzeylinder (1,2”%”" ohne Rinde) angehörig, sind die Holzkeile «a mehr oder weniger getrennt, die Rinde d umhüllt noch (allerdings in weniger vollkommener Erhaltung) den Holzkörper.

Dagegen liefert Fig. 5 ein Beispiel von Vereinigung der Holz- keile « zu einem Öylinder ohne trennende primäre Markstrahlen bei einem ziemlich dünnwandigen Calamiten (0,8”"" ohne Rinde), dessen Holzzone zum Theil recht wenig dick ist.

Bei allen Präparaten findet sich im Scheitel des Holzkeiles der Querschnitt der Lacune ‘, indessen bei den verschiedenen Calamiten und oft auch bei demselben Exemplar von sehr ver- schiedener Grösse und Form. Bisher zeigte sich diese Stelle nie- mals völlig ausgefüllt, wie es von SCHENK neuerlich (Handbuch der Palaeontologie von ZiTTEL, Il. Bd. 1884, S. 237, Fig. 169 u. 170) für Arthropitys dargestellt worden ist; nur findet man mitunter in die Höhlung ; hineinragende offene Zellwände, die auf zerstörte Zellen hindeuten.

Vergleicht man unsere Bilder mit den von SCHENK gegebenen von Arthropitys, so ist der Unterschied beider ein ziemlich geringer und wesentlich darauf beschränkt, dass man bei unseren (und den bisher bekannten) Calamiten hohle Räume i findet, die bei Arthro- piüys wirklich ausgefüllt erscheinen, was sowohl in der Erhaltung als in dem mehr oder weniger früh stattfindenden Verschwinden des ursprünglich vorhandenen Gewebes (wie bei Equwisetum) be- gründet sein kann. Sodann ist bei Arthropitys der Unterschied des primären und secundären Holzes viel deutlicher ausgesprochen als

12 Equisetaceen und Calamarien. [98]

bei Ualamites, wo indessen mindestens die Anordnung der Tracheiden auf der Innenseite der Höhlen © anders ist als auf der Aussenseite. Auch SCHENK kommt übrigens zu dem Schluss, dass es der Auf- findung der Fructificationsorgane von Arthropitys bedürfe, um sie eventuell endgiltig den Gymnospermen einzureihen.

Der eigenthümliche Verlauf, die Verschränkung der Fibro- vasalbündel an den Gliederungen, das Vorhandensein von Dia- phragmen !) sind dagegen Merkmale, welche nicht für Gymno- spermen, sondern Calamarien sprechen.

Alle diese erst in neuerer Zeit gewonnenen Resultate so mannigfacher Untersuchungen können nur beweisen, dass der Kreis der Calamarien ehemals durchaus nicht so scharf nach allen Seiten abgeschlossen war, als es heute wohl sein muss, wo wir es nur mehr mit einer einzigen Gattung zu thun haben. Daraus folgt frei- lich gleichzeitig, dass wir untergeordneten Punkten der Organi- sation einen zu grossen Antheil bei der Vergleichung der fossilen und lebenden Calamarien einzuräumen uns hüten müssen. In diesem Falle aber würden wir uns ohne Zweifel befinden, wenn wir die blosse Existenz von dreierlei Nodialquirlen, der Blätter, Aeste und Wurzeln, als entscheidend für die Zugehörigkeit einer Pflanze zu den Calamarien ansehen wollten.

STUR, der in seinem letzten grossen Werke (die Culmflora d. Ostrauer und Waldenburger Schichten) auch den Calamarien viel Aufmerksamkeit zugewendet hat, obschon gerade in den dort behandelten Schichten dieselben noch mehr zurücktreten, bevorzugt bei ihrer Betrachtung ganz besonders das gegenseitige Verhältniss der 3 von ihm sogenannten »Internodialgquirle« und baut allerdings damit eine Seite der Untersuchung aus, welche bisher wohl zu wenig beachtet sein mag. Allein daraufhin, weil die so bezeichneten Charaktere an den fossilen Oalamarien noch am häufigsten und leichtesten beobachtbar sind, während Fructification und Stamm- structur seltener für die Untersuchung zugänglich werden, können sie doch nicht als entscheidend in der Frage der Zugehörigkeit eines Restes zu den Calamarien erklärt werden.

!) Bei Calamites ramosus habe ich schon längst deutliche Diaphragmen an den Astnarben beobachtet und beschrieben,

[99] Equisetaceen und Calamarien. 13

Vor allen Dingen fehlt den Stur’schen Deductionen der funda- mentale Nachweis, dass die von ıhm als Blatt-, Wurzel- und Ast- narben gedeuteten kleinen Male dies auch wirklich seien. Die verkehrte Aufstellung der Stücke bei Stur, die im nächsten Kapitel anzustellende Discussion über die Natur der Knötchen, welche für dıe Einen Blattnarben, für WıLLıamson Lenticular- organe bedeuten, bekunden den hypothetischen Boden, auf welchem sich die Stur'schen Darlegungen bewegen.

Nur dadurch, dass ein zu grosser Nachdruck auf jene »Inter- nodial-Knospenquirle» gelest wurde, erklärt sich auch die Meinung Stur’s, dass z. B. Pflanzen mit Fructificationen und Blättern wie Sphenophyllum zusammen wit Asterophylliten und Calamostachys auf einem und demselben Calamitenstamme gewachsen seien. |

Diese Vorstellung ist in neuester Zeit von ihrem Urheber zu einer Theorie ausgebildet worden (s. Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wiss., Mai 1881), deren ungewöhnlicher Standpunkt eine kurze Erläuterung erfordert.

Schon bei Eyuisetum machte Mırpz darauf aufmerksam, dass gewisse Arten homomorphe, andere heteromorphe Aeste besitzen; jene sind glatt, diese kantig. Analoges findet Srur bei den Steinkohlen-Calamarien. Asterophylliten und Annularien entsprechen nach ihm den homomorphen, glatten, Sphenophyllum den heteromorphen, kantigen FEquisetum-Aesten. Zu letzteren gesellte sich auch von beblätterten, sterilen Zweigen, was er wieder Volkmannia nennt, wie ehemals STERNBERG (nach Srur aber mit einmal gabligen Blättern). Die Verschiedenheit der Blätter zeichnet sie stets als heteromorphe Theile (nach Srur) aus, auch dann, wenn ihre Stengel nicht kantig sind. Asterophylliten und Annularien aber tragen Aehren, welche Srur Brukmannia, Andere Calamostachys und Stachannularia nennen; während sogenannte Volkmannia-Achren (wozu Srur nicht nur Volk- mannia in unserem Sinne, sondern z. B. auch Palaeostachya vechnet) besonders den Sphenophyllen zukommen sollen. "Nach Rexaurr’s Beobachtungen an einigen Aehren besitzen jene Microsporen, diese Macrosporen; also seien die homomorphen Aeste der Calamiten, d. h. Asterophylliten und Annularien, nichts anderes als solche Zweige, die Microsporangien mit Microsporen erzeugen, dagegen hetero- morphe Aeste derselben Calamiten seien die Sphenophyllen und Volkmannien, welche nur Macrosporangien mit Macrosporen entwickeln. Ja es lässt sich (nach Srur) zurückschliessen, dass, da bei den lebenden Equiseten nur die homomorphen Aeste noch Aehren treiben, die heteromorphen dagegen nie oder in Missbildungen ausarten, die letzteren nur die Fähieckeit, Macrosporen zu erzeugen, verloren haben. Es folgt (nach Srur) hieraus, dass jedem Calamiten sowohl Zweige mit Miero- sporen und Asterophylliten- oder Annularienblättern, als auch Zweige mit Macro- sporen und Sphenophyllen- oder Volkmannienblättern zukommen,

14 Equisetaceen und Calamarien. [100]

Von den Thatsachen, auf welche sich diese Lehre gründet, kennen wir allerdings noch nichts, als dass solche verschiedene Zweige theils in Gesellschaft, theils anhängend an gewissen Stengel- resten von gleichem Ansehen (nicht einmal Calamiten-Stämmen) vom Autor beobachtet wurden.

Diese Beiträge werden Belege dafür bringen, dass Calamiten recht verschiedene Fructificationsorgane getragen haben, so (ala- mites ramosus (alamostachys- Aehren, dagegen (alamites arborescens Palaeostachya-Aehren. Aber selbst wenn, was «gewiss nicht der Fall ist, alle übrigen Calamarienähren auf Pflanzen mit Calamiten- stämmen gewachsen wären, so würde daraus doch nicht folgen, dass sie alle einer Gattung angehörten und etwa die einen homo- morphe Theile mit Microsporen, die anderen heteromorphe mit Macrosporen seien, sondern man müsste vielmehr den Calamiten- theil der Pflanze als schlechterdings unbrauchbar zur weiteren Systematik dieser Pflanzengruppe erkennen und erklären. Glück- licherweise wird aber durch die inzwischen von WILLIAMSON ge- machte und oben citirte Beobachtung jetzt endgiltig festgestellt, dass die ganze Theorie unhaltbar ist, da ein und dieselbe Aehre von (alamostachys Binneyana Microsporen an der Spitze und Macro- sporen am unteren Theile trägt, diese Organe also nicht verschie- denen homomorphen oder heteromorphen Zweigen übertragen sind.

Von anderen Autoren wurde gegenüber der Annahme, dass Sphenophyllum und Asterophyllites demselben Calamiten entsprossten, die höchste Unwahrscheinlichkeit betont, dass Sphenophyllum mit seiner dreikantigen, soliden Gefässaxe zu den hohlen Axentheilen der Calamiten passe, wenn auch bei beiden in der Nodialgegend sich die Anlagen der Aeste, Blätter und Wurzeln finden.

Auch sind nach den Bestimmungen von STUR selbst die auf- gestellten Stellungsgesetze für die 3 Nodialquirle nicht constant und weder zu Gattungs-, noch zu Artunterschieden tauglich. Ueber- einstimmung mit Zguisetum ist selten, und für letzteres selbst ist daran zu erinnern, dass der erste Ursprung der Astknospe (s. oben S. 4) nicht unter dem der Blätter liegt, wie später allerdings, son- dern über ihnen und alternirend mit ihnen, somit nicht constant bleibt.

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[1 0 1] Equisetaceen und Calamarien. | 15

Wenn es wegen der grossen Mannigfaltigkeit der wichtigsten Organe der Calamarien nöthig erscheint, verschiedene Gattungen bei ihnen zu unterscheiden, um diese Verschiedenheiten zum Aus- druck zu bringen. so geht aus dem Vorstehenden zugleich hervor, dass diese Gattungen nicht auf die Nodialquirle basirt werden dürfen, wenn man den botanischen Grundsätzen folgt, sondern ohne Aus- nahme auf die Fructificationsorgane gegründet werden müssten, wenn wir in der Lage wären, dieselben bei jeder Species sicher zu bezeichnen.

Das eigenthümliche Verfahren der Phytopalaeontologie aber, getrennt gefundene Pflanzentheile oft mit getrennten Gattungsnamen zu belegen, weil ihre Zusammengehörigkeit noch nicht hinreichend bewiesen ist: Gattungen, welche natürlich nur provisorische sein können, ist wie wir leider auch heute wieder constatiren müssen noch immer nicht zu entbehren. Daher fallen Namen wie Calamites und Calamostachys nur zum Theil zusammen, denn ihr Umfang ist nicht derselbe. Calamites ramosus, Annularia ra- mosa (cf. radiata) und Calamostachys ramosa gehören allerdings zu derselben Art, allein Annularia longifolia, Annularia sphenophylloides mit ihren ((alamostachys-Aehren sind im Gegensatze zu jener solche Pflanzen, die nicht auf Calamiten wuchsen.

» Calamites« wird sich naturgemäss bei hinreichender Kenntniss aller Reste einst in ebenso viele Gattungen auflösen müssen, als an ıhm Fruchtgattungen vorkommen. Aber nicht jeder Calamarien- ähre wird auch ein Calamit entsprechen, denn nichts hindert uns, zu glauben, dass auch ın der Steinkohlenzeit so gut wie jetzt baum- und krautartige Pflanzen friedlich neben einander als Spe- cies derselben Gattung existirt haben werden. Und trifft dies zu, so ist auch der Name Calamites zwar für unsern Gebrauch bei dem Stande unserer Forschungen ein höchst nützlicher, für die Wissenschaft aber nur ein höchst provisorischer.

Wir können die obigen Erörterungen, insbesondere die Ver- gleichung der fossilen Steinkohlen-Calamarien mit den Equisetaceen der heutigen Welt, dahin zusammenfassen, dass bei keiner der ersteren eine volle Uebereinstimmung mit den letzteren bekannt geworden ist, dass also danach die Gattung Zguwisetum oder die

16 Equisetaceen und Calamarien. [102]

eigentlichen Equisetaceen unter jenen alten Vertretern fehlen. Wohl sind die heutigen Equisetaceen Calamarien, nicht aber sind die fossilen Steinkohlen-Calamärien Equi- setaceen im Sinne der heutigen Flora, ja zum Theil sehr beträchtlich abweichende Pflanzen, die sich an- deren Familien mehr oder weniger stark nähern.

Die nachfolgenden Blätter werden hierzu manche Belege bringen. Sie sollen zuerst noch einige allgemeine Organisations- verhältnisse der fossilen Calamarien behandeln und sodann im systematischen Theile die grosse Mannigfaltigkeit der Formen zeigen, mit welchen die Natur jene fernen Zeiten ausstattete.

Gerade aber die Nodialquirle werden uns manche beachtens- werthe Gesichtspunkte kennen lehren.

2.

Stellung der Calamiten.

(’alamites im weitesten Sinne liefert uns Reste, welche durch ihre Gliederung ein so gleichartiges Aussehen des oberen und unteren Endes erhalten, dass man vor manchem Anderen wünschen wird, Mittel an die Hand zu bekommen, um die Stellung oder Richtung der Stücke, das Oben und Unten an ihnen, sicher zu entscheiden.

Hierüber haben die Ansichten noch bis in die neueste Zeit gewechselt. BRONGNIART in seinem histoire des veg. foss. gehörte damals zu jenen, welche den Calamiten eine solche Aufstellung gaben, dass die Blätter an das untere Ende der Glieder verlegt, die mitunter vorkommenden kegelförmig auslaufenden Enden solcher Stämme nach oben gerichtet wurden. Später erkannte man die umgekehrte Stellung als die richtige an, und diese Ansicht blieb längere Zeit die herrschende. Neuerdings jedoch kehrt STUR zu derselben Aufstellung zurück, wie sie früher STERNBERG, BRONGNIART u. A. gebrauchten. Bei den so eingehenden Studien, welche der Wiener Autor gepflogen, kann man sich über die neueste Aende- rung der bisherigen Auffassung wundern und es ist dem auch von Anderen (s. ROTHPLETZ, N. Jahrb. 1881, I, S. 319) bereits wider- sprochen worden; indessen werden wir bei näherer Betrachtung für manche Fälle die Schwierigkeit anzuerkennen haben, die so einfach scheinende richtige Stellung eines Bruchstückes festzusetzen, wenn wir die hierbei in Betracht kommenden Umstände beachten.

In den gewöhnlichsten Fällen hat man Stammstücke ohne Verzweigung und ohne Beblätterung vor sich. Nur die an einem Ende der Rippen stehenden rundlichen oder elliptischen Narben

2

18 Stellung der Calamiten. [104]

oder Knötchen gaben dann, wenn sie vorhanden, einen Anhalt zur bestimmten Aufstellung des Bruchstückes. Da sie in neuerer Zeit als Blattnarben galten, mussten sie, der Stellung der Blätter bei Eqwisetum und überhaupt bei gegliederten Pflanzen gemäss, an das obere Ende des Internodiums oder auf die Unterseite der Nodiallinie verlegt werden. Nicht selten beobachtet man auch an beiden Enden der Glieder solche Knötchenreihen, also auf jeder Seite der Nodiallinie; jedoch bleibt die eine von ihnen dann deut- licher, wird auch oft von grösseren Knötchen gebildet als die andere und diese constantere von beiden galt als Blattnarbenreihe. Ihre Stellung bestätigt sich z. B. durch unsere Fig. 1 auf Taf. II bei Calamites Suckowi, wo an einem kegelförmig entspringenden Stämmchen die Knötchen sich am oberen Ende der Rippen befinden.

Aber diese Knötchen haben nicht immer als Blattnarben (oder eigentlich, da sie unter der Rinde am Steinkern auftreten, Blatt- gefässbündelspuren) gegolten, während über die zweite, seltener sichtbare Reihe am unteren Ende der Glieder sich noch weniger eine endgiltige Meinung herausbildete.

Eine andere Ansicht über ihre Natur lieferte in neuerer Zeit Wirrrauson gelegentlich mehrerer Abhandlungen über Organisation von Calamiten). Er beobachtete als inneren Kern eines Calamiten- bruchstückes ein kegelförmig gegliedertes Ende eines Calamiten- zweiges, von dessen Knötchen noch Radien wie Speichen hori- zontal nach aussen strahlen. Er nennt sie Infranodialcanäle, später Lenticularorgane, und weist in der letzten Abhandlung nach, dass sie anfänglich aus feinzelligem Gewebe bestehen, welches schnell zerstört wird, und dass sie nach Ausfüllung des entstandenen Canales durch Gestein oder mineralische Substanz als strahlen- förmige Verbindung der Centralhöhle mit der äusseren Oberfläche erscheinen, welche etwa den Markstrahlen vergleichbar wären. Auf

) On the structure of the woody zone of an undescribed form of Calamite, Memoires of the Lit. a. Phil. Soc. of Manchester vol. IV, 1869 S. 155 (Taf. I Fig. 1 u. 2). On the organisation of the foss. plants of the Coal-measures, Part I, Calamites. Philos. transact. Royal Soc. of London 1871 (Taf.23 Fig. 1, 2, Taf. 26 Fig. 22—28). Ebenda Part IX, 1878 (Taf. 21 Fig. 31, Taf. 20

[105] Stellung der Calamiten. 19

beiden Seiten, unter und über der Knotenlinie finden sich ähnliche Organe in den Spitzen der Rippen, daher meist alternirend ge- stellt. Die der oberen Reihe enthalten Gefässe und werden von WrrLıamson deshalb als Ursprung von Blättern (?) und Aesten betrachtet, während die Bedeutung der unteren Reihe nicht ent- räthselt werden konnte. Damit bleibt aber auch die Erklärung der gewöhnlichen Knötchenlinie als Blattnarbenreihe ausgeschlossen und solche Calamiten, welche diese Knötchen zeigen, schlug W ILLIAMSON vor mit dem Namen (alamopitys zu bezeichnen !). Bei anderen Autoren hat diese Ansicht Aufnahme nicht gefunden; man scheint vorzuziehen, die bekannten Knötchen als die Spuren appendiculärer Organe zu betrachten. Auch GraxnD’ Eury deutet sie als unent- wickelte Scheidenzähne.

Statt die über das obige Stück mit Radspeichen anderweitig geäusserte Vermuthung (N. Jahrb. f. Min. 1870 S. 1035), dass hier ein weites Calamitenglied aus dem oberen Theile desselben Stammes über das untere kegelförmige Ende geschoben worden sei, anzu- nehmen, will ich meine Beobachtungen über jene » Lenticularorgane« hier einfügen.

Die Erscheinung der von WILLIAMSON beschriebenen, von den Knötchen am oberen Ende der Rippen ausgehenden »Radspeichen« ist ganz ähnlich auch mir an einem oberschlesischen Exemplare vorgekommen, das die geologische Landesanstalt durch Herrn Dir. ASCHENBORN in Tarnowitz von Radischau bei Antonienhütte er- halten hat. Auch hier ist es ein kegelförmiges Ende eines Cala- miten, dessen Rippen oben kurze Fortsätze horizontal auf die Knötchen aufgesetzt zeigen; es steckt ebenfalls in einer Hülle mit Längsrippung, zum grösseren Theile ist aber der äussere Calamiten- theil verloren gegangen. Dass diese radialen Stäbchen oder Speichen

) Die Gattung (Calamopitus nach W.’s Schreibweise) gründet der Autor (1869, 1. c. S. 174) auf den aus netzförmigen Gefässen mit Markstrahlen gebil- deten Holzkörper, welcher noch Wirtel von Markstrahlen (eben die obigen »Lentieular-Organe«) in der Nähe der Gliederung besitzt. Der Name Calamo- pitys ist übrigens schon von Unger vergeben für Reste aus dem Cypridinen- schiefer von Saalfeld (s. Rıcurer und Unxcer, Beitr. zur Palaeont. des Thüringer Waldes 1856).

20 Stellung der Calamiten. [106]

nichts Zufälliges sind, geht aus der Erscheinung zur Genüge hervor, aber es lassen sich hier keine weiteren Beobachtungen machen.

Dagegen ist ein anderer Fall von Bedeutung. Das Exemplar eines (alamites Suwckowr von Oberhohndorf bei Zwickau, Taf. XVII Fig. 5, welches schon GEintTZ abgebildet hat und freundlichst lieh, hat das besondere Interesse, dass die Knötchen an den Enden der Rippen als kurze horizontal aufgesetzte Cylinderchen über die Oberfläche des Steinkernes bis etwa 1,5"" hervorragen (Fig. 5a), deren äussere Begrenzungsfläche einen centralen markirten Punkt zeigt. Eben deshalb lassen sie vermuthen, dass sich hier zugleich Stränge befanden, welche nach appendiculären Organen verliefen.

Dieser Umstand ist offenbar der WırLıamson’schen Deutung als Lenticularorgane nicht günstig. Schwierig aber würde weiter zu beantworten sein, wenn man jene Auffassung fallen lässt, ob die appendiculären Organe Blätter oder Wurzeln gewesen seien? Vergleicht man die wenigen Fälle, wo direct Wurzeln von den Gliederungen abgehend beobachtbar sind (z. B. in meinen Beitr. 1876, Taf. XIX Fig. 1) und mindestens scheinbar an den Knötchen anhängen, mit jenen, wo ohne Zweifel Blattnarben vorliegen (diese Beitr. Taf. I Fig. 1), so finden sich keine durchgreifenden oder leicht wahrnehmbaren Unterschiede für diese Knötchen. Daher wird auch jetzt noch diese Frage in vielen Fällen unentschieden bleiben.

Schon ihre Stellung, ausser Verbindung mit den Rillen des Stammes, in welchen man die Gefässstränge verlaufend annimmt, lässt Zweifel über ihre Natur zurück. An Präparaten von west- phälischen Spatheisenstein - Versteinerungen, die schon oben er- wähnt wurden (S. 9), habe ich zum Theil die Beobachtungen von WILLIAMSON bestätigen können. Tangentialschliffe von Calamiten zeigen die zu den Knötchen führenden, horizontalen Kanäle, oder richtiger Cylinder, zum Theil oder fast mit Zellen ausgefüllt, wäh- rend WILLIAMSOM sie ganz ausgefüllt sah. Die kanalförmigen Cylinder führen direct nach der Markhöhle oder dem hohlen Uentralraum des Stammes. Radialschliffe haben leider bisher wegen

unvollständiger Erhaltung des ausfüllenden Gewebes nicht ent-

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1 0 7] Stellung der Calamiten. 21

scheiden lassen, ob der ganze Oylinder nur mit markartigen Zellen oder ın der Mitte noch mit einem Gefässbündel oder mit Tracheiden versehen ist. Radialschliffe hat WırLıamson nicht publicirt, und nur diese können entscheiden, ob solche zu appendiculären Organen führende Stränge vorhanden sind.

Welche Bedeutung man nun auch den Knötchen einräumt, so würde man doch stets diejenige Reihe, welche die Blatt- narbenreihe darstellt, an das obere Ende des Gliedes zu ver- legen haben, wie die Analogie mit Kquwisetum etc. verlangt. Diese Analogie trügt auch nicht bei den fossilen Calamarien. Astero- phyllites, Annularia, auch Sphenophyllum (wenn man letztere Gat- tung bei den Ualamarien belässt) tragen die Blätter am oberen Ende ihrer Glieder, von Egwisetites ıst es selbstverständlich. Das Gleiche nun ist in den wenigen Fällen an Oalamiten zu beob- achten, wo man direct ansitzende Blätter gefunden hat.

Das wichtigste Stück unter allen, welche hierüber Aufschluss geben, ist der auf Taf. I Fig. 1 abgebildete Calamites (Calamitina) varians von Wettin (insignis, s. unten). Es ist nämlich das ein- zige Stück, welches gleichzeitig Steinkern (S) oder besser den Abdruck des Steinkerns und die äussere Oberfläche (7) mit hin- reichenden Spuren der Beblätterung (r) deutlich erkennen lässt. Die eingehende Beschreibung wird im systematischen Theile dieser Abhandlung erfolgen; hier ist nur darauf zu verweisen, dass die Stellung des Stückes in der Figur durch das Auftreten der Blatt- reste gegeben ist, welche man an mehreren Stellen, am vollständig- sten bei / an der zweiten Gliederung von oben, wahrnimmt. Diese Stellung wird durch die übrigen auf derselben Tafel, namentlich in Fig. 2 und 3 dargestellten Stücke, bestätigt, welche nur Ober- fläche mit Beblätterung zeigen und desselben Ursprunges sind.

Dass die Blattbasen (n) dieser Stücke unter die Quergliede- rung heruntergehen, die Blätter also am oberen Ende der Glieder stehen, ist in vorzüglicher Deutlichkeit an dem Stück Fig. 3 zu sehen, und damit ist die Frage für den vorliegenden Fall ent- schieden.

In einem zweiten Falle (Calamitina semicircularis) erhält man dasselbe Resultat. Von Bras bei Radnitz in Böhmen hatte

22 Stellung der Calamiten. [108]

C. FeistmanteL bereits äussere Oberfläche mit Blättern eines Calamiten beschrieben und abgebildet, an welchen ich (Steinkohlen- Calamarıien 1876 S. 129) die Blätter anders deuten zu müssen glaubte. Nachdem Herr C©. FEISTMANTEL hiergegen remonstrirt und aufs Neue sein Stück und ein ähnliches beschrieben (Verhdl. der k. k. geol. Reichsanst. 1879 S. 228), hatte derselbe auch die Güte, mir seine Originale zur Ansicht zu übersenden, wodurch es mir möglich wurde, die Vergleichung mit den Wettiner Stücken vorzunehmen und eine neue Abbildung von dem böhmischen zu liefern). Danach ist auch für mich jeder Zweifel gehoben, dass die von FEISTMANTEL richtig erkannten Blätter nicht auch solche seien, und ein Blick auf Taf. XVI Fig. 6 lehrt, dass die pfriemlich- lanzettlichen Blätter an dem oberen Ende jedes Gliedes entspringen, wo sie von kleinen Polstern getragen werden, die beim Abfallen der Blätter die Blattnarben bilden.

Als ein drittes Beispiel ist ein Stück von Langendreer in Westphalen aufzuführen, das ich auf Taf. XVII Fig. 2 abgebildet habe. Auch hier gehen die angedrückten Blätter über die Gliede- rung hinweg und entspringen auf dem oberen Ende des unteren Gliedes. |

Selbst das auf Taf. XVII Fig. 3 noch abgebildete kleine Bruchstück von Recklinghausen in Westphalen kann als Beweis dafür dienen, dass die Blätter am oberen Ende der Stengelslieder gesessen haben; denn obschon hier die Gliederung nicht vorhanden ist, beweist doch der Zusammenhang der Blätter mit der Oberhaut, dass diese nur vom oberen Ende des Stammgliedes herrühren konnte. Die Oberhaut des nächsten Stammgliedes ist an der Gliederung abgerissen und so krönen die stehengebliebenen Blätter noch zum Theil das untere Stück. In gleicher Weise bleiben bei Egquwisetum die Scheidenzähne am oberen Ende eines Stengelgliedes stehen, wenn man das darüber folgende Glied abreisst.

In allen diesen Fällen lässt die Richtung der aufrecht an- gedrückten Blätter keinen Zweifel über das Oben und Unten.

) Die ausführliche Beschreibung siehe im systematischen Theile unter U, varians semicircularis,

[109] Stellung der Calamiten. 33

In einem früher von mir bekannt gemachten Falle (Steinkohlen- Calamarien I, 1876 S. 128, Taf. XVII Fig. 1, Calamitina Göpperti Ett.) stehen die Blätter ziemlich steil vom Stamme ab, wennschon sie sich dann aufwärts biegen. Die übrigen Verhältnisse, wie die Stellung von Blatt- und Astnarben, stimmen jedoch ganz mit jener bei dem Wettiner Stücke, so dass die a. a. O. gegebene Aufstellung dieses Radnitzer Stückes wirklich nur die richtige sein kann.

Vielleicht gehören alle hier erwähnten Beispiele derjenigen Calamitengruppe an, welche sich durch periodische und dicht sedrängte Astnarbenquirle auszeichnet und welche ich schon in meiner früheren Abhandlung Calamitina nannte. Sieht man von dem Calamites transitionis ab, so ist aus anderen Calamitengruppen kein solches Beispiel der noch ansitzenden und gut erhaltenen Blätter bekannt. Denn was GEINITz bei Calamites Suckowi von etwaiger Blattbildung abgebildet hat, ist noch sehr unvollkommen erhalten. Erwünscht wäre die Beobachtung der Beblätterung auch in solchen Fällen, wo andere Öalamiten vorliegen, sehr; inzwischen sind wir auf die obige Analogie und die Uebereinstimmung mit Equwisetum angewiesen, wenn wir das gleiche Verhältniss der Blatt- stellung für alle Calamiten annehmen und als Regel festhalten, _ dass die Blattnarben nur am oberen Ende jeden Gliedes auftreten können, wie es schon seit längerer Zeit richtig er- kannt war.

Es wäre also leicht, die Stellung eines Stammstückes zu be- stimmen, wenn dasselbe Blattnarben zeigt. Indessen haben wir schon oben (S. 20) angedeutet, dass mit den Blattnarben nicht ohne Weiteres jene so oft erscheinende Knötchenreihe an den Enden der Rippen des Steinkernes identificirt werden darf, weil solche Knötchen auch da zum Vorschein kommen, wo Wurzeln sitzen oder gesessen haben. In solchen Fällen, wo eine sichere Deutung der Knötchen nicht ausführbar ist, wird es auch künftig öfters unausbleiblich sein, dass Calamitenbruchstücke in verkehrter Lage abgebildet werden.

Etwas häufiger als beblätterte Calamitenstäimme finden sich Verzweigungen, an denen sich das Unten und Oben sofort er- giebt. Die bisher bekannt gewordenen Fälle, sowie die meisten

24 Stellung der Calamiten. [110]

der hier darzustellenden zeigen kegelförmig und mit abgekürzten Gliedern beginnende Zweige, die von der Gliederung eines Stam- mes ausgehen. Gerade diese tragen, wie auch dies schon von mehreren Autoren dargestellt und längst bekannt ist, an den oberen Enden der Glieder oft die deutlichsten Knötchen. Dies findet man z.B. in den Stücken bestätigt, welche auf Taf. II Fig 1 (Zweig mit Knötchen), Taf. III Fig. 2 (Haupt- und Nebenstamm mit Knötchen), Taf. IV Fig. 1 (Hauptstamm mit deutlicheren Knötchen als der Seitenstamm) abgebildet sind, auch bei anderen, aber weniger gut erkennbar. Die meisten kegelförmig zulaufenden Calamitenstücke, welche man nicht selten isolirt findet, zeigen ganz dasselbe recht gut.

Diese conischen Spitzen aber mit abgekürzten Glie- dern sind bisher nie anders gefunden worden als in solcher Ver- bindung, wie sie Stämme zeigen, welche unterirdisch aus Rhizomen entspringen, so dass in den obigen Fällen der »Hauptstamm« das kriechende Rhizom, der »Nebenstamm« oder Zweig erst den nach oben gerichteten, noch immer unterirdischen Theil eines Stammes darstellt. Gerade diese Theile aber tragen sehr häufig Wurzeln, und obgleich ihre Stellung ganz unzweifel- haft ist, so bleibt doch die Bedeutung ihrer Knötchen nicht selten unentschieden.

Zweige, welche den oberirdischen Theilen des Calamiten angehören, sind weit seltener noch am Stamme ansitzend gefunden worden. Dahin aber gehören von unseren vorliegenden Originalen die auf Taf. VII Fig. 1 und 2 abgebildeten und wohl ebenfalls sicher die auf Taf. IX Fig. 1, Taf. X Fig. 1, endlich das schöne Stück Taf. V Fig. 1, welches zwar in seinem Hauptstamm den Calamiten- charakter (scharfe Rippung) weniger scharf ausgeprägt zeigt, von dem sich indessen mit grösster Wahrscheinlichkeit die Zugehörig- keit zu (alamites ramosus ergeben hat.

In allen diesen Beispielen sind die Zweige von lang cylin- drischer Gestalt, weder conisch verschmälert, noch mit abgekürzten Gliedern. Auch diese Stücke tragen zum Theil noch Wurzeln;

Knötchen sind bei ihnen weniger scharf oder gar nicht beob- achtet, |

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[111] Stellung der Calamiten. 95

Aus dem Erörterten geht hervor, dass die richtige Aufstellung von Stammstücken, die nicht verzweigt sind und keine Blätter tragen, durchaus abhängig ist von der Möglichkeit der Deutung der Knötchenreihen als Blatt- oder als Wurzelspuren.

Die wahrscheinlichste Stellung bleibt immer die, dass die deutlichere Knötchenreihe an das obere Ende der Glieder verlegt werden muss,

3. Beblätterung der Calamarien.

Unter den dreierlei Nodialquirlen der Calamiten sind es die Blattwirtel, welche sich an die vorhergehende Besprechung zu- nächst anschliessen, insofern sie die Stellung der einzelnen Stücke sofort entscheiden würden. Da man aber in der Regel von Cala- miten nur den Steinkern, selten die äussere Oberfläche erhalten - vor sich hat, so kann es nicht verwundern, dass ansıtzende Blätter so selten beobachtet wurden. Dazu kommt, dass die Blätter wohl zumeist schon früh abfielen, nur bisweilen sich länger erhalten haben. Daher hat man sie zwar schon längst unter den Resten der Steinkohlenschichten gefunden und SCHLOTHEIM bildet sie unter dem Namen Poacites zeaeformis ab, aber in ihrem Zusammen- hang mit Calamites sind sie erst viel später erkannt. An Calamiten- stämmen ansitzende Blätter sind dem Verfasser aus eigener An- schauung kaum öfter als bei einigen Beispielen vom Typus der Calamitina varians bekannt geworden. Die an Calamitenzweigen vorkommenden Blätter werden wir zunächst noch abgetrennt lassen.

Die Blätter an den Stämmen der Steinkohlen-Calamiten sind einfach und getrennt. Bei besserer Erhaltung findet man, dass sie aus zwei Theilen bestehen: einem Nageltheil an der Basis und dem eigentlichen Blatte, welches bei weitem der überwiegende Theil ist, auch oft nur allein zu beobachten. In Fig. 6 auf Taf. I ist ein Blatt des Calamites varians (insignis) in zweifacher Ver- grösserung isolirt dargestellt. Der kurze, nagelförmige Theil am unteren Ende ist deutlich abgesetzt und durch eine Querfurche von dem oberen Blatte geschieden; er wird ausserdem von einer Längsfurche halbirt. Das Blatt selbst ist lineal und wird bei den breiteren und besser erhaltenen Exemplaren von 3 Längslinien

[115] Beblätterung der Calamarien. N

durchlaufen, deren mittlere der Mittelnerv ist, während die beiden seitlichen durch einen zarteren Rand hervorgerufen werden, der sich nach unten und oben allmählich ausspitzt. Das Blatt ist da- - her in diesem Falle nicht als dreinervig aufzufassen, sondern ein- nervig wie die schmäleren Blätter anderer Exemplare, an denen man nur eine einzige Mittellinie, oft auch diese kaum findet. Der Nageltheil, welcher sich an den Wettiner Exemplaren der schmalen Form des Blattes anschliesst, kann ın anderen Fällen, wie bei dem Stück von Radnitz Taf. XVI Fig. 6, sich an der Basis beträchtlich verbreitern. Aehnlich ist es auch bei dem Stück ın Taf. XVII Fig. 2 aus Westphalen.

Damit wird schon angedeutet, dass der Basaltheil des Blattes recht innig mit der Oberhaut des Calamiten verbunden ist. Wäh- rend die glatte Oberhaut, die nur durch sehr feine Längsstreifung sich auszeichnet, auch querrunzlig, aber wohl nur in Folge Austrocknens vor der Ablagerung, erscheint (s. Taf. I Fig. 3, Taf. XVII Fig. 2 u. 3), sich leicht von dem Körper des Oalamiten abstreift, so haften an ihr anscheinend die Blätter recht fest, wenig- stens in manchen Fällen, und erscheinen dann unter sich ver- bunden. Gleichwohl ist es leicht, sich zu überzeugen, dass man es nicht mit scheidenförmiger Verwachsung zu thun haben kann, besonders wenn man einen Blick auf das in Fig. 2 Taf. I abge- bildete Stück wirft, woran die Blätter meist noch durch etwas zwischengelagerte Schieferthonmasse von der Oberhaut des Cala- miten getrennt werden. Wie fest aber der untere Theil des Blattes an der Oberhaut manchmal haftet, geht aus Taf. XVII Fig. 3 her- vor, wo das in der Gliederung abgerissene Stück der Oberhaut noch die Blätter wie Fortsätze trägt (s. oben S. 22).

In solchen Fällen scheint es gar nicht, als seien die Blätter zum Abfallen geneigt; indessen, nach gewisser herangereifter Zeit mag dies eingetreten sein; denn wir finden in den Fällen, wo die äussere Oberfläche der Calamiten vorliegt, meist statt der Blätter eine Reihe von Blattnarben, oft kettenförmig an einander gereiht oder auch zum Theil oder durchweg getrennt, wie in: Steinkohlen- Calamarien I. Theil (1876) Taf. XVII Fig. 2; diese Abhandl. Taf. IV Fig. 2, sowie Taf. VII Fig.-3, Taf. XI Fig. 1 und 2,

28 Beblätterung der Calamarien. [114]

Taf. XVI Fig. 6—8, Taf. XVII Fig. 1; GEINITZ, Steink. Sachsens Taf. X Fig. 5 etc.

Diese Narben zeichnen sich durch einen manchmal recht deutlichen, centralen Punkt aus, den Durchgangspunkt für das Fibrovasalbündel oder Blattbündel. Sie sind die eigentlichen Blattnarben, nicht die Knötchen an den Enden der Rippen des Steinkernes. Gleichzeitig mit jenen diese letzteren zu prüfen, ist nur äusserst selten möglich. Doch ist sicher, dass der Steinkern am oberen Ende seiner Rippen zugleich jene Knötchen enthält.

Sehr lehrreich, aber sehr merkwürdig ist, was das in Fig. 1 auf Taf. I abgebildete Stück zeigt. Vergleicht man nämlich die Abstände der Blattnarben » mit der Breite der Rippen desselben Stückes (bei S), so ergiebt sich, dass auf gleiche Breite äusserlich nur halb so viel Blätter kommen als im Innern Rippen oder Knötchen vorhanden sind. Wenn nun die Knötchen ebenfalls von Blattbündeln herrühren, so ist dieser Umstand sehr auffallend. Denn unter der Voraussetzung, dass die Bündel von jedem Knöt- chen aus in je eine Blattnarbe fortsetzen, müsste die Wandung des Stammes eine so beträchtliche Dicke erreicht haben, nämlich gleich dem Radius des inneren Steinkernes, wie man es in diesem Falle unmöglich annehmen kann. Es bliebe ausserdem nur übrig, dass entweder die abwechselnden Bündel sehr bald verschwinden oder fehlschlagen, oder sie müssten sich, was sehr unwahrschein- lich ist, zu je zwei in ein Blatt vereinigen. Will man auch die Erklärung des Verschwindens der abwechselnden Blattnarben im Stamm nicht annehmen, so wird man wieder auf die WILLIAMSON- sche Deutung der Knötchen als Lenticular-Organe oder doch als Organe, welche mit den Blättern nichts zu thun haben, geführt (s. oben S. 18 20). Allerdings müsste auch, falls hier die Ana- logie von Eguwisetum gilt, der Ursprung des Blattgefässbündels nicht da liegen, wo die Knötchen am inneren Steinkern auftreten, sondern an einem senkrecht darüber gelegenen Punkte der Nodial- linie, in welchem sich die in den Rippen verlaufenden Stamm- gefässbündel vereinigen.

Die Reihe rn’ desselben Stückes Taf. I Fig. 1 ist zwar eben- falls Blattnarbenreihe, welche unter den grossen Astnarben «@ ver-

[115] Beblätterung der Calamarien. 99

läuft; hier erreicht die Breite der Blattnarben nicht das Doppelte der durchschnittlichen Breite der Rippen. Es würden also hier weniger Blattbündel als fehlgeschlagen zu betrachten sein oder die Rippen an dieser Stelle müssten vermehrt sein im Vergleich zu den anderen. Aber auch hier nähert sich die Entfernung der Blattnarben dem Doppelten derjenigen der Knötchen.

Verschiedene Forscher betrachten bekanntlich die Astero- phylliten als Zweige der Calamiten, und ihre Beblätterung kommt der der letzteren wegen ihrer ganzen Gestalt und der Richtung nach aufwärts am nächsten. An dicken Asterophyllitenstämmen findet man eine Beblätterung sehr ähnlich derjenigen von Fig. 2 auf Taf. I, und erst an den dünneren Verzweigungen nimmt die- selbe den gewöhnlichen Habitus an. Schon STEININGER (geognost. Beschreib. des Landes zwischen der unteren Saar u. dem Rheine, 1840, Taf. I) bildete ein schönes Stück dieser Art, welches gleich- sam den Uebergang von Calamitenbeblätterung zu Asterophylliten zeist, unter dem Namen Annularia longifolia (= Ann. calamitoides Schimper, traite I, Taf. XXVI Fig. 1) ab. Ganz entsprechende Stücke von Wettin und Ilmenau in der geologischen Landessamm- lung lehren, dass hier die gewöhnlich Asterophyllites equisetiformis genannte Pflanze vorliegt, deren Blätter auch an älteren Theilen namentlich durch das Fehlen des Nageltheiles abweichen, der frei- lich auch bei Calamiten wohl nicht constant ist.

Diejenigen, weiche die Asterophylliten als Zweige der Uala- miten auffassten, dachten sie sich gefiedert an solchen Calamiten, wie wir sie als (alamitina unterschieden haben und noch unter- scheiden werden. Der einzige Fall indessen, welcher von einer Calamitina mit blatttragenden Zweigen bis jetzt bekannt geworden ist und welchen RENAULT (Cours de Botanique foss. II, Taf. 17 Fig. 1) skizzirt, entspricht nicht den schön gefiederten Zweigen STEININGER's u. A., sondern besitzt einfache und unregelmässig oder quirlig verästelte Zweige mit Asterophylliten-Beblätterung. Andere Autoren betrachten Asterophylliten mit Fiederzweigen, die in einer Ebene liegen, als selbständige krautartige Pflanzen.

Beblätterte Zweige eines Oalamiten aber, nämlich des Cala- mites ramosus, liegen nun in dem reichlichen Materiale vor, welches

30 Beblätterung der Calamarien. [116]

Herr Obersteiger VÖLKEL auf der Rubengrube. bei Neurode zu- sammengebracht hat und welches zu einer vollständigen Darstellung dieses Calamiten im systematischen Theile dieser Abhandlung die- nen wird!). Nicht die Stämme, sondern die schwächeren Zweige tragen hier noch Blätter und diese sind Annularienblätter. Ihre Form ist die, welche in den häufig isolirt auftretenden Wirteln bisher zum Theil Annularia radiata genannt wurden, - womit in- dessen auch andere Formen vereinigt waren, welche man jetzt wieder unterscheiden muss. Man kann daher diese Blätter nur als Annularia ramosa bezeichnen. Eimige Beispiele hiervon sind auf Taf. VI und Taf. XX Fig. I dargestellt. Das Nähere hierüber wird sich unten bei der Beschreibung von Calamites ramosus er- geben. Ist aber in diesem Falle die Zusammengehörigkeit der Annularienblätter tragenden Zweige mit Calamites ramosus be- gründet, so ist damit der Beweis geliefert, dass baum- und kraut- förmige Arten derselben Gattung sich auch unter den Steinkohlen- ‚Calamarien befinden.

Denn von Annularia longifolia, deren Aehren gleiche Organi- sation besitzen wie (alamites (Calamostachys) ramosus, bewahren die Museen in Dresden (Geh. Rath Gemtrz) und Chemnitz (Dr. STERZEL) ausgezeichnete Exemplare von Lugau in Sachsen, in neuerer Zeit gefunden, wo die Breite des beblätterten, flach ge- drückten Stengelgliedes 43"", die Länge 83 93" beträgt; aber trotzdem lässt der Stamm nichts von den eigenthümlichen Cala- mitencharakteren wahrnehmen. Diese Annularia longifolia kann nicht zu den baumförmigen und kein Calamit als ihr angehörig gezählt werden trotz der bemerkenswerthen Grösse, während die kleinblätterige Annularia ramosa einen Calamitenstamm hat. Wichtig ist, dass jene Lugauer Exemplare an den noch beblät- terten Stengeln gleichzeitig Aehren von Stachannularia (Calamo- stachys) tuberculata tragen von 9°® Länge, womit auch die Frage der Identität von Ann. longifolia und Stachann. tuberculata ihren Abschluss gefunden hat?).

I) S. Nachricht hierüber im N. Jahrb. f. Mineral. 1881, II, S. 272.

?) Siehe Srerzer, palaeontol. Charakter der oberen Stemkohlenform. und des Kothlieg. im erzgebirgischen Becken, VII. Bericht der naturwiss. Ges, zu Chem- nitz, 1881 S. 234.

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[117] Beblätterung der Calamarıen. al

Hieran schliesst sich als weiteres Beispiel die von STERZEL nachgewiesene Fructification von Annularia sphenophylloides, einer wohl sicher krautartigen, wahrscheinlich fluthenden Pflanze, welche wir bei Calamostachys (Stachannularia) calathifera besprechen werden.

Abweichend bezüglich der Form würde die Beblätterung der älteren Archaeocalamiten sein, wenn das, was StuRr als Blätter auffasst, es auch wirklich sind, wogegen HEER noch bei ihrer Deu- tung als Wurzeln stehen blieb. Ihre dichotome Zertheilung würde der bei Sphenophyllum entsprechen und einfach gabelnde Blätter würde auch Volkmannia Stur (micht anderer Autoren) haben.

Weitgehende Vereinigung der Blätter eines Wirtels bis zur Verwachsung zu einer Scheide liegt bei den Resten vor, welche wegen dieser so naheliegenden Vergleichung mit Kgwisetum schon lange und zum Theil noch jetzt Eguisetites genannt werden (vergl. Eg. mirabilis Sternb. und #q. lingulatus Germ., s. Taf. XVIa Fig. 9 und Taf. XVI Fig. 10). Auch in diesen Fällen hat man Axentheile von beträchtlichen Dimensionen, aber doch ohne den Typus von Calamites.

4.

Wurzeln der Calamiten.

An den Stammtheilen der Calamiten noch ansitzende Wurzeln sind bisher ebenfalls noch nicht häufig beobachtet worden. Ein solches Stück habe ich bereits im ersten Theile der »Steinkohlen- Calamarien« 1876, S. 123 beschrieben und Taf. XIX Fig. 1 theil- weise abgebildet. Es gehört dem sogenannten Cal. Suckowi an. Ihm gesellen sich jetzt eine Reihe von Stücken meist anderer Arten hinzu, von welchen die vorzüglichsten im vorliegenden Hefte auf Tat. II Fig. 2, Tat. III Fig. 1, "Tat IV Biel, Var VINeRSee 2,4, Taf. IX Fig. 1, Taf. X Fig. 1 abgebildet worden sind.

Es darf hieraus zunächst geschlossen werden, dass, was man unter dem Namen Pinnularia bezeichnet hat, nach den vorliegenden directen Beobachtungen nicht mehr als Galamitenwurzeln betrachtet werden kann, wie man es bisher oft gethan hat.

Die Wurzeln erscheinen überall in der Form von bandförmigen Organen, die zwar ursprünglich cylindrisch gewesen sind, jedoch bei dem gewöhnlichen Erhaltungszustande diese ausgeplattete Ge- stalt angenommen haben. In ihrer vollen Länge sind sie allerdings nirgends erhalten, doch scheint dieselbe nicht ganz unbeträchtlich gewesen zu sein; die längsten Bruchstücke (Taf. VIII u. IX) werden bei (al. ramosus beobachtet, wo sie bis gegen 12°" Länge haben. Ihre Breite ist verschieden, doch überall bedeutender als diejenige der Blätter von 2!/, bis 9””. Damit in Zusammenhang ist die mehr oder weniger straffe oder zartere Beschaftenheit der Wurzeln selbst, sowie ihre mehr den Blättern oder schwachen Zweigen sich nähernde Aehnlichkeit. Besonders die Blattähnlichkeit kann recht erheblich sein und leicht auch zu Täuschungen führen, deren

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1 1 9] Wurzeln der Calamiten. 33

mehrere in der Litteratur auch wirklich stattgefunden haben. In- dessen sind die unterscheidenden Merkmale bei etwas besserer Erhaltung genügend, um über die Natur der vorliegenden Organe Sicherheit zu geben.

Schon in dem ersten Beispiele (Calamarien 1876, Taf. XIX) ergab sich der Beweis der Wurzelnatur dieser blattähnlichen Organe aus den noch an ihnen haftenden feinen Wurzelfasern (l. c. Fig. 1A). An anderen Stücken von Neurode konnte später das Gleiche beob- achtet werden, während in den meisten Fällen sonst keine Wurzel- fasern zu sehen sind. Ihr Nachweis ist aber für die richtige Deu- tung der Organe von Wichtigkeit.

Die Oberfläche der Wurzeln ist mehr oder weniger streifig, was von der reihenweisen Anordnung der Epidermiszellen her- rührt. Bei ©. Suckowi (Calamarien 1876, Taf. XIX Fig. 1B) ist die gleichsam mauerförmige Oberfläche der Epidermis deutlich er- halten, in den übrigen Beispielen (z. B. Taf. III Fig. 1A) kann nur noch die erwähnte streifige Beschaffenheit erkannt werden oder die Oberfläche wird glatt. Ist auch die Streifung stark, so ist sie doch niemals mit Nervation oder gar mit den Längsrippen der Stengel zu vergleichen, sondern unregelmässig, die Streifen nicht durchgehend.

Nicht selten, jedoch nicht immer, wird die bandförmige Wurzel von einem mehr oder weniger breiten, dunkler gefärbten linealen Streifen axial durchzogen, welcher einem breiten Mittelnerv eines Blattes ähnelt. Auch dieser ist streifig wie die ganze Wurzel und stellt ein centrales Gefässbündel dar, welches die Wurzel durch- zieht und bei flächenförmiger Zusammenpressung derselben sicht- bar wird oder werden kann. Es kann nur vom Erhaltungs- zustande abhängen, ob das centrale Bündel zum Vorschein kommt, oder nicht, oder ob es allein sichtbar ist (Taf. X z. Th.). Ent- sprechend der kräftigeren oder schwächeren Beschaffenheit der Wurzeln selbst ist das centrale Bündel breiter oder schmaler und kann sogar (wie in Taf. II Fig. 2) den grössten Theil der Breite des Bandes einnehmen, während sie gewöhnlich wohl nur !/4—!/; beträgt.

34 Wurzeln der Calamiten. s z [120]

Wenn die Wurzeln einige Länge erreichen, pflegen sie leichter oder stärker gekrümmt zu sein, oft geschlängelt, wie die Blätter in gleicher Weise nicht.

In der Befestigung am Stamm zeigen sie einige kleine Ver- schiedenheiten. Ihre Verbindung mit dem Stammgliede ist in den abgebildeten Beispielen dieses Heftes überall sichtbar. Bei Taf. II Fig. 2, Taf. III etc. steht die Wurzel genau auf der Gliederung (Nodiallinie); ja in der ersteren Figur sieht man das centrale Gefässbündel aus der Gliederung entspringen. Hier ist die Ver- wachsung der Wurzel mit dem Stamm eine besonders innige, in- dem ihr äusserer Theil am Grunde nach beiden Seiten sich ver- breitert statt sich zusammenzuschnüren.

In solchen Fällen haften die Wurzeln oftenbar sehr fest am Stamme, was auch dadurch bestätigt wird, dass häufig nur die untersten abgerissenen Enden an den Gliederungen stehen ge- blieben sind (e in den Figuren, z. B. Taf. III Fig. 1, Taf. IV Fig.1, Taf. X Fig. 1). Indessen kann man dieses Festhaften nicht allge- mein annehmen, da sonst viel häufiger bewurzelte Stämme gefunden werden müssten; im Gegentheil dürften bei den meisten Arten die Wurzeln ziemlich leicht abfällig gewesen sein. Dies scheint be- sonders von den Fällen zu gelten, wo ihre Basis sich nicht ver- breiterte, wie in Fig. 2 Taf. II, und wo die Wurzeln zur Seite der Nodiallinie gerückt erscheinen.

Ihre Stellung ist kreisförmig, nur in den Abdrücken im Schieferthon werden sie meist am Rande allein, also gleichsam zweireihig, sichtbar, da die übrigen zu demselben Wirtel gehörigen Wurzeln nicht wahrnehmbar oder nicht erhalten sind. Doch auch bei solchen Abdrücken finden sich Beispiele von deutlicher Kreis- stellung, wie Taf. VIII Fig. 4. An dem früher abgebildeten Stück (Calamarien 1876, Taf. XIX Fig. 1), welches in thonigem Sandstein eingebettet liegt, geben die Wurzeln radıal von der Stammgliederung aus in das Gestein und zwar von allen Knoten, wie man sich durch Herausnehmen des Steinkernes aus der Ma- trize überzeugen kann. Dasselbe ist auch in den jetzt vorliegenden Beispielen beobachtbar. Aber in der Gruppirung der Wurzeln ist ein Unterschied vorhanden.

[121] Wurzeln der Calamiten. | 35

In den obigen zwei Fällen ist die Kreisstellung der Wurzeln vollkommen regelmässig und diese gleichen hierin den Blättern. Anders erscheint es bei den in Taf. VIII Fig. 1, auch Taf. IX Fig. 1 dargesteliten Stücken. Hier sind mehrere Wurzeln an ein- zelnen Stellen des Internodiums bündelförmig zusammengehäuft, vielleicht an diesen Stellen überhaupt nur vorhanden. In Taf. IX Fig. 1 häufen sich die Wurzeln an dem Ursprung der Aeste und auch in Taf. VIII Fig. 1 scheinen die Punkte, wo Astnarben liegen, Sammelplätze für die Wurzeln zu sein.

Für die Frage nach den Spuren, welche die Wurzeln am Steinkern oder Stamm hinterlassen, ist das erste Stück (Calamarien 1576, Taf. XIX Fig. 1) wichtig. Denn man möchte daran kaum zweifeln, dass die Wurzeln von den Knötchen neben der Gliede- rung ausgehen (l. c. S. 124). Sind aber hier die Knötchen als Wurzelspuren zu bezeichnen, so wird man dies auch in anderen Fällen thun und es ergiebt sich, dass das Auftreten von Knötchen allein nicht genügt, um Blatt- und Wurzelspuren zu unterscheiden und deren Lage festzusetzen. Nur an verzweigten Stücken würde man dies ausmachen können; aber leider sind bei den schönen verzweigten Exemplaren, deren Abbildung vorgelegt werden konnte, die Knötchen meist nur undeutlich erhalten.

Die besten Stücke, besonders das auf Taf. IV Fig. 1 abgebil- dete, an dem die Knötchen deutlich sind, sprechen dafür, dass die letzteren sich ebenfalls am oberen Ende der Glieder befunden haben, während man Wurzelknötchen meist an dem entgegen- gesetzten Ende des Gliedes annimmt.

Bei Equisetum ist es Gesetz, dass je eine Wurzel unter der Astknospe entsteht, welche selbst unterhalb des Blattwirtels hervor- bricht. Auch das ganze Rhizom kann sich mit einem Wurzelfilz überziehen. Die bei Calamites beobachteten Fälle sind nicht gerade im Widerspruche mit der Regel bei Kguwisetum, doch ist bei ent- wickelten Wurzeln die Vertheilung nicht so regelmässig. Bei anderen gegliederten Pflanzen findet sich die Wurzel auch am unteren Ende des Gliedes. |

Aus dem Auftreten der Wurzeln an den grösseren hier ab- gebildeten Stücken ist zu entnehmen, dass es die unterirdischen

36 Wurzeln der Calamiten. [122]

kriechenden Stämme (Rhizome) und die unteren Theile der zum Lichte strebenden Stämme sind, an welchen die Wurzeln sich ent- wickeln. Wenn nicht überall an den primären Stämmen Wurzeln abgehend gefunden werden, so ist dies nur Sache des Erhaltungs- zustandes, der leicht sich so gestalten kann, dass (s. Taf. II Fig.2) der Hauptstamm nicht, der seitliche dagegen stark bewurzelt erscheint. Bei manchen Arten, wie Calamites ramosus (s. Taf. IX Fig. 1, Taf. X Fig. 1) hat Wurzelbildung noch ziemlich hoch am Stamın stattgefunden, woraus vielleicht zu schliessen, dass diese im Wasser gestanden haben und, so weit sie noch untergetaucht waren, Wurzeln trieben. Hier treten Wurzeln an Stellen mit schlanken Aesten auf.

Schon LinpLey und Hurrox haben in ihrer fossil flora of Great Britain vol. I, Taf. 78 und 79 conische Calamitenenden mit Wurzeln abgebildet und für sie bereits die richtige Stellung und Deutung vermuthet, obschon man damals nach BRONGNIART die Spitzen nach oben kehrte. Dawson (Quart. Journ. 1851) fand solche conisch zulaufende untere Enden in der natürlichen Stellung, mit Wurzeln versehen.

Auch das schöne Stück in GEInITZ, Verst. d. Steinkohlenform. in Sachsen Taf. XV, stellt einen bewurzelten Stamm, wahrschein- lich von Calamites ramosus, dar, wie ich nicht zweifle. Mehrere Darstellungen von bewurzelten Calamiten, welche in den Haupt- resultaten mit den unsrigen übereinstimmen, hat GrAnp’ Eury in seiner flore carbonifere du departement de la Loire gegeben, woraus bereits hervorging, dass die Wurzeln an den unterirdischen, und zwar nicht blos horizontalen Stämmen auftreten. Bei LINDLEY und Granp Fury finden sich auch verzweigte Wurzeln, während die von uns beobachteten nur einfache sind.

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9. Verzweigung der Calamiten.

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Kegelförmiger Seitenstamm am Hauptstamm befindlich: Taf. IT Fig. 1, 2; Taf. IH Fig. 1 (Kegel in der verkohlten Substanz verdeckt) und 2; Taf. IV Fig. 1; Taf. VII Fig.3; Taf. XXVII Fig. 3.

Oberirdische Zweigbildung (nicht kegelförmig): Taf.V; Taf. VI; Taf. VII Mail, 25 1a 1DX else Task

Astnarben: Taf. I Fig. 1; Taf. I Fie.3; Taf.IV Fig.2; Taf. VII Fig. 2, 3; Ta MEN Be 1 23 Mas 18%5 Mens 2 Tier I, 23 Maag Mes ale Mars Din Tor AV Bi, 6, 7, 82 Na, Ma Die, 7, ©, 10, Suts Alaıs KOT es le az ROM rar Da Alan ROSE Men LOSE 1 ERONMIERNER TE 7 DONE

Häufiger als Blätter und Wurzelbildung ist bei Calamiten Verzweigung beobachtet worden, aber immerhin auch diese nicht so häufig und klar, dass die dabei stattfindenden, mannigfaltigen Gesetze recht hervorgetreten oder gar erschöpft worden wären. Aus den vorhandenen Beobachtungen lässt sich gegenwärtig Fol- sendes entnehmen.

Wenn ein horizontales, kriechendes Rhizom vorhanden war, so trieb dasselbe einseitig nach oben gerichtete Astknospen. Solche Fälle stellt Srur (Culmflora d. Ostrauer u. Waldenburger Schichten S.49 u. 50) dar. An ihnen zeigt sich eine grosse Unregelmässig- keit in der Vertheilung der Insertionspunkte der abgehenden Stämme; meist sind auch nur ihre Narben, nicht die Verzweigungen selbst erhalten. Das Rhizom erscheint in Srur’s Figuren nahezu unge- gliedert.

Nach der Darstellung von GrAnD’ Eury würde das Rhizom von Calamites Suckowi sich zunächst mit Beibehaltung gleichen Charakters verzweigen, ausgesprochen in länglichen, unbestimmt cannelirten Gliedern; erst hieran heften sich spitz kegelförmig beginnende Stammenden mit scharfer Rippung und dem gewöhn-

38 Verzweigung der Calamiten. [124]

lichen Typus. Diese conischen Seitenstämme wiederholen sich auch an den aufrechten oder aufstrebenden Stämmen von normaler Gestalt, und zwar nicht blos einzeln, sondern auch wirtelförmig an den Gliederungen. Eigenthümlich ist dabei, dass viele in Form eines langen, dünnen Stieles beginnen, der erst in gewisser Ent- fernung sich plötzlich kegelförmig verdickt: eine bisher noch nicht wiederholte Beobachtung. Die seitlichen, aufrechten Stämme biegen dann an ihrer Basis um und gruppiren sich um die Gliederung eines gemeinsamen mittleren Stammes, wie auch schon Dawson (l. ec.) dieses Zusammenneigen gegen einen Punkt hin an aufrecht stehenden Gruppen von Calamiten beobachtet hatte. Bemerkens- werth ist, dass in den meisten Fällen, wo man kegelförmig zu- laufende Calamitenenden hat, diese eine leichtere oder stärkere Krümmung verrathen. Dies ist offenbar Folge der seitlichen Stel- lung der Knospe, aus welcher solche Stämme entsprossen sind.

Bestätigung dafür, dass kegelfürmige Enden nur die Anfänge von Seitenstämmen sind, liefern solche Exemplare, an denen die ursprüngliche Verbindung von Haupt- und Seitenstamm noch er- halten ist. Dahin gehört zunächst der auf Taf. III Fig.2 abge- bildete Calamites Suckowi von Schwarzwaldau, bei welchem die Verbindung eine verhältnissmässig schwache ist. Denn der in kurzer Entfernung vom Ursprung bereits 8°“ breite Stamm B ist an seiner Anheftungsstelle kaum über 1°” breit. Doch scheint dies der normale, oder besser gesagt, gewöhnliche Fall zu sein, dass das kegelförmige Ende mit dünner Spitze hervorbricht.

Ebenso ist dies bei dem grossen Stücke von (’alamites Suckowi von Orzesche zu sehen, welches auf Taf. IV Fig. 1 abgebildet wurde. Der horizontale Hauptstamm 4A, deutlich bewurzelt, ist als unterirdischer zu betrachten, von den Srur’schen Wurzelstöcken jedoch durch ausgeprägten Calamitentypus verschieden. Die seit- lichen Stämme PD beginnen kegelförmig mit dünner Verbindung.

Das schöne Stück Taf. II Fig. 1, das nach dem Charakter des Seitenstammes B ebenfalls zu Calamites Suckowi zählt, obschon der Hauptstamm A abweichend beschaften ist, von Wettin, lässt die Kegelspitze von B in eine dicke, kohlige Masse eingebettet er- scheinen, welche an der Insertion eine beträchtliche Verdickung

[125] Verzweigung der Calamiten. 39

hervorruft, die erst an den benachbarten Gliedern nach oben wie nach unten in die normale Rindendicke übergeht.

Das auf derselben Taf. II in Fig.2 abgebildete verzweigte Stammstück von Calamites arborescens von Neurode zeigt eine gleiche starke Verdickung am unteren Ende des Seitenstammes 2, in welcher nicht sichtbar der Kegel des letzteren verhüllt liegt, Beide Stämme haben Wurzeln besessen. Das kleinere Stück eines (al. arborescens Taf. VIII Fig. 3 bestätigt das vorige, obschon die unvollständige Erhaltung den verdickten Theil nicht sehen lässt.

An die letzteren schliesst sich das auf den ersten Blick sehr abweichende grosse Stück von Neurode, Taf. III Fig. 1, an, zu (alamites arborescens gehörig. Die hier besonders beträchtliche Verdickung an den Punkten, wo die 3 seitlichen Stämme 3 ent- springen, erklärt es, dass von dem kegelförmigen Anfang derselben nichts sichtbar ist. Auch hier sind es bewurzelte Stämme.

Diese Verdickungen, welche hier mehrfach nachgewiesen wurden, stehen in gewissem Gegensatz zu den Fällen, wo sie fehlen, wie in dem ersten Beispiele. Man könnte eine solche Ver- stärkung der Wandung an den Verzweigungen weit häufiger, viel- leicht stets, erwarten als nothwendig für die Tragfähigkeit dieser Theile, und eine so schwache Verbindung wie Taf. III Fig. 2 etc. könnte nur möglich erscheinen, wenn der Zweig hängend und nach unten gekehrt gedacht werden müsste. Indessen muss man sich durch die verhältnissmässig grossen Dimensionen der Steinkerne der Seitenstämme und ihrer Kegel nicht zu der Täuschung ver- leiten lassen, als seien die Pflanzenkörper selbst von besonders grossem Gewicht gewesen, während im Gegentheil die dicken Steinkerne eine geringe Masse des rohrartigen Pflanzenkörpers und also ein geringes Gewicht der Stämme und Zweige beweisen. Wenn aber, wie man annehmen muss, gerade die kegelförmig aus- gehenden Stämme oder Zweige unterirdischen oder mindestens den unteren Theilen der aufsteigenden Stämme angehören, so ist auch bei schwacher Verbindung derselben mit dem Mutter- stamme durch den umgebenden Boden und die sich darin aus- breitenden Wurzeln Festigkeit genug für die Pflanze gegeben.

40 Verzweigung der Calamiten. [126]

üs ist aber in der That in allen vorstehend gegebenen Fällen sicher, dass die kegelförmigen Enden von solchen unteren Theilen aus- gehen, da sie noch bewurzelt waren. Diese Verzweigungen finden auch nur zerstreut, an einzelnen Punkten der Gliederungen statt. Die Kegelform gehört nur dem innern Hohlraume oder dessen Ausfüllung, dem Steinkerne, an und ist in manchen Fällen äusser- lich gar nicht sichtbar.

Die Richtung der abgehenden Zweige ist meistens eine schiefe. Nur etwa bei Taf. IV Fig. 1 kann man den Hauptstamm A hori- zontal stellen und erhält eine verticale Stellung der Stämme B, die auch alle auf einer Seite liegen. Aber in anderen Fällen ist die gleiche Richtung nicht vorhanden. In Taf. III Fig. 1 (Cal. arborescens) sind die seitlichen Stämme so schief gestellt, dass, obschon sie ebenfalls nur auf einer Seite stehen, der Hauptstamm A nicht horizontal, sondern selbst schon ein aufsteigender Stamm gewesen sein muss. Fast ebenso muss es sich mit dem Wettiner Stück Taf. II Fig. 1 verhalten, an welchem man der Verschieden- heit der äusseren Charaktere von A und B wegen geneigt sein würde, den ersteren als Rhizom anzusprechen. Aber da man sehr verschiedene Grade einer solchen Differenz zwischen Haupt- und Nebenstamm findet, ist eine Unterscheidung zwischen Rhizom und aufsteigendem Stammtheil mit Hilfe der Verschiedenheit ihrer Charaktere nicht durchführbar.

Wenn wir jetzt die oberirdischen Theile der Calamitenstämme und ihrer Verzweigungen ins Auge fassen, so tritt uns in dem vorliegenden Material sogleich der Unterschied entgegen, dass die Zweige nicht mit kegelförmigen Enden beginnen, in den meisten Fällen wohl auch nicht mit abgekürzten Gliedern. Die Glieder der Zweige sind vielmehr cylindrisch und besitzen zumeist von Anfang an die für sie normale Gestalt.

Eine Zwischenstufe gleichsam zeigt indessen die auf Taf. XXVII Fig. 3 abgebildete Verzweigung eines Calamites Suckowi von Saar- brücken, insofern hier die Zweige B, €, D zwar nicht kegelförmig beginnen wie in früher erwähnten Fällen, aber mit abgekürzten Gliedern, welche erst später normale Länge annehmen. Dies deutet wohl darauf hin, dass hier eine weit höher gelegene Stelle

[127] Verzweigung der Calamiten. 41

der Verzweigung vorhanden ist, als in Fällen wie Taf. III Fig. 2 ete. Gerade bei C. Suckowr ist übrigens eine solche Verzweigung, wie es scheint, sehr selten und bisher nicht bekannt geworden.

Für die höher gelegenen Verzweigungen der Calamiten kommt noch hinzu, dass sich in ihrer Vertheilung am Stamm in sehr vielen Fällen eine weit grössere Regelmässigkeit einstelllt als bei den unterirdisch abzweigenden Stengeln. Dies ist sogar der Fall, wo der Stamm gleichzeitig an den Gelenken Wurzeln trägt, welche Zweige entsenden, wie Ü. ramosus Taf. IX Fig. 1. Das unterste Zweigglied ist in der Regel am Stamme ein wenig eingeschnürt, wie z. B. Taf. VII Fig. 1 u. a., aber bereits langgestreckt, wie die nachfolgenden. Dies deutet schon auf die leichte Ablösung der Zweige vom Stamm, an dem sie, einmal abgefallen, nur noch in Astnarben ihre Spuren hinterlassen.

Für Calamites ramosus, wo die Verzweigung am vollständigsten beobachtet worden ist, wird sich im systematischen Theile ergeben, wie der Stamm gegen die Spitze hin glatter wird, die Cannelirung und damit das typische gerippte Ansehen des Calamiten mehr und mehr zurücktritt, den Zweigen ähnlicher wird, welche ebenfalls schwächer cannelırt sind. Taf. V Fig. 1 giebt dies in ausgezeich- neter Weise zu erkennen. ‚Die Aeste werden so mehr und mehr denen